Lateinamerika — Brasilien (Brazil)


Brasilien Brazil

Als der flor­ten­tin­er Kauf­mann Ameri­go Vespuc­ci um 1500 die atlantis­che Küste Südamerikas bereiste war noch nicht bekant, wie groß dieser südliche Teil des amerikanis­chen Dop­pelkon­ti­nents mit dem heuti­gen Brasilien sein würde. Die von den indi­an­is­chen Völk­ern der Kain­gan und Guarani bewohn­ten Atlantis­chen Regen­wälder Süd- und Südost­brasiliens waren extrem arten­re­iche, unberührte Natur — mit einem kär­glichen Rest, der im Nation­al­park um die Waser­fälle des Iguacu erhal­ten ist. Im Lan­desin­neren waren die an Tier- und Pflanzenarten reich­sten Ökosys­teme der Erde, die Savan­nen­land­schaft des Cer­rade, nicht ein­mal zu erah­nen. Noch bis in die 1950er Jahre bestand der Staat Mato Grosso ein unberührtes Mosaik von Indi­enert­er­ri­to­rien, bevölk­ert einem hal­ben hun­dert ver­schiede­nen Indi­an­ervölk­ern, über 10.000 Pflanzen‑, über 800 Vogel- und über 140 Säugetierarten.

Die europäis­che Koloni­sa­tion ver­nichtete diese Natur­land­schaft. Auf­grund der unter­schiedlichen Kli­maver­hält­nisse siedel­ten sich die Auswan­der­er aus Europa in den jew­eils für sie angenehm­sten Regio­nen des Lan­des an. Deutsche Aussiedler liesen sich vor allem im Süden an der Gren­ze zu Uruguay nieder, im brasil­ian­is­chen Bun­desstaat Rio Grande do Sul. Und sie bracht­en ihre gewohnte Land­wirtschaft mit. Von hier bre­it­ete sich die land­wirtschaftliche Koloni­sa­tion unter der Beze­ich­nung “Marsch nach West­en” weit­er aus — in die anschließen­den Bun­desstaat­en San­ta Cata­ri­na und Paraná.

Und von hier aus bre­it­ete sich auch der gewinnbrin­gende Sojaan­bau, der auf den vom Getrei­deaus­bau aus­ge­laugten Böden einge­führt wurde, weit­er nach Nor­den und West­en aus. Der Sojaan­bau fol­gte den europäis­chen Kolonisatoren.

Aber Brasilien ist nicht nur Land­wirtschaft und Sojaan­bau, Rohstof­fgewin­nung und Urwald­ver­nich­tung, son­dern ein zunehmend wichit­ger­er Staat mit regionalen Wirtschaftszentren.

Rio de Janeiro und Copaca­bana:
Wer an Brasilien denkt, der hat oft Rio im Kopf — Zuck­er­hut und Carneval, Hochhäuser an bre­it­en Sand­strän­den mit Biki­ni-Schön­heit­en und Favel­las, die sich auf die Hügel der Umge­bung fressen. Rio ist mehr. Thyssen baut derzeit (Stand 2007) wie bere­its erwäh­nt in der Nähe der Stadt ein neues Stahlw­erk für 3 Mil­liar­den Euro, die Marine hat in der Bucht von Rio nicht nur einen Haupt­stützpunkt, son­dern auch eine Werft, die zum Bau mod­ern­ster Kriegss­chiffe in der Lage ist — Strom kommt von nahe gele­ge­nen Atom­kraftwerken und vor der Küste warten in den Ölfeldern “Car­i­o­ca” und “Tupi”, die das Land schla­gar­tig in die Staaten­gruppe mit den höch­sten Ölre­server­ven weiltweit brin­gen, wenn denn eine Förderung der in über 5.000 m Tiefe liegen­den Ölfunde möglich ist. Die dazu erforder­lichen Plat­tfor­men wer­den wohl — wo wohl? — natür­lich auch auf der Staatswerft in Rio gebaut oder zumin­d­est über­holt werden.

