Wirtschaft:
Etwa die Hälfte der über 110 Mio. Einwohner (Stand 2010) lebt in Armut — und das in einem Land, das über genug eigene Resourcen verfügt, um allen seinen Einwohnern ein auskömmliches Leben zu gewährleisten. Dennoch hat Mexico die Weltwirtschaftskrise bis zum Jahr 2012 relativ unbeschadet überstanden. Die Leistungsbilanz und der Staatshaushalt sind ausgeglichen. Die Inflation ist unter Kontrolle. Die Devisenreserven von knapp 160 Milliarden Dollar decken (2012) den Großteil der Auslandsschulden des Landes. Ausländische Konzerne investieren jedes Jahr mehr in neue Fabriken und Anlagen. Die Investitionen, die Industrie, die Exporte — Mexikos Wirtschaft wächst. Mexiko hat weltweit bilaterale Freihandelsabkommen mit mehr als 40 Staaten abgeschlossen. Damit bietet das Land “unbeschränkten Zugang zu zwei Dritteln des weltweiten Bruttoinlandsprodukts”. Mexico profitiert dabei von den steigenden Löhnen Chinas — und der zunehmenden Qualität seiner Produkte. Wichtigster Handelspartner ist das Nachbarland im Norden. 2009 importierten die USA noch 40 Prozent mehr aus China als aus Mexiko, 2012 waren es nur noch knappe 30 Prozent.
Rafael Moreno, der Gouverneur von Puebla, vergleicht das Land mit China und Brasilien. Die Wirtschaftswoche berichtet anlässlich der Präsidentenwahl 2012: “Die Ausgaben seiner Bürokratie habe er um ein Drittel gesenkt. SAP-Systeme würden heute überall eingesetzt, E‑Governance sei inzwischen Alltag für die Bürger in Puebla. Gegen die wachsende Kriminalität gründete er eine eigene Polizeischule, in der US-Ranger ausbilden. Weil der staatseigene Ölkonzern Pemex in seiner Provinz Ölvorräte vermutet, bilden die Universitäten bereits Ölingenieure aus. Morenos nächstes Ziel: Er versucht, den deutschen Automobilhersteller Audi nach Puebla zu locken, der in Mexiko den Geländewagen Q5 bauen und exportieren will – eine Milliardeninvestition. Auch mit BMW habe man schon über einen Standort gesprochen …”
Mexico ist der sechstgrößte Erdölproduzent der Erde. Die nachgewiesenen Reserven von derzeit 15 Milliarden Barrel (jeweils 159 Liter — Stand 2008) können beim derzeitigen Stand der Förderung noch knapp 10 Jahre lang ausgebeutet werden. Weitere 28 Mrd. Fass werden in schwerer zugänglichen Lagerstätten vermutet. Ein großer Teil davon liegt unter dem Meeresboden. Über 80 % des nationalen Energieverbrauches können aus fossilen Rohstoffen (Öl, Gas, Kohle) gedeckt werden. Die restlichen 20 % werden überwiegend (18 %) aus Wasserkraft gedeckt, gefoglt von Geothermik (1,8 %) und Windkraft. Der Erdölexport ist die größte Deviseneinnahme des Landes.
Die Energiewirtschaft ist — gesetzlich, sogar verfassungsrechtlich (Art. 27 und 28 der Verfassung) geschützt — durch staatliche Monopole organisiert. Seit 1938 die ausländischen Firmen verstaatlicht wurden, regelt der nationale Konzern Petróleos Mexicanos (Pemex) die Erdölindustrie — und seit 1960 sind auch die beiden größten Stromproduzenten des Landes unter staatlicher Kontrolle. Privatunternehmen dürfen — etwa zur Eigenversorgung — nur in Ausnahmefällen Strom produzieren. Im Jahr 2005 wurden alleine durch den Ölexport in die USA rund 40 Milliarden Dollar verdient — bei steigenden Preisen müsste also die Erschließung weiterer Ölvorkommen und die Modernisierung von Transport und Verarbeitung problemlos finanzierbar sein.
