Wirtschaftliche Entwicklung:
a) Landwirtschaft:
Peru ist in drei klimatische Hauptregionen getrennt, die sich von der trockenen, wüstenhaften Küste im Westen über die hochandine Gebirgskette mit ihren Gletschern bis hin zum weitgehend unerschlossenen Amazonasbecken erstrecken.
In diesen Gürteln kommen 75 Prozent aller Lebensräume vor, die Bevölkerung konzentriert sich aber in den Anden — und besteht hauptsächlich aus der indigenen Ureinwohnerschaft. Der kaum besiedelte Regenwald nimmt etwas 60 % der Landesfläche ein.
PERU
— die Heimat der Kartoffel — konnte zu Zeiten der Inkas ein Weltreich ernähren. Heute ist ein anderes Produkt bekannt: die Andenstaaten von Bolivien über Peru bis Kolumbien gehören zu den weltgrößten Kokaproduzenten. Der Anbau dieser bereits unter den Inkas bekannte Volksdroge ist heute für viele Bauern (Campesinos) die einzige Erwerbsmöglichkeit.
Unter dem Druck der USA versucht die Peruanische Regierung, den Koka-Anbau mit rigorosen Mitteln einzudämmen — was (auch mangels anderer Alternativen) zu massiven Widerständen führt. Koka wurde schon von den Inkas als “heilige Pflanze” betrachtet, es ist ein seit Jahrhunderten bewährtes Heilmittel, das Blätterkauen dämpft Müdigkeit und Hunger und macht das Leben im kargen und armen Hochland erträglich.
Da die Masse der indigenen Urbevölkerung in ländlicher Armut lebt wird der Streit zwischen “Arm und Reicht” um eine gerechte Verteilung der Einkünfte des Landes auch als Streit zwischen der indigenen Urbevölkerung und den Nachfahren der europäischen Kolonialherren verstanden — also durch ethnische Spannungen verschärft.
Externer Link:
Landeskundliche Informationsstelle: www.inwent.org
BOLIVIEN
könnte als “Zwillingsstaat” von Peru verstanden werden. Mit Ausnahme der Küstengebiete, die im “Salpeterkrieg” an Chile verloren wurden, setzt sich die geographische Struktur Perus in Bolivien fort. Die Anden bilden zwei parallele Gebirgsketten, die das Hochland vom Titicacasee im Westen bis nach Sucre und Potosi einrahmen — und im Osten des Landes bis zur Grenze nach Brasilien und Paraguay schließt sich das nahezu unbesiedelte Regenwaldgebiet an.
Auch hier lebt die Mehrheit der Bevölkerung in den Andenregionen, wobei sich die verarmte indigene Landbevölkerung und die europäisch-städtische Bürger- und Beamtenschicht auch ethnisch deutlich unterscheiden.
Bolivien — wo mehr als 70 % der Bevölkerung in Armut leben — wird durch ein Gewirr aus sozialen und ethnischen Konflikten erschüttert, das ein nahezu unentwirrbares Konglomerat von sich gegenseitig durchdringenden Problemen verursacht. Auch hier lehnt sich die breite Masse der verarmten indigenen Urbevölkerung des Landes gegen die Oberschicht europäischer Abstammung auf — und auch hier bilden die Koka-Bauern den Kern des Widerstandes. Die USA drängen die Regierung wie in Peru, die Koka-Plantagen zu zerstören. US-Militärberater und der Drogenbehörde DEA versorgen die Armee mit Waffen und Geräten und begleiten die bolivianische Armee bei Razzien, ohne aber eine Alternative anbieten zu können.
Unter dem charismatischen Führer Morales, dem unangefochtenen Anführer der Koka-Bauern aus dem Koka-Anbaugebiet von Chapare, hat die “Bewegung zum Sozialismus” (MAS) bei den Kommunalwahlen Ende 2004 unter allen Parteien das beste Ergebnis erhalten. Das hat die Aufmerksamkeit der links stehenden südamerikanischen Präsidenten von Argentinien, Brasilien und Venezuelas erregt, die den Kokabauern inzwischen als interessanten Partner betrachten.
