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Eigene Stärken Brasiliens:
a) Landwirtschaft:
Brasilien verfügt im klimatisch günstig gelegenen Süden des Landes über eine blühende Landwirtschaft. Der Urwald im Einzugsgebiet des Amazonas blieb über Jahrhunderte hin den Indianern überlassen. Erst durch die Automobilisierung geriet ein Waldprodukt — der aus Baumharz gewonnene Rohgummi oder Kautschuk — in den Blickpunkt der Wirtschaft. Innerhalb weniger Jahre entstand mitten im Urwald, an dem auch für Ozeanschiffe befahrbaren Amazonas, die “Stadt der Gummibarone” — Manaus, die mit einer Oper mitten im Amazonasurwald den kulturellen Vergleich mit nordamerikanischen und europäischen Weltstädten nicht zu scheuen brauchte. Der Kautschukboom währte nur wenige Jahre — eigens errichtete Plantagen vor allem in Südostasien waren leichter, wirtschaftlicher zu nutzen als die vereinzelt gestreuten natürlichen Bäume im Amazonasurwald.
Heute bemüht sich Brasiliens Regierung erneut, die riesigen Gebiete im Hinterland zu entwickeln. Die Verlegung des Regierungssitzes von der Küste (Rio de Janeiro) in eine künstlich geschaffene neue Hauptstadt war der gezielte Startpunkt einer Wirtschaftsentwicklung, die vor allem das riesige Hinterland Brasiliens erfassen sollte. Durch die Erschließung des Amazonas-Urwaldes sowie der westlichen, neben Paraguay und Bolivien gelegenen Provinzen mit befahrbaren Pisten wird die Landnahme — vor allem in Zeiten konjunktureller Krisen — inzwischen auch im Hinterland immer mehr verstärkt. Goldsucher, Holzfäller, Tierfänger, Kleinbauern und Siedler dringen entlang der Straßen immer tiefer in den Urwald vor, holzen die Wälder ab und errichten Felder, die meist nur wenige Jahre lang fruchtbar sind — bis die tropischen Unwetter der Regenzeit den dünnen Humus über den darunter liegenden Sandböden weggespült haben. Auf diese Weise werden jährlich immer mehr Flächen dauerhaft vernichtet, also auf Jahrzehnte hin unfruchtbar gemacht.
Brasilien ist dennoch einer der größten Exporteure auf dem globalen Agrarmarkt. Von Hähnchenteilen über Rindfleisch und pflanzliche Produkte wie Kaffe, Orangensaft oder Soja — noch im Jahre 2003 war die Landwirtschaft der Hauptdevisenbringers und der Export der landwirtschaftlichen Produkte das Volkswirtschaftliche Standbein des von einer schweren Wirtschaftskrise angeschlagen Landes.
“Fleisch für die Welt” — wer hätte gedacht, dass nicht die argentinischen Rinderbarone sondern brasilianische Betriebe einmal den Weltmarkt beliefern würden? Noch vor Jahrzehnten trotteten halb verhungerte Rinder über die verdorrten Trockengebiete Brasiliens, bis die Brasilianer aus Indien und Afrika tropentaugliche Rinderrassen einkreuzten. Die neuen Rassen — auf der Basis des Zebu-Rindes — haben nicht nur Brasilien erobert. Alleine der Fleischkonzern IBS schlachtet heute täglich 90.000 Rinder und über 7 Millionen Hühner, die nicht nur nach China exportiert werden.
Die Region von “Mato Grosso” um Cuiabá und Rondonópolis im Landesinneren ist das Zentrum des Sojaanbaues. In der geographischen Mitte des Kontinents gelegen — fast näher am Pazifik — war die Region jahrelang nur über ausgewaschene, tief zerfurchte Landstraßen erreichbar. Über 2.000 km brachten endlose Lastwagenkolonnen landwirtschaftliche Geräte in die Region, um vor dort die landwirtschaftlichen Erzeugnisse — vor allem Soja — zu den Verladehäfen am Atlantik zu transportieren. Zwischenzeitlich wurdn auch die Zuflüsse des Amazonas für den Abtransport der gewaltigen Erntemengen entdeckt. Und auch die Sojaplantagen rücken immer weiter in das Amazonasgebiet vor. Der Sojaanbau litt allerdings im Jahre 2005 unter einer schweren Dürre. Ob die globale Klimaveränderung oder auch die Zerstörung der eigenen Regenwälder die unmittelbaren Auslöser dieser Probleme sind — Tatsache ist, dass die Landwirtschaft immer wieder große Rückschläge erlebt.