Allerdings: Knapp 80 % der Einnahmen der Pemex (im Jahr 2006 rund 100 Milliarden Dollar) werden als Steuer an den Staat abgeführt, der damit rund 40 % des Staatshaushalts trägt. Der Rest der Einnahmen des Konzerns reicht nicht aus, die Pensionen der Beschäftigten zu tragen oder notwendige Investitionen in Raffinerien, eine moderne Tankerflotte oder gar die Erschließung neuer Ölfelder zu tätigen. Etwa 40 % des nationalen Kraftstoffbedarfs müssen von ausländischen Raffinierien erworben werden. Um den steigenden Benzinverbrauch des Landes zu decken (im Jahr 2006 wurde für 11 Mrd. $ Benzin in den USA gekauft) müssen neue Raffineriekapazitäten geschaffen werden. Die Pemex bemüht sich daher, im Rahmen der “Plan-Puebla-Panama”-Vereinbarung eine mittelamerikanische Großraffinerie zu erstellen, die den Bedarf für neun mittelamerikanischen Staaten von Kolumbien bis Mexico decken soll.
Vor allem erneuerbare Energien (die im Jahr 2006 insgesamt 14 % zur Stromversorgung beitrugen) sollen künftig ausgebaut werden. Der Focus des mexikanischen Interesses liegt dabei auf der Windenergie. Seit Ende 2005 ist im Istmo de Tehuantepec — der Landenge südlich des Bundesstaates Oaxaca — eine Großwindanlage in Betrieb, das mit seiner Gesamtkapazität von über 85 Megawatt knapp 50.000 Haushalte mit Strom versorgen kann.
Wer Erdöl sagt denkt meist auch an Kraftfahrzeuge. Tatsächlich ist Mexico — neben Brasilien — einer der wichtigsten KFZ-Hersteller Lateinamerikas. Nissan, Honda, Mazda, Volkswagen und Audi bauten eigene Werke in Mexiko. Volkswagen beschäftigt in Puebla fast 19 000 Menschen — und hat Mexiko damit neben Brasilien zu seinem wichtigsten Standort in Lateinamerika erkoren. Bei VW reicht die Palette vom guten “alten” Käfer bis hin zum Geländewagen Q5, den die VW-Tochter Audi im Land produziert. Etwa 80 % der Produktion wird exportiert — überwiegend in den nördlichen Nachbarstaat, die USA, während sich Brasilien mit hohen Importsteuern (nicht nur) gegen den mexikanischen Konkurrenten abschottet.
In der ausgedörrten Landschaft von Querétaro wird eine eigene Flugzeugindustrie aufgebaut.Dort sollen künftig Helikopter, Learjets und Düsentriebwerke gebaut werden – Eurocopter, Bombardier und General Electric haben bereits erste Hallen errichtet. Und mehr als 200 Zuliefererbetriebe sind schon vor Ort oder wollen noch folgen.
Seit Jahren wächst die Binnennachfrage des Landes kräftig. Die meisten mexikanischen Aktiengesellschaften weisen solide Bilanzen auf. Mexiko wird dabei immer unabhängiger von den Einflüssen der US-Konjunktur. Seine Rohstoffe wie Öl, Kupfer und Silber werden auf dem Weltmarkt — auch dank der Nachfrage aus Ost- und Südasien — immer mehr nachgefragt. Dazu kommt die zunehmende Nachfrage nach landwirtschaftlichen und industriellen Erzeugnissen Mexikos in den anderen lateinamerikanischen Ländern. Der mexikanischen Zentralbank ist es dazu bisher gelungen, die Inflation mit einem Zielwert von 3 % unter Kontrolle zu halten. Zudem ist es möglich, durch administrative Maßnahmen (Steuersenkung) kurzfristig Mittel für die dringenden Investitionen im Erdölsektor bereit zu stellen.
