Zunehmender Ölverbrauch:
Die wachsende Wirtschaft produziert auch eine zunehmende Gier nach Energie, insbesondere den klassischen Energieträgern wie Öl und Gas. Seit 1995 ist China Nettoimporteur von Erdöl — und Chinas Energiebedarf ist von 1995 bis 2005 — in nur 10 Jahren — um fast 90 % gestiegen. Nach Schätzungen der Internationalen Energie-Agentur wird Chinas Ölverbrauch — trotz der Bemühungen um Alternativen — alleine im Jahr 2007 um über 5 % auf täglich 7,58 Millionen Barrel steigen. Insgesamt hat China 2007 etwa 15 % des weltweiten Energieverbrauches beansprucht, bei einer Zuwachsrate, die den globalen Durchschnitt um das 4‑fache übersteigt. Die Energieversorgung muss einerseits gesichert werden — durch entsprechende Zukäufe aus dem Ausland — und andererseis möglichst effektiv an die chinesischen Verbraucher verteilt werden.
Pipelinenetz für Gas und Öl:
Seit Ende Mai 2006 wird China durch eine 1.000 km lange Erdölpipeline aus Kasachstan versorgt. Die Länge der landesweiten Öl- und Gaspipelines lag Ende 2006 bei über 48.000 und 2007 schon bei 80.000 Kilometern. Dies bedeutete im Vergleich zu 2002 bereits 2006 eine Zunahme um 62 Prozent. 2008 wird die zweite Ölpipeline — diesmal aus Russland — mit einer Kapazität von bis zu 30 Mio. Tonnen jährlich in Betrieb gehen. Drei zusätzliche Erdgaspipelines aus Zentralasien sind geplant oder im Bau.
landesweites Erdgasnetz:
Gas deckt derzeit (2007) etwa 3 % der nationalen Energieversorgung. China bemüht sich, die Gasversorgung aus Russland (Sibiren) und den zentralasiatischen Staaten anzukurbeln. Dazu sollen in den Hafenstädten an der Küste Löschanlagen für verflüssigtes Erdgas entstehen. Petrochina gab im Oktober 2007 bekannt, über 13 1/2 Mrd. $ in eine 8000 km lange Gaspipeline investieren zu wollen, durch das ab dem Jahr 2010 jährlich 30 Mrd. cbm Gas aus Zentralasien in die Wirtschaftszentren an der Ostküste fließen soll. Bis zum Jahr 2010 möchte China ein das gesamte Land abdeckendes Pipelinenetz für Erdgas in Betrieb genommen haben. Insbesondere auch aus den Quellen der südwestchinesischen Provinz Sichuan sollen vor allem die ostchinesische Gebiete mit Erdgas versorgt werden.
Erdölsuche und Sicherung:
Erdöl deckt rund 21 % der Energieversorgung (Stand 2007).
Auf dem seit 1960 ausgebeuteteten Ölfeld Daqing in Nordostchina sind im Jahr 2007 insgesamt 1,7 Millionen Tonnen Rohöl und 2,5 Milliarden Kubikmeter Erdgas gefördert worden. Das Ölfeld Daqing ist mit einer Fläche von etwa 6000 Quadratkilometern die größte Erdölförderstätte in China — die Ausbeute nimmt aber kontinuierlich ab.
Im Erdölfeld Hudson im nordwestchinesischen Tarim-Becken wurden bis zum 30. Juni 2004 täglich 4.440 Tonnen Rohöl gefördert. Experten rechnen daher mit einer Jahreskapazität des Erdölfeldes von 1,5 Millionen Tonnen. Das Erdölfeld Hudson befindet sich in einer Wüstenregion im Tarim-Becken im chinesischen Autonomen Gebiet Xinjiang. Mit dem Einsatz moderner Technik ist die Fördermenge seit Jahren kontinuierlich erhöht worden.
Die Suche und Erschließung neuer Erdölvorkommen bleibt dabei nicht zurück. China entwickelt zunehmendes Interesse auch an der Prosperierung von unter dem Meer liegenden Vorkommen.