Por­to de Acu:
Rund 400 km nord­west­lich von Rio de Janeiro entste­ht derzeit (2010) die Hafen­stadt “Por­to de Acu” für 250.000 Men­schen — und ein Hafen, größer als sämtliche europäis­chen Häfen wie Ham­burg oder sog­ar Rot­ter­dam. Kraftwerke, Stahlkocher und met­al­lver­ar­bei­t­ende Indus­trie sollen mit chi­ne­sis­chen und kore­anis­chen Inve­storen ange­siedelt wer­den, um let­z­tendlich eine gewaltige Werftin­dus­trie ins­beson­dere für Bohr- und Förder­an­la­gen zu unter­stützen, mit der die vor der Küste liegen­den Ölvorkom­men erschlossen wer­den sollen. Daneben bietet sich der Hafen für den Export der nur 450 km ent­fer­n­ten Erze an — die Pipeline für Erzss­chlämme ist gle­ich­laufend mit dem Hafen­bau in der Fertigstellung.

Wirtschaftsmetro­pole Sao Paulo:
“Sao Paulo — die größte deutsche Indus­tri­es­tadt” (Tagess­chau, 20.05.2005)
Das Bun­des­land Sao Pauli erwirtschaft gut 35 % des brasil­ian­is­chen BIP — mit einem gegenüber dem Lan­des­durch­schnitt dop­pelt so hohen Pro-Kopf-Einkom­men.
In Sao Paulo, mit gut 19 Mil­lio­nen Ein­wohn­ern im Großraum auf über 1500 qkm verteilt, die drittgrößte Stadt der Welt, die größte Stadt der Süd­hal­bkugel, haben sich etwa 1000 Fir­men deutschen Ursprungs niederge­lassen, die rund eine vier­tel Mil­lion Indus­triear­beit­er beschäfti­gen. VW do Brazil ist nur das bekan­nteste dieser Unternehmen — und Brasilien ist für Volk­swa­gen nach Deutsch­land und Chi­na de drittgrößte Absatz­markt weltweit. Neben der Autoin­dus­trie sind deutsche Fir­men im Maschi­nen­bau, in der Chemie, Elek­tro- und Elek­tron­ikin­dus­trie aktiv. Karl­heinz Less­ing, Geschäfts­führer von Katrein-Mobil­com sagt dazu im Tagess­chau-Inter­view: “Sao Paulo ist vielle­icht die Stadt, die am wenig­sten Eigen­ständigkeit besitzt, weil sie durch ihre Inter­na­tion­al­ität eine enorme Ver­men­gung hat. Es gibt ja dieses alte Sprich­wort von dem “Schmelztiegel New York”. Ich glaube Sao Paulo hat eine ähn­liche Posi­tion in Südameri­ka. Wenn Sie zum Beispiel unsere Mitar­beit­er, nur mal die lei­t­en­den Mitar­beit­er, nehmen: da ist ein­er ital­ienis­ch­er Abstam­mung, ein­er öster­re­ichis­ch­er, ein­er rus­sis­ch­er und ein ander­er deutsch­er. Und so geht das durch die Fir­ma. Und das Ganze hier verträgt sich auf eine sehr pos­i­tive Art.“
Tat­säch­lich ver­fügt Sao Paulo nicht nur über eine Vielzahl von Arbeit­skräften, ungel­ernte Arbeit­er, die in den zwei bis zweiein­halb­tausend Fave­las — den Armen­vierteln von Sao Paulo — unter teil­weise erbärm­lichen Lebens­be­din­gun­gen hausen (etwa 20 % der Bevölkerung) und zu Schat­ten­wirtschaft und Krim­i­nal­ität gezwun­gen wer­den: unter den fast 20 Mio. Ein­wohn­ern find­en sich dank der seit Jahrzehn­ten beste­hen­den Indus­tri­e­s­tandorte auch eine Vielzahl aus­ge­bilde­ter Fachar­beit­er, Inge­nieure und Ver­wal­tungskräfte, Betrieb­swirte und andere Experten, die dem “Wirtschaft­sherz Brasiliens” zu immer höheren Schlagzahlen ver­helfen.
Sao Paulo ist aber auch die Krim­i­nal­ität­shaupt­stadt Brasiliens. Im Jahre 2006 spiel­ten sich regel­rechte Straßen­schlacht­en zwis­chen der Polizei und der mafi­aähn­lich organ­isierten Krim­i­nal­ität der “Primeiro Coman­do da Cap­i­tal” (PCC) ab.  Eine Woche der Gewalt forderte fast 200 Todes­opfer.
In Cidade Jardin entste­ht inzwis­chen ein Luxusvier­tel, ein Flucht­punkt für die Reichen mit 135.000 qm Fläche, mit Wohn- und Bürowolkenkratzern, Parks, Einkauf­szen­tren und dem größten Fit­ness- und Sport­cen­ter Südamerikas. Wer über umgerech­net min­destens 150.000 € Jahre­seinkom­men ver­fügt kann sich hier eine Luxus­woh­nung zwis­chen 250 und 800 qm Wohn­fläche sich­ern, unab­hängig und los­gelöst von dem organ­isierten Ver­brechen, das aus den Fave­las her­aus die Straßen der Stadt bedroht. 