Hierdurch ermutigt und gestärkt hat Morales die Unterstützung des — ebenfalls links stehenden — bolivianischen Präsideten Mesa aufgekündigt und setzt eine bewährte Strategie aus den Oktoberunruhen 2003 fort:
El Alto — die überwiegend von Indios bewohnte Schwesterstadt von La Paz auf der Hochebene (Altiplano) — riegelt wie ein Bollwerk den Zugang von La Paz zum Internationalen Flughafen ab, und Straßensperren zur Durchsetzung politischer Ziele (vor allem zur massiven Besteuerung oder Teilenteignung ausländischer Firmen und zur Einberufung einer verfassungsgebenden Versammlung) erschüttern im März 2005 erneut den Staat.
Externer Link:
Landeskundliche Informationsstelle: www.inwent.org
b) Industrielaisierung und Wirtschaftsentwicklung:
PERU:
Perus Reichtum sind seit jeder die nahezu unerschöpflichen Bodenschätze. Wurden die spanischen Eroberer durch die gigantischen Goldschätze des Lands geblendet, so sind heute Zink‑, Blei- und Silbervorkommen, die zu den größten Vorkommen der Erde zählen, die Grundlage der Minentätigkeit. Eisen und Kupfer, Moybdän, Wolfram, Quecksilber und Uran vervollständigen die Aufzählung der abgebauten Bodenschätze. Diese Bodenschätze müssen exportiert werden — und jenseits des Pazifik treiben China und Indien die Preise für Erze und andere Rohstoffe in die Höhe. Perus Regierung hat die Errichtung riesiger Seehäfen zu Projekten von nationalem Interesse erklärt. Bei Tacna im Süden Perus und bei San Juan de Marcona südlich von Nasca (sowie auf der Insel San Lorenzo vor der Hauptstadt Lima) sollen diese Großhäfen entstehen.
Geplanter Hafen San Lorenzo im Internet: www.megapuerto.net/proyecto.htm
Einzugsgebiet wäre Bolivien, Westbrasilien und Nordargentinien. Regionalpolitiker denken an den Umschlag von Eisenerz aus der noch auszubeutenden Mutún-Mine in Bolivien, wofür sie den Bau einer milliardenschweren Eisenbahnlinie mit chinesischen Investoren vorschlagen. Transportanschluss bestünde, zusätzlich zur neu zu bauende Eisenbahn, auch über die Straßen, die Peru derzeit in West-Ost-Richtung nach Brasilien baut (Interoceánica Sur). Terminals auch für den Containerumschlag sollen später hinzu kommen.
Dazu kommen Erdöl- und Gasvorkommen, die im Amazonastiefland entdeckt wurden. Royal Dutch Shell investierte 20 Jahre und 450 Millionen Dollar, um im Regenwald hinter den Anden im östlichen Peru Gas zu fördern. Zwischen 380 und 500 Millionen Kubikmeter sollen beim Örtchen Camisea auf die Förderng warten. 1988 erzwangen Proteste von Umweltschützern eine Einstellung der Arbeiten. Ein erneuter Versuch zur Förderung der Schätze — 1990 begonnen — scheiterte 1998 endgültig, weil der Konzern sich mit Perus Regierung nicht über die Exportkonditionen für das Erdgas einigen konnte. Daraufhin investierte die kleine Hunt Oil Co. aus Texas mit einem argentinischen Partner in den Bau einer Pipeline über die Anden bis nach Pampa Melchorita am Pazifik. Dort soll das Gas auf minus 162 Grad heruntergekühlt, damit verflüssigt und ab 2010 per Tanker exportiert werden. Wieso ist de kleine Familienkonzern in Peru so erfolgreich — wo doch sehr viel größere Konzerne gescheitert sind? Zwischen den Familien Hunt und Bush — dem Präsidentenclan der USA — bestehen durchaus freundschaftliche Bindungen. Für den heutigen US-Präsidenten George W. Bush, der wie sein Vater und H.L. Hunt im Ölgeschäft in Texas sein Glück suchte, machte der junge Ray Hunt, der seinen Vater H.L. schon 1974 als Firmenchef beerbte, bereits 1970 Wahlkampf.
