Agrarprodukte waren das Hauptstandbein der südamerikanischen Volkswirtschaften.
Der Kontinent lebt vom Export von Rohstoffen und deren steigenden Preisen. Allerdings ist diese Art von Wirtschaft nicht unproblematisch. Die Abhängigkeit von Rohstoffexporten führt zu massiven Einbrüchen, wenn die Nachfrage nachlässt.
Argentiniens — im Jahr 2001 vollends kollabierte — Wirtschaft (einst mit seinen Rinderherden als Fleischlieferant für diverse Steak- und Hamburgerketten bekannt) erlebte mit dem Anbau von Sojabohnen (auf über 60 % seiner landwirtschaftlichen Nutzflächen) einen Wiederaufstieg. Im Jahr 2003 machte der Sojaexport über 40 % der gesamten Ausfuhren des Landes aus, was durch den massiven Wertverlust der argentinischen Währung verursacht wurde. Ein Zusammenbruch der Soja-Nachfrage würde Argentiniens Wirtschaft erneut erschüttern.
Brasilien dagegen — als neue Industriemacht (VW do Brasil, Embraer) bejubelt — erlebte bei tendenziell steigenden Wirtschaftswachstum immer wieder fast “zyklisch” auftretende Wirtschaftsbelastungen. Das Einkommen breiter Teile der Bevölkerung hatte sich über Jahrzehnte hin nicht deutlich verbessert. Das älteste koloniale Kernland, der Nordosten, gehört zu den ärmsten Provinzen des Landes. Wassermangel und fehlende industrielle Entwicklungen belasten die Wirtschaft dieser Armutsprovinz.
Der wirtschaftliche Aufschwung in den großen Städten — Rio de Janeiro und Sao Paolo — war ebenfalls an der Masse der Slumbewohner vorbeigegangen, so daß auch die Nachfrage nach heimischen Produkten (Binnennachfrage) immer wieder zusammenbrach. Werksschließungen der einst als “Hoffnungsträger” gefeierten Automobilindustrie waren die Folge.
Die frustrierte Bevölkerung flüchtete sich in das brasilianische Hinterland — die Urwaldregionen der südlichen Amazonas-Zuflüsse. Durch Raubbau von Holz, Brandrodung (auch für Rinderzüchter) und die ungezügelte Ausbeutung von Bodenschätzen wird der Urwald vernichtet; da die brasilianischen Wälder aber nur auf einer dünnen Humusdecke wachsen, die ohne den Schutz der Wälder bei tropischen Regenfällen sofort weggespült wird, entsteht anstelle von Urwald eine Steppenlandschaft, die sich sehr schnell in eine Sandwüste verwandelt.
Die Einführung der europäischen Rinderzucht und von Getreideanbau (ursprünglichen Steppenpflanzen) stellt keine nachhaltige, ökologisch sinnvolle Bewirtschaftung tropischer Wälder dar. Die “europäisch strukturierte Landwirtschaft” erweist sich als größte Bedrohung der südamerikanischen Natur.
Nur in wenigen Randbereichen des Urwalds — so in den Küstenzonen von Guayana und Surinam — wird mit Reisanbau durch asiatische Einwanderer eine den Standortbedingungen angemessene Bodenbewirtschaftung (Reisanbau), vorgenommen. Für solche — den tropsichen Bedingungen entsprechende — Landwirtschaft würden sich auch andere Gebiete, etwa das Tiefland auf der Ilha de Marajó im Bereich der Amazonasmündung oder die Sumpfgebiete entlang des Parana eignen. Eine solche schonende und der Umwelt angemessene Landwirtschaft könnte das tropische Herz Südamerikas zu einem gesunden Wachstum verhelfen. Hierzu müssten aber Landwirtschaftsmethoden aus Asien “importiert” werden.
In niederländisch Guayana (Surinam) entstand im achtzehnten Jahrhundert die sogenannte “Buschnegerkultur”, welche durch entlaufene westafrikanische Sklaven ihre Existenz verdankt. Die entflogenen Sklaven unterhielten zu den Indianern wie auch zu den Weißen außerordentliche interessante Handelsbeziehungen, wobei Bögen und Pfeilen, Blasrohre, Hängematten, Curare, indianische Fischgifte, Maniokreibebretter gegen europäische Waren getauscht wurden.
Französisch Guayana — einst als Straflager gefürchtet — ist dazu aufgrund seiner günstigen Lage nahe des Äquators Hauptstartplatz der europäischen Raumfahrt (http://de.wikipedia.org und http://de.encarta.msn.com ).
Bis zur Jahrtausendwende lebte aber jeder Dritte der über 500 Millionen Lateinamerikaner in Armut. Zehn % der Bevölkerung besaßen 50 % des Vermögens. Nach Auskunft der Weltbank ist der Anteil der Bewohner Lateinamerikas und der Karibik, die in Armut leben, zwischen 2000 und 2010 von 41 auf 28 Prozent gesunken. Rund 73 Millionen Menschen dort sind in diesen Jahren aus der Armut in die Mittelschicht aufgestiegen. Diese Entwicklung ist vor allem dem Wirtschaftswachstum — und hier insbesondere den steigenden Preisen der Exportwaren geschuldet. So stieg “der Preis der Sojabohnen, des grünen Goldes von Brasilien und Argentinien, auf das Dreifache. Das venezolanische Erdöl verteuerte sich um den Faktor vier, und der Preis von Kupfer, das für die chilenische und die peruanische Wirtschaft von grosser Bedeutung ist, stieg gar auf das Fünffache” (NZZ vom 12. April 2014). Der Anteil der Rohstoffexporte Brasiliens ist dank der Preisentwicklung von 47,4 % (2002) auf 63,6 % (2010) gestiegen. Argentinien hat diesen Anteil mit 67,8 % (2010) gegenüber 2002 (69,5 %) annähernd gehalten. Die Exporte der weiterverarbeitenden Industrie mit entsprechendem Technologiegehalt nehmen in beiden Ländern nur einen geringen Anteil um die 10 % ein (Brasilien 11 %, Argentinien 7 %). Diese Zahlen verdeutlichen die Abhängigkeit der Rohstoffexporteure von der Weltnachfrage und der Weltkonjunktur — die im letzten Jahrhundert von den westlichen Industriestaaten Europas und Nordamerikas und in diesem Jahrhundert zunehmend von China beeinflusst wird.
Es ist also zur Verringerung der Abhängigkeiten dringend notwendig, dass sich die lateinamerikanischen Staaten ein eigenes “industrielles Standbein” zulegen. Das ist sowohl in Argentinien wie auch in Brasilien erkannt. Von 2003 bis 2008 lag das durchschnittliche industrielle Jahreswachstum Argentiniens mit 11,2 % über dem Wachstum des BIP (8 %), was zu einem jährlichen Zuwachs von Arbeitsplätzen in der Industrie um etwa 6 % führte. Von einer geringen Ausgangsbasis aus konnte Argentinien seine Industrieexporte im gleichen Zeitraum mit jährlich knapp 20 % steigern — auf inzwischen (2013) etwa 25 % der industriellen Produktion. Dabei wird eine Entwicklung zu Branchen mit höherem technologischen Niveau beobachtet.