Itaipu, das bei sein­er Ein­wei­hung (Nov. 1982) größte Wasserkraftwerk der Welt, liefert über eine 750 Kilo­volt-Über­landleitung Strom in die Stadt. In Itaipu, an der Gren­ze zu Paraguay, erzeu­gen 18 Strom­gen­er­a­toren — hergestellt vom “deutschen” Maschi­nen­bauer Voth Brasilien. S.A. in Sao Paulomit jew­eils 700 Megawatt nicht nur 95 % der Stromver­sorgung Paraguays, son­dern hier soll auch die Sicher­heit der Stromver­sorgung Sao Pau­los gewährleis­tet wer­den.

Extern­er Link:

Die Stromver­sorgung Brasiliens:
Energiehun­griges Brasilien — (www.tt.fh-koeln.de)  

 

Mato Grosso:
“Mato Grosso” heißt großer Wald — und den gab es auch im Zen­trum des Kon­ti­nents, 2.500 km von den bei­den Küsten im Osten und West­en ent­fer­nt. Bis 1975 ver­loren sich 40 kleine Kom­munen in dem Gebi­et. Inzwis­chen ist das Gebi­et von Brasiliens Regierung erschlossen wor­den. Aus den Großstädten des Ostens wur­den Tausende von Siedlern in das Urwaldge­bi­et östlich von Bolivien geschleust. Von der berüchtigten Fer­n­verbindung B‑163 aus — die inzwis­chen in der südlichen Hälfte des Lan­des zu ein­er ver­i­ta­blen, geteerten Über­land­straße gewor­den ist —  begann die Rodung des Urwaldes. Alleine 2003 und 2004 wur­den 12.500 km² abge­holzt — “nur” 4.000 davon legal — mehr als die Fläche Hes­sens, täglich 8.300 Fußballfelder. Heute sind nur noch der berühmte Natur­park Pan­tanal im Süden, einige klein­er Reser­vate und einzelne Hügel von ursprünglich­er Schön­heit und mit Urwald über­zo­gen. Anson­sten erstreck­en sich riesige Acker­bau­flächen auf rund 9 Mio. Hek­tar eisen­haltiger, ros­trot­er Erde. Die Region von “Mato Grosso” um Cuiabá und Ron­donópo­lis im Lan­desin­neren ist das Zen­trum des Sojaan­baues. In der geo­graphis­chen Mitte des Kon­ti­nents gele­gen — fast näher am Paz­i­fik — war die Region jahre­lang nur über aus­ge­wasch­ene, tief zer­furchte Land­straßen erre­ich­bar. Über 2.000 km bracht­en end­lose Last­wa­genkolon­nen land­wirtschaftliche Geräte in die Region, um vor dort die land­wirtschaftlichen Erzeug­nisse — vor allem Soja — zu den Ver­lade­häfen am Atlantik zu trans­portieren. Der Prov­inz­gou­verneur (2007) Blairo Mag­gi in der Haupt­stadt Cuiabá — ein­er 500.000 Ein­wohn­er Stadt mit Flughäfen, Wolkenkratzern und mod­er­nen Einkauf­szen­tren — ist ein­er jen­er Agrarindus­triellen, denen der Soja-Anbau zu Reich­tum und Macht ver­holfen hat. Mit seinen 400.000 Hek­tar (4.000 km²) besitzt er alleine soviel Anbau­fläche, wie Brasiliens Staat­sregierung zur Abholzung freigegeben hat. Auch aus den darüber hin­aus abge­holzten Schutzge­bi­eten — nach brasil­ian­is­chem Gesetz müssten 80 % der Natur­flächen erhal­ten wer­den — wird Soja in alle Welt exportiert, alleine nach Chi­na waren das 11 Mio. Ton­nen (2006). Auch die Japan­er und Europäer schätzen Soja — als Viehfut­ter für Kühe, Schweine und Geflügel und Diesel­er­satz, als Fleis­ch­er­satz für Vegetarier .…