Nach entsprechendem Druck aus den USA und der Weltbank änderte Peru 2003 seine Energiegesetze zugunsten von Exporten. Die Regierung Perus verfolgt seither eine liberale Wirtschafs- und Finanzpolitik, Arbeitslosigkeit und Armut werden dadurch gefördert. Der Erlös dieser Ausbeute fließt nämlich in die Kassen der Grubenkonzerne, vor allem der Firmenbesitzer und Aktionäre in den USA, Japan und Europa. Die einheimischen Arbeiter leben dagegen vielfach in ärmlichsten Verhältnissen.
BOLIVIEN:
Auch Boliviens Reichtum wird durch Bodenschätze, vor allem Erdöl- und Erdgasvorkommen gespeist. Die Silberminen von Potosi galten noch im 19. Jahrhundert als Sinnbild des Reichtums. Inzwischen sind die Bodenschätze in der Hand ausländischer Konzerne — soweit nicht die weißen Eliten, die seit der spanischen Invasion das Land ausbeuten, noch über das Eigentum an den Minen verfügen.
Boliviens verarmte indigene Bevölkerung sperrt sich gegen die Ausplünderung des Landes durch ausländische Konzerne.
Im Oktober 2003 erschütterten Massenproteste und Straßensperren das Land, weil Präsident Lozada (in den USA aufgewachsen, reicher Minenbesitzer) Erdöl und Erdgas über den verhassten Nachbarn Chile nach den USA exportieren wollte — gerade über Chile, und gerade in ein Land, das den bolivianischen Ureinwohnern als imperialistischer Ausbeuter in Nachfolge der ehemaligen Kolonialherren gilt. Nach blutigen Massenprotesten — organisiert von der Bauernvereinigung, Gewerkschaften und Studentenorganisationen — musste Lozada über Nacht nach Miami fliehen, und der linksgerichtete Präsident Carlos Mesa übernahm — damals noch von Morales unterstützt — die Macht in einem Staat, den die inneren Konflikte zu zerreißen drohen.
Unterstützt von der Gasindustrie möchte sich die reiche Region von Santa Cruz im östlichen Tiefland unabhängig, Morales wiederum, der Anführer der Koka-Bauern und Indios, die sich gegen die von den USA geforderten Anbauverbote wehren, würde am liebsten sämtliche Bodenschätze verstaatlichen.
Gewerkschafter und Vertreter der katholischen Kirche versuchen seit Jahren durch politisches und soziales Engagement das Los der breiten Bevölkerungsschichten zu verbessern — und ecken damit in den korrupten politischen Eliten des Landes an.
Die Spaltung des Landes geht auch durch die Kirchen. Der Erzbischof von Lima — Kardinal Thorne — ein Mitglied des Opus Dei — steht schon seit seiner Zeit als Bischof von Ayacucho in Verdacht, Aktivisten an die Polizei verraten zu haben. Er hat sicher christliche Menschenrechtsgruppen diskreditiert und zweifelhafte Polizeiaktionen gerechtfertigt.
Während Peru unter Alejandor Toledo zunächst noch zu den konservativen Staaten Lateinamerikas gezählt wurde — noch, denn mit den Neuwahlen Anfang Juni 2006 hat sich mit Garcia wieder ein linksliberaler Politiker (der bereits vor Jahren durch krasse Misswirtschaft auffiel) etabliert — hat sich mit der Wahl von Evo Morales in Bolivien ein linkspopulistischer Politiker durchgesetzt. Bereits innerhalb von 100 Tagen nach der Wahl hat die neue Regierung mit Castros Kuba und Venezuela eine enge Zusammenarbeit vereinbart, die als “Bolivianische Alternative” (Alba) zu der von den USA geförderten gesamtamerikanischen Freihandelszone verstanden wird. Verstaatlichung, Ablehung des Freihandels, Protektionismus — das sind die Schlagworte, unter denen die neue Regierung Boliviens (vereint mit Kuba und Venezuela) unter dem Indio-Präsidenten Evo Morales und dem Vizepräsidenten Alvaro Marcelo Varcia Linera — einem Universitätsdozenten und anerkannten Autor von politisch-sozialen Analysen — eine wirtschaftliche Neuorientierung vornimmt.
