Quasistaat — Abchasien — die Heimat der Abchasen — ist ein weiterer Krisenherd auf georgischem Staatsgebiet. Die Abchasen waren noch in historischer Zeit ein eigenes Fürstentum, leb(t)en zuletzt allerdings nur als Minderheit im eigenen Land. Seit der Georgier Stalin 1931 die Küstenprovinz seiner Heimat zuschlug besiedelten immer mehr Georgier die einst als „russisches Cote d’ Azur“ gefeierte Küste. Eine gleichzeitige, lang dauernde Emigrationswelle — vor allem in die Türkei und nach Russland — hat das Volk der Abchasen in seinem eigenen Heimatland sehr geschwächt.
Abchasien bildet den nordwestlichen Teil Georgiens, wie ein Keil zwischen den kaukasischen Gebirgskamm und das Schwarze Meer gepresst hat es doch eine bevorzugte Lage. Nach Norden zu bilden die Gebirgskämme des Kaukasus einen rückwärtigen Schutz vor den winterlichen kalten Winden aus der russischen Steppe, nach Süden öffnen sich die Abchasischen Gebirgshänge gegen das Schwarze Meer wie das mediterrane Italien zum Mittelmeer hin. Abchasien hat sich daher zur Zeit der Sowjetunion zu einem bevorzugten Urlaubsgebiet der sowjetischen Nomenklatur entwickelt. Durch Stalin wurde Abchasien 1931 als Autonome Republik der georgischen Sowjetrepublik zugeschlagen. Dies führte zu einer über Jahrzehnte hin von den Abchasen als “Georgisierugnspolitik” empfundenen zunehmenen Einflußnahme von Georgieren. In Abchasien lebten um 1990 etwa 500.000 Menschen, davon mit 45 % die Georgier als größte Bevölkerungsgruppe. Nur etwa 20 % der Einwohner waren ethnisch tatsächlich auch Abchasen. Russen und Armenier bildeten mit jeweils rund 14 % die nächstgrößten Bevölkerungsgruppen der Provinz. Dazu kamen eine Vielzahl kleinerer Ethnien wie Griechen oder Karatschai-Tscherkessen und die mit den Georgieren verwandten Swanen. Diese Bevölkerungsverteilung führte am Ende der Sowjetunion zu zunehmenden Bestrebungen, die abchasische Autonomie endgültig abzuschaffen.
Auch die Abchasen sahen beim Zerfall der Sowjetunion die Möglichkeit, staatliche Unabhängigkeit zu erlangen und diese seit 1989 einzufordern, was zu Scharmützeln zwischen bewaffneten Abchasischen und Georgischen Bevölkerungsteilen führte. 1992 erklärte Abchasien seine Souveränität, worauf Georgien im August 1992 mit einem Einmarsch seiner Truppen reagierte. Der Krieg führte zu massiven Zerstörungen und vielen zivilen Opern auf allen Seiten;. Etwa 4.000 Abchasen sollen im Kampf um die Unabhängigkeit gefallen sein. Das abchasische Industriegebiet von Tkwartscheli wurde über ein Jahr lang von georgischen Einheiten belagert und mit seinen Fabriken und dem wichtigen Kraftwerk nahezu vollständig zerstört, und 300.000 Menschen Georgischer Nationalität flohen aus der Provinz.
Die Abchasen wurden zur größten Bevölkerungsgruppe — bei einer reduzierten Enwohnerzahl, die 2005 nur noch zwischen 160.000 und 190.000 Personen geschätzt wurde. Etwa 4.000 abchasische und fast eben so viele georgische Soldaten sollen bei diesem Krieg gefallen sein. Der im August 1993 vereinbarte Waffenstillstand wurde bereits kurze Zeit später von den Abchasen gebrochen.
Abchasien gewann schließlich in einer Großoffensive, wobei es militärische Unterstützung aus Russland erhielt. 1994 wurde daraufhin unter russischer Vermittlung ein neuer Waffenstillstand vereinbart. Auch heute sorgt die abachasische Regierung unter dem Ministerpräsidenten Raul Chadschimba für beste Beziehungen zu Russland, das die nationale abchasische 4.500 Mann-Armee weiter unterstützen soll. Russische Investoren sichern sich inzwischen die Reste des ehemaligen sowjetischen Touristenparadieses, so hat das Moskauer Atomministerium das Erholungsheim des sowjetischen Litaraturfonds langfristig gepachtet. Russisch ist die abchasische Verkehrssprache, der Rubel das gebräuchlichste Zahlungsmittel – und mehr als die Hälfte der abchasischen Bürger besitzt einen russischen Pass, wiewohl die Provinzregierung immer noch von einer Unabhängigkeit „wie Eritrea oder Osttimor“ träumt und dieser mit der staatlichen Anerkennung durch Russland im August 2008 auch näher gekommen ist. Der russische Pass erweist sich dabei nicht nur als enorme Hilfe bei Reisen ins Ausland. Wer mit seiner abchasischen Rente von 200 Rubel — rund 8 $ — auskommen muss, kann sich kaum das Überleben leisten. Für russische Staatsbürger wird eine zehnfach höhere Rente aus Russland überwiesen.