So sind im April 2004 vor der chinesischen Küste große Mengen Erdöl entdeckt worden. Die Vorkommen umfassten schätzungsweise 280 Millionen Tonnen des “Schwarzen Goldes”, wie die Tageszeitung “China Daily” unter Berufung auf das Forschungsministerium in Peking berichtete. Die neuen Funde würden die wirtschaftliche Entwicklung Chinas für lange Zeit sichern, sagte ein Sprecher des Ministeriums der englischsprachigen Zeitung. “Diese neuen Entdeckungen mindern unsere Sorge, das Öl könnte knapp werden.” Nach weiteren Erkundungen durch Petrochina — einem chinesischen Energiekonzern mit einem Börsenwert von 441 Mrd. $ (Okt. 2007) — wird das Jidong-Nanpu-Ölfeld in der Bohai-Bucht auf mindestens 7,35 Mrd. Barrel — das Fass zu 150 Liter — geschätzt. Diese Vorkommen haben Russland und China bewogen, bei Tianjin gemeinsam eine Raffinierie für eine Jahresverarbeitungskapazität von 10 Mio. Tonnen Öl zu errichten.
In diesem Zusammenhang gewinnen auch die im Südchinesischen Meer — in einem umstrittenen Inselgebiet vermuteten — Vorkommen immer mehr Bedeutung.
Im Jahre 2007 ist die chinesischen Offshore-Branche der Öl- und Gasindustrie um 17 Prozent gewachsen.
Darüber hinaus erwartet Petrochina auch weitere Erdölfelder in Liaohe und Dagang. Diese — vor dem Börsengang des Unternehmens gestreuten Gerüchte — sollen noch mehr Kapital aus dem boomenden Ostasien in das Unternehmen ziehen, das in den Ausbau der Energie-Infrastruktur gesteckt werden soll. Bis zum Jahr 2010 soll die Ölförderung Chinas um über 50 % gegenüber dem Stand von 2007 zunehmen.
Erdölimporte — zunehmendes “global playing“
China ist inzwischen der zweitgrößte Erdölimporteur der Welt. China konnte im Jahre 2005 nur knapp 60 Prozent seines Bedarfes (318 Mio. t.) aus eigenenQuellen decken. Es hat in diesem Jahr daher 127 Mio. t. Rohöl importiert — ausschließlich über Tanker, und den größten Teil aus dem Mittleren Osten und Afrika. Chinesische und kuwaitische Unternehmen errichten für 5 Mrd. $ gemeinsam eine Erdölraffinerie und ein Chemiewerk in Nansha (Provinz Guangdong) — am Ende der Tankerroute aus dem Nahen und Mittleren Osten. Dort sollen ab 2010 jährlich 1 Mio. t. Ethylen produziert und 12 Mio. t. Rohöl verarbeitet werden. In Huizhou — ebenfalls in dieser Provinz — hat bereits Shell gemeinsam mit dem drittgrößten chinesischen Ölkonzern CNOOC für 4,3 Mrd. $ eine petrochemische Anlage errichtet. Beide Anlagen stellten bis einschließlich 2007 die größten Joint-Venture-Investitionen in China dar.
Aus dem Nahen und Mittleren Osten kommen mehr als die Hälfte der Ölimporte Chinas. Aus Sicht der Regierung und der nationalen Ölkonzerne ist es strategisch notwendig, die Abhängigkeit von der unter US-Kurratel (Irak, Arabische Halbinsel) stehendenRegion zu verringern und neue Lieferanten zu finden. Chinesiche Firmen — angeführt von China National Petroleum Corporation der Sinopec und der China National Offshore Corporation (CNOOC) sind daher weltweit auf der Suche nach neuen Quellen, um den steigenden Energiehunger des Landes zu stillen. China ist dabei auch in Afrika (Sudan, Angola) tätig geworden. Dies erklärt die Rückendeckung, die China Staaten wie Iran und dem Sudan auf internationaler Bühne gewährt. So ist China — als 1997 die US-Regierung weitere Geschäfte mit der sudanesischen Regierung verbot — in die Lücke gestoßen und hat mehr als zwei Mrd. $ in die Ölgewinnung des Sudan investiert. Inzwischen bezieht China alleine 5 Prozent seines Öls aus dem Sudan; dazu kommen Verträge über die Erkundung neuer Quellen in Angola, Algerien, Gabun und Nigeria — gut 1/4 des chinesischen Ölimports wird inzwischen aus afrikanischen Quellen gedeckt. China ist zudem in Südamerikas Lieferlänern — in Argentinien, Bolivien, Equador, Peru und Venezuela vertreten.Chinesische Reedereien transportieren allerdings nur 10% der gesamten Erdölimporte Chinas. Es ist kein Wunder, dass China sich mit einer beinahe rasenden Geschwindigkeit dem Aufbau einer eigenen Tankerflotte und einer immer weiter von den eigenen Küsten entfernt einsatzfähigen Marine verschrieben hat. Gerade der Transport über die von Piraten bedrohteMeerenge von Malakka, die mit ihren vielen Inseln und versteckten Buchten schwer zu kontrollieren ist, sowie die Verbindung zu den immer wichtiger werdenden afrikanischen Lieferländern bereitet den chinesischen Politikern Sorge.
