b) Südkorea:
In Südkorea hingegen setzte aufgrund des US-Einflusses eine starke Industrialisierung verbunden mit schweren sozialen und politischen Erschütterungen ein.
Die USA haben Südkorea praktisch wie Westdeutschland als “Frontstaat” gegen den Kommunismus massiv aufgebaut und gefördert. Die straff organisierte, militärische Führung der südkoreanischen Konzerne ist dem südkoreanischen Militärdiktator General Park Chung Hee zu verdanken, der gewaltige Konzerne aus dem Boden stampfte und hohe Offiziere, die ihm persönlich für die Effizienz und Produktivität verantwortlich waren, als Konzernlenker einsetzte. Militärische Disziplin unter konfuzianische Prägung haben Südkorea zu einer de wichtigsten Industrienationen zumindest Asiens gemacht.
Südkorea gehört auch dank amerikanischer Wirtschaftshilfen und der Einbindung in die westliche Industrie- und Handelswelt inzwischen zu einem der wichtigsten Industriestaaten Ostasiens. Vor allem im Automobil- und Schiffbau kann sich Südkorea zu den weltweit wichtigsten Herstellern zählen.
Heute stehen sich Japan und Südkorea offiziell als befreundete Staaten, gleichberechtigte Partner und gute Nachbarn gegenüber. Man kooperiert miteinander, zuletzt im großen Stil bei der gemeinsamen Ausrichtung der Fußball-Weltmeisterschaften 2002. Doch dies sollte nicht über das immer noch problematische Verhältnis zwischen beiden Staaten hinwegtäuschen.
Noch immer bestehen erhebliche historische Vorbehalte gegen ein übermächtiges, imperiales Japan; die massiven Kriegsgräuel der Japaner im letzten Weltkrieg sind nicht vergessen, und die traditionelle Wertschätzung, die Japans Regierung den im Weltkrieg gefallenen eigenen Soldaten zukommen lässt — während andererseits eine Entschuldigung für die Kriegsgräuel verweigert wird, zeigen von tief sitzenden Problemen.
Ungeachtet seiner traditionellen Verbindungen zu Nordkorea versucht China auch zu Südkorea bessere Beziehungen aufzubauen. So akzeptierte China 1991 den Wunsch Südkoreas, in die UNO aufgenommen zu werden, ohne sein — wie von Nordkorea gefordertes — Veto im Sicherheitsrat einzulegen. Mit der überraschenden Aufnahme diplomatischer Beziehungen am 24. August 1992 beging China sozusagen “Verrat am letzten sozialistischen Verbündeten Nordkorea.” Diese Normalisierung der Beziehungen war aber in der Logik der Entspannung, die zeitgleich das Verhältnis zu Moskau entkrampften, und dem Wunsch auf nähere Anbindung zu den asiatischen Schwellenländern, als die USA mit Vergeltungsmaßnahmen für Chinas Menschrechtsverletzten drohten.
Südkorea ist zu einer der größten Industrienationen nicht nur Asiens geworden. Korea gehört zu den großen Handelsnationen und profitiert wie kaum ein anderes Land von der Globalisierung. Nach einem Einbruch von 1998 (- 6,9 %) hat das BIP mit einem Zuwachs von 9,5 % (1999) und 8,5 % (2000) wieder zugelegt — seit 2004 pendelt das BIP Wachstum mit einer stabilen jährlichen Zuwachsrate von 4 bis 5 %. Mit einem BIP von 18.500,- $ / Einwohner (Stand 2006) steht Südkorea hinter Japan an zweiter Stelle in Asien. Stabile Wachstumsraten lassen 2007 ein BIP von 19,5 T$ und 2008 ein BIP von 20,6 T$ pro Kopf erwarten. Die Arbeitslosenquote sinkt kontinuierlich von 3,7 % (2004) um etwa 0,2 % pro Jahr, während die Preisentwicklung (Inflationsrate) um die verträglichen 2,5 % jährlich pendelt. Maßgeblich dazu hat die hoch effiziente Exportindustrie wie etwa für den Schiffs- und Autobau, Computerchips und Handys beigetragen, die 2/5 des BIP erwirtschaftet und etwa 3/4 des Wirtschaftswachstums trägt. China hat im Jahr 2008 fast ein Viertel aller südkoreanischen Exportgüter abgenommen — nächste “Kunden” in der Reihenfolge sind die EU mit 14 % und die USA mit fast 10 %. Die mittelständischen Betriebe, der 85 % aller Beschäftigten angehören, hat dagegen eine relative geringe Produktivität. Hier sehen Exporteure aus China die Chancen für ihr Geschäft.
