Probleme Landreform und Infrastruktur:
Lulas Reform der Wirtschaftspolitik des Landes setzte auf eine Stärkung der Sozialleistungen. Während die erfolgreiche Finanzpolitik des Vorgängers fortgesetzt wurde, konnte mit einer Ausweitung der Arbeitslosenunterstützung und des Beschäftigungsprogrammes eine wesentliche Verbesserung der Lebensbedingungen der unteren Einkommensschichten erreicht werden. Das “Null-Hunger-Programm” (‘fome zero’) mit
- Nahrungsmittelhilfe und Ernährungsberatung
- Einkommensverteilung und
- regionaler Entwicklungsförderung,
- Elektrizitätsversorgung auf dem Lande,
- Brunnenbohrinitiativen (Wasserversorgung) usw.
führte zu einer deutlichen Besserstellung der ärmsten Bevölkerungsteile. Am Ende der Regierungszeit Lula’s waren ca. 12 Mio. Haushalte mit etwa 50 Mio. Mitgliedern (über ein Viertel der Bevölkerung) von den unterschiedlichsten Programmen erfasst. Die Ausgaben von 2 bis 3 Mrd. $ führten aber nicht zur Stagnation einer sich “dem Müsiggang hingebenden” lethargischen Armutsklasse. Im Gegenteil: die Sozialleistungen führten zu Freisetzung eigener Initiativen und einer Dynamisierung der Binnenkonjunktur des Landes.
Landreform:
Ein Problem des Landes ist der ungerecht verteilte Bodenbesitz: Großgrundbesitzer beuten riesige Latifundien mit industrialisierter Landwirtschaft aus, während die Ärmsten der Armen immer weiter in die Urwälder vordringen, um dort mit Brandrodung neue Flächen urbar zu machen. Die Sandböden Amazoniens leben aber von der dichten Bepflanzung. Wenn das Laub der Bäume, das zu Humus verarbeitet wird, ausbleibt werden die Böden ausgelaugt — und anstelle der tropischen Regenwälder tritt eine zunehmende Versteppung des Landes. Der Boden ist allenfalls noch für Viehweiden zu gebrauchen, und die Kleinbauern — von den Großgrundbesitzern vertrieben — ziehen weiter in die noch unverbrauchten Urwaldgebiete. Im Wahlkampf von 2003 hatte Luiz Inácio Lula da Silva angekündigt, bis zum Jahr 2006 430.000 landlosen Familien eine Existenz zu verschaffen. Dazu wäre eine Landreform nötig — die nicht nur die Großgrundbesitze aufteilt (und die Großgrundbesitzer reell entschädigt) sondern die Kleinbauern auch in der Nutzung tropischer Nutzpflanzen und einem damit einhergehenden schonenden Umgang mit den Ressourcen des Landes schult. Aber bis Mitte 2005 wurden nach Angaben der Landlosenbewegung MST nur 73.000 ein Grundstück zugewiesen, und auch die Regierungszahlen liegen mit 118.000 Zuweisungen weit unter den Wahlversprechungen. Bis zum Ende der Präsidentschaft Lula’s sollen 46 Millionen Hektar für über 550.000 Familien verteilt worden sein.
Externe Links:
Brazil´s Landless Workers Movement, /Movimento dos Trabalhadores Rurais Sem Terra (MST)
Infobrazil.com: Brazil’s Agricultural Policies — Focus On The Rearview Mirror …
Analyse der Friedrich-Ebert-Stiftung: Vom Hoffnungsträger zum kleineren Übel? Die Regierung Lula im letzten Jahr ihrer Amtszeit
(PDF, 396 KB)
Infrastruktur:
Marktzugang ist der essentielle Kern jeder Entwicklung: Waren aller Art müssen vom Erzeuger zum Verbraucher transportiert werden, und das gelingt nur, wenn die Transportwege den entsprechenden Verkehr auch bewältigen können.
Das Wasserstraßennetz des Amazonas ist für das brasilianische Hinterland der hauptsächliche Transportweg — die Dürre des Jahres 2005 hat aber nicht nur die Sojaproduktion beeinträchtigt sondern auch die Schiffahrt vielfach lahm gelegt. Der Staat versucht, durch Gemeinschaftsprojekte mit privaten Investoren Straßen, Häfen und die Energieversorgung zu modernisieren.
Dabei werden voraussichtlich zwischen 2010 und 2013 umgerechnet rund 118 Mrd. Euro in die Infrastruktur investiert, und bis 2030 sind weitere Investitionen in Milliardenhöhe beabsichtigt. Das 2007 verkündete Programm zur Beschleunigung des Wachstums sieht alleine zur Verbesserung der Infrastruktur (für Straßen, Flughäfen, Häfen und Bahnlinien) über mehrere Jahre hinweg Investitionen in Höhe von 200 Mrd. Euro vor.
Ein Investitionsbrocken ist der Ausbau der brasilianischen Zivilflughäfen, der weitgehend in “Private Public Partnership” (PPP) unter Beteiligung staatlicher Fonds (siehe die Ausführungen zum “Staatshaushalt”) finanziert wird. Mit einem geschätzten Gesamtbedarf von über 3,15 Mrd. Euro werden die Flughäfen Natal, Brasilia (Juscelino Kubitschek), Campinas (Viracopos) und Sao Paulo (Guarulhos) — die Konzessionen wurden bereits bis Sommer 2012 versteigert — sowie Belo Horizone (Confins), Curtiba, Cuiabá, Fortaleza, Manaus, Porto Alegre, Recife, Rio (Anonot Calos Jobim und Galea) sowie Salvador (die Konzessionen waren im Sommer 2012 noch nicht vergeben) “auf Vordermann” gebracht. Die Einnahmen aus den Konzessionsgebühren sollen zugleich über einen Sonderfonds zur Renovierung von über 130 bestehenden und zum Neubau von 80 neuen Regionalflughäfen verwendet werden.
Bei einem weiteren Großprojekt — dem Ausbau des Hafens in Santos — geht es um knapp 10 Mrd. Euro.
Eines der Projekte ist eine Hochgeschwindigkeitsverbindung von Rio de Janeiro über São Paulo nach Campinas. Neben südkoreanischen Anbietern sollen auch Japan, China und die deutsche Magnetbahntechnoloogie um den rund 15 Mrd. Euro teuren Auftrag für die 520 Kilometer langen Bahnstrecke werben.