Auch deshalb bemüht sich China zur Sicherung der Energieversorgung um intensive Zusammenarbeit mit den erdölreichen Staaten Zentralasiens. Im Mai 2006 wurde eine neue Erdölpipeline(die erste Pipeline zum Import von Erdöl überhaupt)aus Kasachstan in Betrieb genommen, mit der künftig Erdöl vom kaspischen Meer über den Alataw-Pass in die chinesische Provinz Xinjiang (Hsinkiang, Ostturkestan) fließen soll. Das erste Teilstück führt von den Erdölfeldern bei Atasu über fast 1000 km nach Osten. 10 Mio. t. sollen über diese Leitung nach China gepumpt werden. Sobald die Verlängerung bis Atyrau am Kaspischen Meer fertig gestellt ist — 2011 soll dies der Fall sein-wird die Liefermenge auf 20 Mio. t. verdoppelt werden können.China gerät damit zunehmend in Konkurrenz zu Russland, den USA und Europa, die sich ebenfalls für diese an Öl so reiche Region interessieren.
Externer Link: Wichtige zentralasiatische Spieler — (www.bjrundschau.com)
Siehe dazu auch unser Diskussionsforum unter
Shanghaier Kooperationsorganisation — (www.defence-forum.net)
Öl, die Achillesferse der Weltwirtschaft / Energieversorgung (global) — (www.defence-forum.net)
Der Handel zwischen Russland und China erreichte 2006 ein Volumen von 33,4 Mrd. $ (27 Mrd. €) — vor allem im Bereich von Militär- und Energie wächst der russische Export, während China preiswerte Konsum- und Verbrauchsgüter liefern. Chinas Präsident Hu erklärte bei seinem Staatsbesuch im März 2007 in Russland, dieser Umfang lasse sich bis 2010 auf — umgerechnet — 45 bis 60 Mrd. € verdoppeln bis verdreifachen. China drängt zudem, die Pipelines zu den russischen Ölfeldern in Sibirien noch schneller fertig zu stellen. Von den im Jahr 2006 aus Russland bezogenen 15 Mio. t. Öl wurden 11 Mio. t. noch mit der Bahn transportiert.
Umweltverschmutzung:
Die Energiegewinnung durch Kohle trägt maßgeblich zu den Smog-Nebeln bei, die chinesische Städte in einen Dunstschleier aus Abgasen und sauren Wolken hüllen. Gesundheitsprobleme und Umweltschäden sind das Ergebnis der Kohleverstromung sowie der Verheizung von Kohle in Millionen von privaten Heizöfen. Der hohe CO² Ausstoß soll aber von 2005 bis 2010 um etwa 10 % gesenkt werden.
Der Versuch, die Kohlekraftwerke durch gigantische Staudämme zu ergänzen oder gar zu ersetzen hat aber erneut zu desaströsen Ergebnissen geführt. Beim “Drei-Schluchten-Staudamm” sind Bergrutschungen in einer Länge von knapp 40 km (Stand Sept. 2007) zu verzeichen — die bis zu 50 m hohe Flutwellen ausgelöst haben. Nun müssen mindestens 4 Mio. Menschen — zum Teil erneut — umgesiedelt werden. Auch die Wasserqualität des Jangtse hat massiv gelitten, weil mit dem Staudamm Mülldeponien und durch Fabrikproduktionen verseuchte Grundstücke überflutet wurden. Das vom Jangtse gespeiste Grundwasser ist vergiftet. Der Jangtse-Delfin, eine der wenigen Süßwasserdelfinarten der Welt (weitere gab es am Ganges und am Amazonas) ist nach neuesten Meldungen ausgestorben.