Der Aus­bau des Straßen­net­ztes wird zügig vor­angetrieben. Die B‑163 reicht bere­its bis Santarem am Ama­zonas. Und den­noch blieb der Straßen­trans­port die “Achilles­ferse” der Sojain­dus­trie. Nur eine Hand­voll Zwis­chen­händler hat­te ein Oli­gop­ol über de Soja-Großhan­del und bes­timtme damit am Ende die Preise. Unter Blairo Mag­gi — dem “Vorzeige­un­ternehmer der Region” — begann eine neue Erschließung: über den Ama­zonas. Schwedis­che Werften liefer­ten Bin­nen­waser­schiffe, die mit gerin­gen Wasser­tiefen während der Trock­en­heit genau­so fer­tig wer­den wie mit unter Wass­er treiben­den Urwald­bäu­men. Heute sind Schub­ver­bände mit 19 Ein­heit­en und 200 m Länge — einem Schub­schiff und neun Last­pra­men — keine Sel­tenheit mehr. Durch Satel­liten ges­teuert wird die Fracht vom Hafen in Por­to Vel­ho über mehr als 1000 km bis zum Amzonas gebracht und dort auf hochseefähige Frachter der Pana­max-Kat­e­gorie umge­laden. Dieser Weg ist kostengün­stiger als der Straßen­trans­port mit LKWs zum Atlantik — und ermöglicht den Sojakonz­er­nen neben­bei, die etablierten Zwis­chen­händler auszuschal­ten und direkt mit den Kun­den und Liefer­an­ten von Dünger und Land­maschi­nen in Kon­takt zu treten. Am Ama­zonas und seinen Seit­e­n­ar­men wer­den inzwis­chen Häfen gebaut, Lager­hallen und Kraftwerke, und die große Gasleitung von Ven­zuela nach Argen­tinien soll auch hier irgend­wo ent­lang laufen, östlich der Anden, im ein­st­mals größten Urwaldge­bi­et der Erde. Vielle­icht wird ja das riesige Land scho­nend erschlossen, mit Reis­feldern wie in Ostasien, die tausenden Men­schen in ein­er inten­siv­en Land­wirtschaft ein Auskom­men geben und den­noch einen scho­nen­den Umgang mit dem Urwald erlauben. Die großin­dus­trielle Agrar­wirtschaft — sei es mit Soja oder Viehwei­den — hat aber bish­er immer noch zur Ver­nich­tung der Lebens­grund­lage beige­tra­gen. Aus den gift­grü­nen, mit Insek­tengiften verseucht­en Monokul­turen des Soja wird nach der Erne eine gelbe, braune, verkohlte und aus­ge­laugte Wüstenei.