Andererseits stecken die südkoreanischen Konzerne etwa die Hälfte aller Direktinvestitionen der verarbeitenden Industrie in den großen Nachbarn. Auch Südkoreas Manager haben die Vorteile der “billigen Werkbank China” für ihre Unternehmen entdeckt.
China ist inzwischen (Stand 2007) der wichtigste Handelspartner Südkoreas, und das, obwohl der Warenaustausch zwischen beiden Ländern bislang auf den teuren Luftverkehr oder die langsame Schiffsfracht über die überfüllten chinesischen Seehäfen angewiesen ist. Bisher sind 95 % aller südkoreanischen Exporte auf den Seeweg angewiesen. Südkorea drängt daher seit dem Jahr 2000 den nördlichen Nachbarn, die Bahnlinien durch die Demarkationslinie wieder zu eröffnen. Zwei erste Strecken sind im Mai 2007 probeweise befahren worden (siehe Nordkorea). Südkorea drängt dabei auf eine “eiserne Seidenstraße” in den Westen, über Nordkorea bis China, bis Russland, Berlin, Paris und London. Verwegene Träumer sehen eines Tages sogar eine Hochgeschwindigkeitsverbindung (HGV) zwischen Seoul und Peking entstehen — haben nicht beide Staaten beiderseits Nordkoreas dieselben, aus Frankreich importierten TGV-HGV-Bahnen im Einsatz? Seit 30. März 2004 fährt der Korean Train Express (KTX) zwischen Seoul und Pusan, während sich ICE, Shinkansen und TGV einen Wettlauf um HGV-Aufträge in China liefern.
China hat schon aus wirtschaftlichen und geostrategischen Überlegungen großes Interesse an Frieden und Stabilität auf der koreanischen Halbinsel — und mit deeskalierendem Einwirken auf Nordkorea und der Vermittlung zu einer koreanischen Friedensordnung gewinnt China nicht nur selbst Einfluss — es kann zugleich die amerikanische Militärpräsenz überflüssig machen und damit zur Reduktion dieser Truppen beitragen. 1993 wurde sogar ein sicherheitspolitischer Dialog zwischen China und Südkorea einerseits und China und Nordkorea andererseits geführt.
Allerdings gibt es auch noch ungeklärte Streitfragen über die Nutzung des Gelben Meeres zwischen den beiden Staaten — und die vorsichtige Zurückhaltung, die Südkorea gegenüber einem übermächtigen Nachbarn übt.
Südkorea könnte bei einer “Abkühlung der Beziehungen zu China” möglicherweise auch für Taiwan ein interessanter Partner werden. Die Republik China — aus der Kuomingtang-Regierung hervorgegangen — hat großen Bedarf an Rüstungsprodukten wie modernen Kriegsschiffen, wie z.B. konventionellen U‑Booten, die von Südkoreas hoch entwickelter Werftindustrie inzwischen selbst hergestellt werden können.
Ein Grund mehr, dass sich China um ein möglichst spannungsfreies Verhältnis zu Südkorea und einer Entspannung auf der koreanischen Halbinsel bemüht. Die Drohgebärden der USA wirken dagegen nicht deeskalierend.
Die Weltwirtschaftskrise 2008/2009 konnte Südkorea bisher sehr gut bewältigen — dank der Exporte nach China. Die Arbeitslosigkeit stieg marginal von 3,5 auf 3,9 %, was vor allem aus Stellenstreichungen im Bereich der (relativ unproduktiven) kleinen und mittelständischen Unternehmen verursacht war. Große Konzerne konnten sich dagegen noch sehr gut halten. Selbst der Schiffbau (der von den weltweiten Rückgängen der Transportaufträge erheblich betroffen sein müsste) konnte im März 2009 einen Zuwachs beim Auftragseingang von 61 % verbuchen.
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