Von der Landwirtschaft zur modernen Industriegesellschaft:
In China ist derzeit (2006) noch etwa die Hälfte der Bevölkerung in der Landwirtschaft tätig. Das Pro Kopf Einkommen der ländlichen Haushalte erreicht aber im Schnitt nur etwa die Hälfte der städtischen Haushalte. Aus den armen und schwachen Gebieten — insbesondere aus dem ländlichen Bereich — sind deshalb im Jahre 2005 rund 150 bis 200 Millionen (!) Wanderarbeiter in die reichen Küstenprovinzen südlich von Peking und Tianjin gezogen. Auch hierdurch entsteht ein enormes Problem — und China bemüht sich, einerseits sowohl Arbeitsmöglichkeiten für dieses Heer zu schaffen, andererseits aber auch die zurückgebliebenen Provinzen zu industrialisieren und zu modernisieren, um die enorme Binnenwanderung auszutrocknen. In den letzten Jahrenwechselte jährlich etwa 1 % der arbeitenden Bevölkerung von der Landwirtschaft in den Industrie- und Dienstleistungsbereich. Im Industriesektor liegt die Arbeitsproduktivität durchschnittlich rund siebenmal höher als in der Landwirtschaft, im Dienstleistungsbereich erreicht die Arbeitsproduktivität immer noch den dreifachen Wert. Wenn es gelingt,für diese Massen auch Arbeitsplätze bereitzustellen, wirddas Wachstum Chinas auchin den nächsten Jahren weiter gehen. Die Chancen dafür stehen gut:
während das Wachstum Chinas in der Vergangenheit vornehmlich durch Exporte getragen wurde — China als “Werkbank der Welt” — tritt zunehmend die Binnennachfrage der expandierenden Mittel- und Oberschicht als “Wachstumsmotor” auf.
Demographie im Schatten der “Ein Kind-Familie”:
In den Wirren der Kulturrevolution, beim “Großen Sprung nach Vorn” — bis zum Beginn des unter Deng eingeläuteten Wirtschaftswachstums kam es immer wieder zu Hungersnöten unter den Millionen Chinesen. Das Land konnte mit seinen landwirtschaftlichen Nutzflächen die eigene Bevölkerung nicht mehr ernähren. Deshalb wurde eine rigide “Ein-Kind-Politik” eingeführt. Frauen, die nach der Geburt des ersten Kindes erneut schwanger wurden, wurden noch bis kurz vor der Entbindung zur Abtreibung gezwungen — wer seine Schwangerschaft bis zuletzt verbergen konnte, wurde mit massiven Geldbußen bestraft.
Diese Politik hat die demographische Struktur der chinesischen Bevölkerung zerstört. Bereits im Jahr 2025 wird sich die Zahl der Alten, über 65jährigen Chinesen verdoppelt, bis zum Jahre 2045 sogar verdreifacht haben. Im Jahre 2035 werden voraussichtlich 300 Mio. Chinesen älter als 65 Jahre und damit auf Altersversorgung angewiesen sein. Diese — traditionell in den Städten von den staatlichen Betrieben (eiserne Reisschüssel) und auf dem Lande von den eigenen Kindern wahrgenommene — Aufgabe muss künftig vom Staat übernommen werden.
Während gerade die neu entstandenen privaten Unternehmen nach dem Motto “heuern und feuern” keine eigenen Betriebsrenten gewähren (und vielfach nicht einmal entsprechende Vorsorgebeträge abführen) fällt es den Einzelkindern immer schwerer, die älteren Generationen zu versorgen. Auch wenn zwei Einzelkinder eine Familie gründen — jeweils zwei Elternteile, also vier Personen, und dann auch noch Großeltern aus dem eigenen Einkommen versorgen und ggf. sogar pflegen zu können, das übersteigt die Kräfte der jungen Familien, die mit der Erziehung des eigenen Kindes — und dem “reich werden” der jungen Eltern — mehr als ausgelastet sind. Für die Pflege der Alten und Kranken werden inzwischen religöse Einrichtungen — auch caritative Einrichtungen der Kirchen — geschätzt. Aber auch hier muss die Finanzierung von Renten und dem Einkommen der Alten gesichert werden.
Deshalb hat China Ende der neunziger Jahre mit dem Aufbau einer betriebsunabhängigen Sozialversicherung für die Stadtbevölkerung begonnen. Die künftige Grundrente soll zu 40 % aus kapitalgedeckten Zinserträgen und zu 20 % aus Umlagen der arbeitenden Generationen finanziert werden. Ob China entsprechende Rücklagen aufbauen kann, wird von manchen Kommentatoren bezweifelt. China, so heißt es, “würdealt, bevor es reich wird”
(vgl. Robert Stowe, England: “Aging China — The Demographic Callenge to China’s Economic”)
Die rigorose Ein-Kind-Politik hat aber noch zu einer weiteren Problematik geführt: da Söhne traditionell in der chinesischen Gesellschaft wichtiger erschienen als Töchter, hat sich — unterstützt durch Ultraschalluntersuchung und selektive Abtreibung — eine Verschiebung der Geschlechterstruktur ergeben. Schon im Jahre 2020 werden mehr als 30 Millionen junge Männer werden nicht mehr die Chance haben, eine Partnerin zur Familiengründung zu finden. Wird China zum Auswanderungsland — oder werden künftig junge Frauen aus der ganzen Welt nach China ziehen, um dort zu leben?