Für das Kraftwerk Aripua­na — im Nor­den des Mato Grosso gele­gen — wurde eine gigan­tis­che Schneise in den unberührten Urwald geschla­gen, um das Gefälle des gle­ich­nami­gen Flusses — der über zwei Kaskaden gut 100 m in die Tiefe stürzt — zur Energieerzeu­gung zu nutzen. Durch fünf gigan­tis­che Röhren jede dick genug um einen Last­wa­gen aufzunehmen — sollen ab 2010 gewaltige Tur­bine­nan­la­gen Strom erzeu­gen, der über gewaltige Über­landleitun­gen in die Indus­tri­estädte des Lan­des geschickt wer­den soll.

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Frei­han­del­szone Man­aus:
“Das Chi­na Brasiliens liegt im Herzen des Ama­zonas” (FAZ, 23.09.2006)
Man­aus erlebte am Anfang des 20. Jahrhun­derts einen sagen­haften Boom. Über knapp 20 Jahre (bis ca. 1920) kon­nte die Stadt als Zen­trum der “Gum­mi-Barone” von der Mobil­isierung des Land­verkehrs prof­i­tieren. Dann gelang es, die wertvollen Gum­mi-Bäume in Plan­ta­gen zu pflanzen — auch ausser­halb Brasiliens, und die Boom­stadt mit ihrem leg­en­de­num­wobe­nen Opern­haus ver­sank in der melan­cholis­chen Ago­nie des drück­end schwülen Urwalds.
Erst die 1957 gegrün­dete Frei­han­del­szone brachte einen erneuten Auf­schwung. Man­aus entwick­elte sich zum Zen­trum für die (Klein-) Elek­tron­ik-Indus­trie, für die Fer­ti­gung von Rasier­ap­pa­rat­en, Mobil­tele­fon, Fernse­hern und Com­put­ern, und zur Motor­rad­haupt­stadt Brasiliens. Über 100.000 Mitar­beit­er werkeln in den Fab­riken am Ama­zonas — haupt­säch­lich — zu gut 85 % — für den brasil­ian­is­chen Markt, und damit von den Kurss­chwankun­gen der heimis­chen Währung, die durch Rohstof­f­ex­porte zunehmend erstarkt und somit Exporte erschw­ert, rel­a­tiv unab­hängig.
Zu den größten Arbeit­ge­bern gehört Hon­da, das mit seien 10.000 Arbeit­nehmern in mehreren Fab­riken jährlich fast 2 Mio. Motor­räder her­stellt. Auch Yama­ha und Harley-David­son sind mit Pro­duk­tion­s­stan­dorten vertreten.
In der Elek­tron­ikbranche sind Philips, Sony (4 Werke), Sam­sung (2 Werke), Gilette und Nokia mit mehr als 1500 Beschäftigten aktiv.
An ungel­ern­ten Arbeit­skräften ist kein Man­gel, und die Fab­riken kön­nen so viele Men­schen beschäfti­gen, dass der tro­pis­che Urwald um Man­aus — im Gegen­satz zu anderen Gegen­den Brasiliens — noch rel­a­tiv unberührt erscheint. Fast 20 Fach­hochschulen und Col­leges ver­suchen, den Bedarf der Indus­trie an qual­ifzierten Arbeit­skräften zu deck­en, die aber — auch wegen der höheren Löhne dort — eher in die alten Indus­tri­estädte, nach Sao Paulo und Brasilien abwan­dern.
Dazu lei­det Man­aus unter einem Nachteil: es ist zu weit abgele­gen. Die Urwald­pis­ten nach Süden sind vor allem während der tro­pis­chen Regen­zeit­en kaum passier­bar, die Luft­fracht teuer und die Fluglin­ien sind über­lastet — da bleibt nur der Ama­zonas, der zwar mit Hochseeschif­f­en bis Man­aus befahrbar ist — aber eine Reise von mehreren Tagen ver­langt, bis der Atlantik erre­icht ist.