Ein Probllem ist, dass der Zuckerrohranbau — der den Grundstoff für Ethanol, also “Bio-Benzin” erzeugt — zunehmend die ehemaligen Weidegebiete zwischen Minas Gerais, Sao Paulo und Rio de Janeiro beansprucht. Dort haben bisher Rinderzucht und Milchwirtschaft die landwirtschaftliche Produktion geprägt. Der Durst der Millionenstädte nach Bio-Sprit führt zum massiven Ausbau der Zuckerrohrproduktion in dieser Gegend. Die Viehhalter verlagen ihre Weidegebiete nach Norden — und neben Sojaplantagen fressen sich dann auch die Viehweiden in den Amazonas-Regenwald.
Regenwaldzerstörung:
Das Ausmaß der Zerstörung ist gewaltig. Rund 2 Millionen Hektar werden jedes Jahr durch (Brand-) Rodung vernichtet. Von 1970 bis 2007 wurden 700.000 km² Regenwald vernichtet — etwa die doppelte Fläche Deutschlands. Und die Regenwaldzerstörung schreitet immer schneller voran. Wie das brasilianische Umweltministerium an Hand von Satellitenfotos feststellte, sind alleine zwischen August und Dezember 2007 etwa 7.000 km² Regenwald geschlagen worden. Nicht nur Umweltschützer beklagen einen gigantischen Verlust an Ressourcen, an möglichen Heilpflanzen und geschützten und seltenen Tierarten, einen dramatischen Eingriff in die grünen Lungen Südamerikas.
Ursächlich — so beklagen Umweltschützer — sei auch die verfehlte Erschließungs- und Infrastrukturpolitik der brasilianischen Regierungen. So ist die Anzahl der Sägewerke im Gebiet von Anapu — 2000 km nördlich von Rio de Janeiro — seit dem Anschluss an die Elektrizitätsversorgung innerhalb von 5 Jahren vervielfacht worden, während gleichzeitig die illegalen Rodungen massiv zugenommen hat. Holzmafia, danach Viehbarone und dann Sojamanager und Zuckerrohr-Fabrikanten haben eine unheilige Verbindung, die — so die katholische Bischofskonferenz — zur Vertreibung von Kleinbauern und Eingeborenen führt, während die Zuckerrohrarbeiter zu Gunsten des Profits ausgebeutet werden. Die Bischofskonferenz forderte daher Pärsident Lula auf, den Kahlschlag zu stoppen.
“Anstatt die Zerstörung effektiv zu verhindern pflastert Brasiliens Regierung den Amazonasvernichtern noch den Weg” - zitiert die Süddeutsche Zeitung (7.4.2005) die Klage von Umweltschützern. “Die Vorgängerregierung hatte angekündigt, 6.245 Kilometer bisheriger Schotterstraßen quer durch den Amazonas zu teeren — darunter 910 Kilometer der Transamazonica, … und eine Straße von Culabá im Soja-Anbaustaat Mato Grosso zum Amazonashafen Santarém. Beide Trassen wurden Anfang der siebziger Jahre von der Militärdiktatur durch den Amazonas geschlagen, um “Menschen ohne Land, Land ohne Menschen zu geben.”, und so den Bevölkerungsdruck im verarmten Nordostens Brasiliens zu vermindern.
Das Projekt (so die Süddeutsche weiter) gilt als teurer Fehlschlag, die geplante Teerung könnte verheerende Auswirkungen haben. Eine gemeinsame Studie des Amazonas-Umweltforschungsinstituts Ipam in Belem mit dem Woods Hole Research Center in den USA sieht voraus, das in den nächsten 25 bis 35 Jahren bis zu 270.000 qkm mehr Urwald abgeholzt werden, sollten die Asphaltierungen ausgeführt werden. Die Studie basiert auf einem Vergleich mit den Auswirkungen der Teerung der Straße von der Hauptstadt Brasilia nach Belém an der Amazonasmündung vor 35 Jahren, in dessen Folge auf einer Schneise von 50 km auf beiden Seiten der Straße fast die Hälfte des Regenwaldes abgeholzt wurde
Aggressiver Soja-Anbau.
