“Von der Imitation zur Innovation
FORSCHUNG: China will seine Wirtschaft auf ein neues Fundament stellen. Statt mit Billigprodukten sollen die Unternehmen mit eigenen Kreationen die Weltmärkte erobern. Dazu investiert Peking Milliarden in Bildung und Forschung. Erste Erfolge sind sichtbar.”
(Zitat aus WirtschaftsWoche Global, 1/2012)
Wirtschaft aus eigener Kraft:
Der Wirtschaftsaufschwung und die damit verbundenen Deviseneinnahmen versetzten China und seine Bürger zunehmend in die Lage, selbst — anstelle von ausländischen Investoren — in den weiteren Ausbau seiner Industrie zu investieren (s.u.). Die Privatwirtschaft ist dabei zu einem wichtigen Säule für den Beschäftigungszuwachs des Landes geworden. Ende 2006 sank die Zahl der Beschäftigten in den staatlichen Wirtschaftsunternehmen im Vergleich zu 2002 um über zehn Millionen. Im gleichen Zeitraum konnte die Privatwirtschaft einen Zuwachs von jährlich etwa elf Millionen Arbeitskräften auf etwa 40 Millionen Beschäftigte verzeichnen. China soll inzwischen mehr kleine und mittlere Privatunternehmen verzeichnen als die EU und die USA zusammen — und dazu gehört nicht nur der kleine Imbiss-Einzelverkäufer in den Geschäftsstraßen sondern zunehmend eine Riege von Großunternehmen wie der Schiffbauer Mingde, der mit seinen günstigen Preisen für qualitativ gute Chemietanker und Containerfrachter die Weltmarktführer aus Südkorea attackiert — und durch höhere Löhne die besten Arbeiter von der benachbarten Staatswerft abwirbt.
Diesem Wirtschaftsboom trägt auch die Lohnentwicklung Rechnung. Seit 1995 haben sich die Gehälter der Arbeiter und Anestellten um 300 % erhöht — bei Inflationsraten, die bis zur Jahrtausendwende sogar anken und seit 2004 bis 2006 noch unter 4 % geblieben sind. Ein chinesischer Techniker (in China als Ingenieur bezeichnet) verdient inzwischen (Stand Anfang 2008) jährlich rund 20.000,- Euro. Damit werden die chinesischen Arbeitnehmer immer wohlhabender — und ausgabefreudiger.
Die immer größere Mittelschicht des Landes hat den Konsum für sich entdeckt und trägt so das ihre zur steigenden Nachfrage der chinesischen Binnenwirtschaft bei. Alleine in der ersten Hälfte des Jahres 2007 stieg der Einzelhandelsumsatz der Konsumgüter um 15,4 Prozent gegenüber demselben Zeitraum des Vorjahres auf mehr als 4200 Milliarden Yuan (402,7 Milliarden Euro). Allerdings fielen — dank massiv steigendem BIP — die Anteile des privaten Konsums am BIP von knapp 47 % (1992) auf 38 % (2005). Das ist — bei niedrigen Kapitalzinsen — nicht nur dem erhöhten Sparwillen der Bevölkerung zuzuschreiben. Während die Ersparnisse tatsächlich mit über 40 % des BIP sehr hoch sind, ist der Anteil der privaten Haushalte am Kapital von 20 % des BIP (1996) auf 16 % (2005) gefallen. Der Löwenanteil der Kapitalanlagen liegt also in den Händen der kapitalintensiven Industrien, die relativ wenige Arbeitsplätze schaffen. Gleichzeitig ist nach Schätzung der Weltbank der Anteil der Löhne am BIP Chinas von 53 % (1996) auf 41 % (2005) zurück gegangen. China muss also — um die Binnennachfrage zu stärken — dafür sorgen, dass die Löhne (und damit die Konsummöglichkeiten) stärker ansteigen und neben den kapitalintensiven Industrien das Wachstum des arbeitsintensiven Dienstleistungssektors fördern. Gleichzeitig muss durch höhere Zinsen die Inflation in erträglichen Schranken gehalten werden.