Brasiliens Nor­dosten:
Brasiliens Nor­dosten um die Prov­inz Per­nam­bu­co gehört zu den am früh­esten von europäis­chen Siedlern urbar gemacht­en Regio­nen des Kon­ti­nents — und ist zugle­ich das “dürre Not­stands­ge­bi­et” des Lan­des. Aus den Urwäldern sind trock­ene Step­pen gewor­den. Monokul­turen für Zuck­er­rohr und Euka­lyp­tus haben den ursprünglich arten­re­ichen Wald erset­zt, lau­gen die Böden aus und hin­ter­lassen eine kaum noch nutzbare Ödnis. Der Rio San Fran­cis­co, der über 3000 km von Minas Gerais im Süden her­an­fließt, wird durch Stauseen und Pump­w­erke für Bewässerung­sob­jek­te aus­getrock­net. Das Wass­er ver­sick­ert in den kün­stlich bewässerten Plan­ta­gen für Tropen­früchte, ver­dun­stet in Krabben­zuch­tan­la­gen und erre­icht nur mehr stark ver­schmutzt bei Pacabu­co den Atlantik. Pläne der Regierung Lula, den Fluss mit Hil­fe von Inge­nieur­batail­lo­nen der Armee noch weit­er zu schwächen, haben zu mas­siv­en Protesten geführt. Zwei Kanäle sollen das Wass­er in sieben nordöstliche Bun­desstaat­en (Piauí, Ceará, Rio Grande do Norte, Paraí­ba, Sergipe, Alagoas, Per­nam­bu­co) weit­er leit­en. Das so umgeleit­ete Fluss­wass­er soll zu 70% Bewässerungszweck­en auf großen Plan­ta­gen und für die Gar­ne­len­zucht dienen, zu 26% in die Städte fließen, und nur 4% sollen für die Anlieger bleiben – den eigentlich Bedürfti­gen. Brasiliens katholis­che Kirche mit Bischof Bar­ra (Bun­desstaat Bahia), die mächtige Land­losen­be­we­gung MST und Umweltschut­zor­gan­i­sa­tio­nen haben sich zusam­men getan, um diese weit­ere Aus­trock­nung des “brasil­ian­is­chen Nils” zu ver­hin­dern.  Beson­ders prob­lema­tisch erscheint, dass die “Trans­posição” die Exis­tenz der meis­ten Ure­in­wohn­er in 34 indi­an­is­che Gebi­ete und 153 Sied­lun­gen der “Quilom­bo­las” (Afro-Brasil­ian­er) mas­siv bedro­ht. Diese  leben — den tro­pis­chen Ver­hält­nis­sen angepasst — vom Fis­chfang und Reisan­bau – und durch die Flus­sum­leitung wäre diese Lebens­grund­lage nicht mehr gesichert. Das Pro­jekt stärkt also nicht die bäuer­liche Klein­wirtschaft son­dern kommt nur eini­gen weni­gen “Groß­grundbe­sitzern” zu Gute — um Umverteilung zu Las­ten der Armen, mit der das Heer der land­losen Bauern noch ver­stärkt wird. 

Externe Links:
Gesellschaft für bedro­hte Völk­er: “Proteste gegen Flus­sum­leitung in Brasilien gehen weit­er” (www.gfbv.de)
Uni­ver­sität Kas­sel: “Frieden­spoli­tis­ch­er Ratschlag — Flus­sum­leitung in Brasilien” (www.uni-kassel.de)