Trotz der Bedenken nennt die Regierung von Präsident Lula das Asphaltieren der Amazonas-Highways eine “Top Priorität.” …. Immer mehr Holzfirmen, Viehzüchter und Landschieber drängen in die Gegend. Potenziert wird die Dynamik durch ein aggresives Vorpreschen der Soja-Monokulturen bis tief in den Amazonas. Oft kaufen Viehzüchter das Land vor 30 bis 50 Real (15 Euro) den Hektar, verkaufen später für 15000 Real an Soja-Farmer und ziehen dann weiter, um noch unberührte Urwaldgebiete zu roden, erklärt Nilo D’Avila von Geenpeace. “Soja ist heute das Hauptmotiv für Landspekulationen im Amazonas.“
Die Soja-Großbetriebe in Mato Grosso am Südrand des Amazonas, die Brasilien inzwischen zum zweitgröß´ten Sojabohnen-Exporteur der Welt gemacht haben, erhoffen sich von der Asphaltierung der Straße nach Santarém massive Transportkostenersparnisse. 70 Millionen Dollar im Jahr sollen die verkürzten Cargo-Schiffsrouten nach Europa und durch den Panamakanal bringen.”
Quelle: Süddeutsche Zeitung, 07.04.2005
Das brasilianische Familienunternehmen “Grupo Andre Maggi” ist ein Beispiel für die Investitionen in den wachsenden Soja-Ausbau. Um die gut 2000 km langen und damit teuren Straßentransporte zu den Häfen am Meer günstiger abzuwickeln, wurden in Schweden eigens konstruierte Flussschiffe geordert, mit den niedrigen Wasserständen genauso zurecht kommen wie mit schwimmenden Baumriesen. Mit neuen, auch in der Savanne wachsenden Soja-Sorten und einem Sozialprogramm, das Schule, Krankenhaus und und Wasserkraftwerk umfasst gehört “Grupo Maggi” noch zu den Vorzeigeunternehmen der Branche.
Neben dem illegalen Einschlag von Tropenholz, der Rodung von Wald für Rinderzucht Soja und Zuckerrohranbau sowie große Industrieprojekte tragen vor allem auch die Kleinbauern, deren Anteil an der Zerstörung des Regenwaldes auf etwa 1/3 geschätzt wird, zu diesem Krebsgeschwür bei. Tausende strömen aus den Slums der Großstädte in das Amazonasgebiet und die westliche Provinz von Pantanal (port. “Sumpf”), im mittleren Südwesten von Brasilien in den Bundesstaaten Mato Grosso und Mato Grosso do Sul — eines der größten Binnenland-Feuchtgebiete der Erde an der Grenze zu Bolivien. Die in den Urwald geschlagenen Pisten wie die Transamazonica bilden die Einbruchschneisen, von denen aus sich die Siedler wie ein unaufhaltsames Heer von Termiten immer weiter in den Wald fressen. Die Steigerung der landwirtschaftlichen Exporte — zwischen 2000 und 2004 bei Sojaprodukten um 135 %, bei Geflügel und Rindfleich um über 200 % sowie bei Zucker um 117 % ist auch mit der Umweltzerstörung des brasilianischen Regenwaldes verbunden.
Dass die wirtschaftlichen Interessen nicht mit Samthandschuhen vertreten werden zeigt die Ermordung der US-stämmigen Nonne und Umweltaktivistin Dorothy Stang am 12. Februar 2005, Morde und Vertreibungen von Kleinbauern durch Holzexporteure und Großgrundbesitzer sind an der Tagesordnung.
Andererseits werden neu entwickelte Arten — vom staatlichen Forschungsinstitut Embrapa auf den Markt gebracht — gezielt darauf hin entwickelt, in den spezifischen Umweltbedingungen Brasiliens reiche Erträge zu liefern.