1994 besetzen Peacekeeping-Truppen der GUS (3.000 Mann) die 12 km breite Demarkationslinie am Inguri-Fluss. Ihre Tätigkeit wird durch eine UN-Mission (UNOMIG) überwacht, was aber weitere heftige Kämpfe 1998 nicht verhinderten konnte. Bis Juli 2003 hatten alleine die russischen Truppen den Verlust von 95 Soldaten und 148 verletzte Kämpfer zu beklagen. Auch heute fordern Scharmützel – insbesondere im nordöstlich gelegenen Kodori-Tal – noch weitere Opfer. Das Kodori-Tal macht ein Drittel des abchasischen Territoriums aus und wird vorwiegend von Swanen, einer ethnischen Gruppe von Georgiern, bevölkert. Dort nahmen Milizen Anfang Juni 2003 eine Gruppe von internationalen Militärbeobachtern – darunter zwei Bundeswehroffiziere – für 5 Tage als Geiseln, und Nachts schießen Partisanentruppen auf russische und abchasische Posten.
Georgien erreichte immerhin, dass die GUS-Staaten eine “Blockade” gegenüber der abtrünnigen Provinz erklärten; das früher prosperierende, vor allem von Russen geschätzte Urlaubsgebiet (Suchumi) ist daher wirtschaftlich in immer größere Schwierigkeiten geraten. Obwohl sich Russland auf dem OSZE-Gipfel Ende 1999 in Istanbul verpflichtete, seine Truppen bis zum 01.07.2001 aus Abchasien zurück zu holen, stehen heute immer noch russische Soldaten an der Demarkationslinie am Inguri-Fluss — wohl, um die Grenze zu sichern, oder, um es deutlich zu sagen: um georgische Truppen vom Einmarsch nach Abchasien abzuhalten. Und auch im Juli 2003 wurde das Mandat der russischen Friedenstruppe – auf Betreiben Putins — um ein weiteres Jahr auf nun insgesamt 10 Jahre verlängert –
Ob die vertriebenen Georgier jemals zurück kehren können ist ungewiss. In den letzten Jahren bis 2008 konnten etwa 50.000 Georgier in den südlichen Distrikt “Gali” zurück kehren. Die UN-Beobachter konnten aber nur verhindern, dass die Kämpfe erneut aufflammen.
Dies wird dazu führen, dass sich die Abchasen zunehmend von Georgien entfremden — ein Prozess, der über kurz oder lang wohl zur dauerhaften Abspaltung von Georgien führen muss.
Im “Schatten des Konflikts um Süd-Ossetien” hatte Abchasien am 09. August 2008 ebenfalls begonnen, die georgischen Einheiten im Kodori-Tal mit Artillerie und Luftangriffen zu attackieren. Damit wurde — mit russischer Unterstützung — eine zweite Front gegenüber Georgien eröffnet.
Abchasien hat sich unmittelbar nach dem Konflikt erneut als “unabhängig” erklärt, der neue Staat wurde umgehend von Russland anerkannt.
Wirtschaftsaufbau:
Wie Medwedew mitteilte, werde Russland Abchasien unter anderem beim Wiederaufbau des Flughafens und der Wiederherstellung des Flugverkehrs unterstützen.
Nach seinen Worten verfügt Abchasien über alles, um ein Touristenzentrum an der Schwarzmeerküste zu werden und dabei „die entsprechende Nische zu füllen“.
Es wäre aber falsch, den früheren sowjetischen Touristenservice wiederherzustellen. „Dies wäre ein falscher Weg“, so Russlands Staatschef. „Jetzt muss es besser gemacht werden als vor dem Krieg. Komfortmäßig müsste das mit der Türkei vergleichbar sein.“
Abchasien kann wirtschaftlich an die “Touristenzeiten” der Sowjetunion anknüpfen. Insbesondere die Hauptstadt Suchumi aber auch die Badorte Gagra und Pizunda ziehen immer mehr Gäste aus Russland an. Rund 200.000 Russen haben im Jahr 2007 ihen Urlaub in Abchasien verbracht. Seitdem im benachbarten russischen Sotschi die olympischen Winterspiele abgehalten werden sollen erlebt Abchasien zudem ein enormes Wachsen der Bauindustrie. Gips und Sand, Granit und Dolomit werden für die Zementproduktion verwendet, und so sind schon Investoren gefunden, die in Tkwartscheli, nur knapp 100 km von Sotschie entfernt, eine gewaltige Zementfabrik für 170 Mio. $ aus dem Boden stampfen wollen. Bauarbeiter müssen angeworben und untergebracht — und durch die abchasischen Bauern versorgt werden. Bis zu 600 Mio. $ erwartet sich das Land als “investive Tischbrösel” aus dem Bauboom im künftigen Olympiaort. Klar auch, dass damit die Immobilienpreise im Gebiet steigen.
Abchasien entwickelt sich dabei zu einer “Musterdemokratie” im Kaukasus. Bei er Präsidetenwahl 2004/2005 traten fünf Kandidaten gegeneinander an — und nicht etwa der Moskauer Protege sondern Sergej Bagapsch ging aus der allgemein als fair bezeichneten Wahl als Sieger hervor. Die Abchasen haben sich eine gewisse Distanz zu Moskau bewahrt — auch wenn Russland das Gebiet inzwischen als Stützpunkt für seine Luftwaffe nutzt, und Suchumi als Ersatzhafen für die russische Schwarzmeerflotte angeboten wurde: die Mehrheit der Abchasen und — sogar nach russischen Quellen — auch die abchasische Regierung ist gegenüber einer zu engen Umarmung durch den russischen Bären eher skeptisch eingestellt.