Dabei nutzt Bolivien seine Öl- und vor allem Gasvorkommen, um diese — nach dem Vorbild Mexicos und Venezuelas — unter nationaler Kontrolle (hier: des bolivianischen Öl- und Gaskonzerns YPFB) zu bringen und dann neue Verträge mit den internationalen Konzernen einzufordern. Bolivianische Truppen haben Anfang März 2006 knapp 60 Öl- und Gasanlagen sowie Raffinerien der Konzerne Repsol/YPF, BP (GB), Total (Frankreich) und Petrobras besetzt. Dass dabei auch argentiniens Repsol/YPF und brasiliens Petrobras — die nationalen Firmen eines befreundeten Nachbarn — einbezogen wurden, hat zu Befremden und einer Entfremdung geführt. Immerhin ist das spanisch-argentische Konsortium mit einer Milliarde Euro der wichtigste Investor in Bolivien. Ob das auf dem anschließenden Krisengipfel vereinbarte Verbundnetz, dass Bolivien, Brasilien und Venezuela mit Gaspipelins verbinden soll, einen Weg aus der lateinamerikanischen Vertrauenskrise zeigt, wird sich zeigen. Bis Ende April 2008 mussten sich die Erdgaskonzerne entscheiden, ob sie das Land verlassen oder als Minderheitsaktionäre unter Kontrolle des bolivianischen Staates bleiben und weiter arbeiten wollen. Viele Firmen haben sich für das “Bleiben” entschieden.
Boliviens Regierung versucht jedenfalls, eine neue Verteilung der Gewinne zu erwirken — denn obwohl die Öl- und Gaspreise dauerhafte Höchstniveaus erreicht haben (was künftige Preissteigerungen nicht ausschließen soll) ist die Mehrheit der Bevölkerung Boliviens ohne sichtbare Beteiligung an diesem Boom geblieben. Dass eine solche Umverteilung nicht ohne Verlierer bleiben kann ist zu erwarten: die Spannungen zwischen der Hauptstadt und der reichen, wirtschaftsliberalen Tieflandprovinzen östlich der Anden — wie der Provinz Santa Cruz mit ihren knapp 2,5 Mio. Einwohnern — sind seit dem Amtsantritt von Morales gewachsen. Diese Provinzen liegen im Osten des Landes an der Grenze zu Brasilien. Hier findet sich ein Großteil der Bodenschätze des Landes. In Santa Cruz und in der Nachbarprovinz Tarija befinden sich insbesondere etwa 85 Prozent der Gasvorkommen Boliviens. Deshalb haben die großen multinationalen Erdölkonzerne, die von Morales Nationalisierungspolitik bedroht werden, hier ihren Sitz. Die dünn besiedelten Tieflandprovinzen Boliviens sind daher das wirtschaftliche Schwergewicht des Landes, nicht das Hochland mit seinen verarmten Indios. Das bolivianische Tiefland ist mit Santa Cruz und weiteren drei Provinzen ein wirtschaftliches Zentrum im geographischen Herz Südamerikas. Von Santa Cruz wird Gas und Öl nach Brasilien, Argentinien und Chile exportiert. Die von Morales angeschobene Umverteilung zu Gunsten der Hochlandindios wird hier mehrheitlich nicht mit getragen — und fördert sezessionistische Tendenzen der Provinzbewohner, die ihre Einkünfte soweit möglich eben nicht mit den Indios teilen wollen.
Mit einer im Dezember 2007 neu vereinbarten Querverbindung zwischen den Ozeanen sollen nun über 5.900 km die Häfen von Sanctos (bei Sao Paulo) in Brasilien und Arica und Iquique im Norden Chiles verbunden werden. Die Transitstrecke über Campo Grande und Corumbá (Brasilien), Santa Cruz und La Paz (Bolivien) nach Chile soll vor allem für Lastkraftwagen mit Containern, aber auch für den Transport der Bodenschätze . und für den lokalen Güter- und Personenverkehr genutzt werden. Bolivien erhält damit Zugang zum Meer — und alle drei beteiligten Staaten, Brasilien, Bolivien und Chile erhalten einen kurzen und schnellen Zugang zu den Märkten Europas und Asiens.
Diskutieren Sie mit:
Alba, Mercosur, Telesur u.a. — gegen Nordamerikanische Dominanz — (www.defence-forum.net)
Bolivien — (www.defence-forum.net)