Es gibt auch ökologisch sinnvolle tropische Landwirtschaft
Nicht alles, was der Mensch im Regenwald macht, zerstört die Natur. Gerade in Südostasien hat der Mensch seit Jahrhunderten auch gelernt, mit der tropischen Umwelt fertig zu werden. An die Stelle der Steppenrinder treten Wasserbüffel, an die Stelle der Sojafelder und europäischen Getreidesorten tritt Reis. Der Reisanbau in Brasilien wurde schon im 16. und 17. Jhdt. erwähnt. Im 19. Jhdt. wurde Reis zu einer der wichtigsten in Brasilien angebauten Getreidesorten. In Rio Grande do Sul, Sao Paulo und Minas Gerais wurde Reis neben den Kaffee-Plantagen zu einem der bedeutendsten landwirtschaftlichen Produkte. Die asiatischen Reisfelder werden nicht mit Traktoren sondern mit Wasserbüffeln gepflügt, und tatsächlich — auf der Insel Marajó mit ihrer Hauptstadt Soure im Amazonas-Delta hat diese tropische Tierart eine neue Heimat gefunden. Aus einem Schiffsuntergang sollen sich eine Reihe von Wasserbüffeln an die tropische Küste gerettet haben. Marajó ist inzwischen bekannt für die Wasserbüffelzucht, Büffelkäse, Assai-Ernte (eine Palmenfrucht) und die Produktion von Palmenherzen, Krebsfang in den Mangroven. Eine auf Wasserbüffeln berittene Polizei hat die Ausrüstung der Sicherheitskräfte revolutioniert. Wasserbüffel sind extrem geländegängig und schwimmfähig, also amphibisch, robust, von Treibstoffnachschub unabhängig und auch über lange Distanzen durch schwierigste Sumpf- und Mangrovengebiete ohne Nachschub einsetzbar. Nach den Polizeikräften von Marajó erkennen immer mehr Polizeieinheiten im Amazonasgebiet die einzigartigen Chancen, die der Einsatz von Wasserbüffeln bei der Mobilisierung erbringen kann.
Modernste Polizeikräfte im Amazonasgebiet
Die Regierung Brasiliens hat bereits vor Jahren begonnen, zur Sicherung des Amazonas-Tieflandes eine starke Polizeitruppe aufzubauen. Brasilien erteilte im Oktober 2000 für 425 Mio. US Dollar den Auftrag, die Polizeibehörden mit Hilfe von EADS Deutschland GmbH und Thomson-CSF/Paris auf den neuesten Stand der Technik zu bringen. Dabei geht es um Überwachungs- und Informationssysteme zwischen den Polizeistellen, Systeme zur Identifizierung, moderne Bekämpfungsmethoden gegen das organisierte Verbrechen, Beschaffung von Transportmitteln (Luft, Wasser, Land) und Ausbildung. Der Auftrag umfasst Telekommunikationssysteme, Erkennungs- und Identifizierungssysteme, Untersuchungslabore, Transportmittel wie Flugzeuge, Hubschrauber, schnelle Boote, Aufklärungs- und Führungssysteme, Logistik und Ausbildung der Bundespolizei die damit in einer Qualität ausgestattet wird, die der von Brasiliens Landstreitkräfte (s.u.) wohl zumindest ebenbürtig ist.
In Brasiliens “Hinterland” spielt sich — wie in den Slums der Großstädte — tatsächlich ein regelrechter Kleinkrieg ab. So wurden fünf Landarbeiter durch Milizen von Großgrundbesitzern in einem Landlosencamp nahe der Stadt Felisburgo (Bundesstaat Minas Gerais) ermordet — was zu Schuldzuweisungen der regionalen Bischofskonferenz an die Regierung führte. Diese würde die sozialen Missstände ignorieren und nichts für eine Land- und Agrarreform unternehmen. Die Bischöfe beklagen die “institutionalisierte Gewalt” insbesondere der Großgrundbesitzer und ihrer Milizen sowie die hemmungslose Profitgier des Agro-Business auf Kosten der Kleinsiedler und der Umwelt. Die von den Bischöfen der katholischen Kirche Brasiliens ins Leben gerufene Kommission (CPT) setzt sich für eine umfassende Agrarreform ein, die eine gerechtere Verteilung des Landes, den Zugang zu Produktionsmitteln und Krediten beinhaltet und die Förderung einer kleinbäuerlichen, umweltverträglichen Landwirtschaft zum Ziele hat.
Diese Kleinsiedler — meist ohne ausreichendes Wissen um die Anfälligkeit der nur durch den Wald geschützten Sandböden — betreiben Wanderfeldbau mit Brandrodung. Sobald nach kürzester Zeit der dünne Humus ausgewaschen, der Boden erschöpft ist, ziehen sie weiter, oder landen erneut in den Elendssiedlungen am Rande der großen Metropolen.