Ähnlich wie in Honduras bilden die Überweisungen der mexicanischen Gastarbeiter insbesondere aus den USA einen bedutenden Devisenzulauf für die Volkswirtschaft. Über 24 Mrd. $ waren das 2007 und gut 11,5 Mrd. Dollar sind schon im ersten Halbjahr 2008 nach Mexico geflossen — was zu fast 3 % des mexikanischen BIPs beitrug und die zweitwichtigste Devisenquelle Mexicos darstellt.
Die Möglichkeit einer guten Wirtschaftsentwicklung wird also — trotz bestehender Schwächen — als durchaus positiv eingeschätzt. Dementsprechend haben mexikanische Aktien insbesondere im Baubereich (Promotora y Operadora), im Bereich der Rohstoffe (Grupo Mexiko) und im Handel (Grupo Elektra) in den ersten Monaten des Jahres 2007 große Kurssteigerungen verbuchen können.
Allerdings ist auch die verbreitete Korruption und die Drogenwirtschaft ein zunehmendes Problem. Es ist — wie in den benachbarten USA — legal, der Politik unbegrenzte Spenden zukommen zu lassen. Das macht empfänglich — und fordert irgendwann einmal entsprechende “Gegenleistungen”. Die über 70 Jahre lang andauernde unangefochtene Herrschaft einer Partei — der “Partei der instituionalisierten Revolution” (PRI) tat ein Übriges. So lange, unangefochtene Regierungszeiten bergen die Gefahr in sich, dass die Parteiführer das Land als ihr Eigentum betrachten. Erst im Jahr 2000 wurde mit Vicente Fox von der konservativen Partei ein Machtwechsel eingeläutet. Zu spät?
Bereits 2006 musste Präsident Felipe Calderón bei seinem Amtsantritt feststellen, dass die gesamte Polizei des Landes von der Drogenmafia unterwandert war. In den sechs Jahren danach sind über 50.000 Menschen zu Opfern des Drogenkrieges geworden. Die Zahl der Todesopfer stieg von 2120 (2006) über 2.275 (2007), 5.210 (2008), 6.600 (2009) auf 11.630 (2010) bzw. 12.340 (2011) dramatisch an. Nur 2 % der Straftaten werden aufgeklärt — und die Täter dann auch einer Bestrafung zugeführt. Die über 3.100 km lange Grenze in die USA ist schwer zu kontrollieren — und bietet damit die ideale Ausgangsbasis für einen breiten Drogen- und Menschenschmuggel in den Norden. Nach einer vom SPIEGEL (Nr. 26/2012) zitierten Untersuchung >der unabhängigen Forschungseinrichtung “Instituio de Acción Ciudadana” hätte sich innerhalb eines Jahrzehntes die Zahl aller mexikanischen Gemeinden, in denen Drogenhändler “das Sagen” hätten, auf 70 % verdoppelt. Im westlichen von Mexico City gelegenen Michoacán — dem Heimatsaat von Präsdient Calderón — sollen mittlerweile 75 % aller Gemeinden von den Drogenkartellen kontrolliert werden. Die Hafenstadt Lázaro Cárdenas wurde zum wichtigsten Umschlagplatz für Drogenlieferungen aus Südamerika. Die Unterwanderung der Drogenmafia schlägt sich inzwischen auch auf die Streitkräfte nieder. Im Mai 2012 musste Präsident Calderón drei Generäle entlassen, denen Kontakte zu den Drogenkartellen nachgewiesen wurden.
Die indianischen Stämme greifen da zur Selbsthilfe — und nutzen das Recht auf Selbstverwaltung, um (auch mitten in den Drogengebieten) mit uniformierten und mit Schnellfeuergewehren und kugelsicheren Westen ausgerüsteten Sicherheitskräften die Kontrolle ihres eigenen Stammesgebietes zu sichern.
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