“In den letzten Jahren sind 900.000 Kleinbetriebe mit weniger als 100 Hektar in den Konkurs gegangen. Von den 700.000 Betrieben, die dem “patronalen” Bereich angehören, sind mittelfristig nur 88.000 überlebensfähig. Von den noch verbliebenen vier Millionen Kleinbetrieben, werden mittelfristig nur 700.000 überleben können. Es findet ein genereller Verarmungsprozess statt, und im Durchschnitt erreichen die Betriebe unter 50 Hektar nur ein Monatseinkommen, das einem Mindestlohn entspricht. Zwei Millionen Landarbeiter, die auf Lohnbasis arbeiteten, verloren ihre Arbeit. Die Agrarkredite, die in den 80er Jahren noch ein Volumen von jährlich circa 18 Milliarden (Dollar) umfassten, wurden in den
letzten Jahren immer spärlicher und unerreichbarer für die kleinbäuerliche Landwirtschaft. Sie sind auf jährlich etwa 8 Milliarden zusammengeschrumpft. Die gesamte Getreideproduktion stagniert seit den letzten zehn Jahren und liegt bei circa 80 Mill. Tonnen.”
(Quelle: Offener Brief des Nationalen Forums für Agrarreform und Gerechtigkeit — (www.npla.de), Mai 2000)
Allerdings gibt es Hoffnung; ein Beispiel: T.A. Mitschein, Professor an der Universität von Pará, der nach Studien von Wirtschaftsgeschichte, Soziologie und Philosophie ohne Scheuklappen die Situation nüchtern analysiert, hat mit brasilianischen Kollegen das Projekt “Poema” gegründet.
Projekt Poema:
Poema steht für “Programa Pobreza e Meio Ambiente na Amazonia” (Programm gegen Armut und für die Umwelt in Amazonien) und lässt Anklänge an ein literarisches Gedicht vermuten. Im Mittelpunkt des Programms stehen die Wanderfeldbauern, die sesshaft gemacht und “an die eigene Scholle” gebunden werden sollen. Ziel der Poema-Programme ist, den Kleinbauern bessere Wege zur Nutzung der sensiblen Böden zu zeigen und sie mit Bewässerungsprojekten, Trinkwasserversorgung und anderen “Luxusgütern” an den bereits gerodeten Gebieten heimisch zu machen. Pate bei der Entwicklung dieser Anbaumethoden sind nicht etwa — wie man vermuten könnte — die südostasiatischen Reisbauern, die seit Jahrhunderten im Einklang mit tropischen Regenwäldern eine intensive landwirtschaftliche Kultur entwickelt haben. Nein — die vorkolumbianischen Methoden der Ureinwohner Amazoniens, die in der Lage waren, den Wald ohne Vernichtung zu nutzen, werden wieder belebt. Brach liegende Flächen und unergiebige Monokulturen werden nach dem Vorbild des in Etagen gegliederten Regenwaldes mit verschieden hohen Bepflanzungen “aufgeforstet”.
Unter verschiedenen Palmenarten oder Paranussbäumen gedeihen Zitrus- und Bananenpflanzen, Kaffee- und Kakao-Sträucher, während Bohnen, Mais, Maniok oder Reis die “bodennahe” Bepflanzung bilden. Die Bauern ernten bereits nach kurzer Zeit mehr und reichhaltiger, nicht nur für den eigenen Bedarf sondern auch für den Verkauf auf den örtlichen Märkten.
Die gesteigerten Erträge — etwa an Kokosnüssen — machen dieses Projekt auch für industrielle Weiterverarbeitung interessant. In Kooperation von Daimler und Poema wurde aus dem bisherigen Kokosabfall, der Schale, ein wertvoller Rohstoff, der in Praia Grande auf der Insel Marano — mitten im Mündungsdelta des Amazonas — zu Kopfstützen für die LKW-Produktion von Mercedes Benz do Brasil verarbeitet wird. Was 1991 mit einer kleinen Dorffabrik begann war bereits 8 Jahre später zu einem Projekt herangereift, das zur Eröffnung einer Kokosfaserfabrik bei Belém führte, in der Sitzpolster, Sonnenblenden und Fußmatten für Mercedes Benz und Volkswagen do Brasil, aber auch Blumenkübel u.a. Gegenstände des “täglichen Gebrauchs” gefertigt werden.