Rund 400 Millionen des 1,3 Mrd. Volkes gehören nicht zu den landläufig als arm geltenden Bauern — sondern sind Handwerker, und vor allem auch Arbeiter und Angestellte in den aufstrebenden Städten und Industriestandorten. Diese aufstrebende Mittelschicht trägt mit ihrem Konsumverhalten zunehmend zur Binnennachfrage des Landes bei. Das klassische Beispiel ist die Autoindustrie: 6,7 Mio. Kraftfahrzeuge wurden im Jahr 2006 in China hergestellt, 26 % mehr als im Jahr 2005 — China gehört nach Japan und den USA zu den größten Autoherstellern der Welt, und der Absatz wird überwiegend durch die Nachfrage im Lande getragen. Über 7,2 Mio. Fahrzeuge wurden im Jahr 2006 in China verkauft — und im Juli 2007 lag der Absatz gegenüber dem Vergleichsmonat des Vorjahres nochmals um fast 37 % höher; China ist inzwischen der wichtigste Auslandsmarkt des Volkswagen-Konzerns.
Bildung — Mangel an Fachkräften:
Chinas Bildungssystem ist aufgrund seiner jahrtausende alten konfuzeanischen Struktur den heutigen Anforderungen nicht gewachsen. Eines der wichtigsten traditionellen Bildungs- und Erziehungsziele der chinesischen Kultur ist die Achtung der Älteren, der Ahnen, deren Kenntnisse und Fähigkeiten die Kinder aus Ehrerbietung und Ehrfurcht ebenso erwerben und nachahmen sollen. Den Absolventen war mit dem mechanischen Erlernen und der Wiedergabe (“Auswendig lernen”) im klassischen China zwar traditionell der Weg in die höheren Beamtenhierarchien geöffnet. Höchster Standard war die möglichst detailgetreue Kopie alter Meister, die Wiedergabe von über Jahrhunderten angesammeltem Wissen. Das ist auch heute noch eine der Ursachen für das mangelnde Unrechtsbewusstsein chinesischer Produzenten, wenn urheberrechtlich geschützte Werke “abgekupfert” werden. Das Abbpausen, das detailgetreue Nachahmen (eingeübt durch hunderte verschiedener Schriftzeichen) gilt (oder galt) als höchste Anerkennung für die ursprüngliche Leistung.
Mit kreativem Denken, was in heutigen Gesellschaften zur Entwicklung neuer Prozesse und Techniken notwendig ist (wer nur ausgetretene Pfade entlang schlurft kann keine neuen Wege entdecken — kreative “Querdenker” werden zur Erkundung neuer Wege und Entwicklung neuer Techniken immer wichtiger), hatte dieses “Pauksystem”, das nach dem Volksmund lediglich “gestopfte Enten” erzeugte, allerdings nichts zu tun. Den Absolventen wird Wissen eingetrichtert, aber Kreativität — die etwa für Problemlösungen erforderlich ist — und Eigeninitiative kommen zu kurz.
Dazu kommt die Erblast der Kolonial- und Maozeit. Noch Anfang der Achtziger Jahre konnte jeder fünfte Chinese weder lesen noch schreiben. China begann daher sehr schnell mit dem Ausbau des staatlichen Bildungssystems — und schon 1993 mit der Zulassung von Privatschulen, die derzeit (Stand 2007) von 15 Millionen Schülern (in 77.000 Privatschulen) besucht werden. Heute (2007) ist aufgrund der Enführung einer Neunjährigen Schulpflicht, die von 9/10tel aller Kinder wahrgenommen wird, nur mehr eine Analphabetenrate von 8 % gegeben. Dazu soll durch das kostenfreie Studium an pädagogischen Hochschulen ein zunehmend größerer Anteil gut ausgebildeter Lehrkräfte den Grundstock für ein effizientes Bildungssystem liefern.
Es bestanden nur wenige Universitäten, und deren Pforten waren unter Mao nicht für die intelligenteren, klügeren Kinder — sondern für den Nachwuchs von Arbeitern und Bauern geöffnet. Die ideologische “Reinheit” war mehr Wert, war wichtiger als Können und Leistung. Erst unter Deg (“Mir ist es egal, ob eine Katze schwarz oder weiß ist — Hauptsache sie fängt Mäuse”) erfolgte nicht nur in der Gesellschaft, sondern auch im Bildungswesen eine Umorientierung nach Qualität und nicht nach ideologischer Reinheit.
Dabei ist aber die Belastung von jahrzehntelangen Versäumnissen zu bewältigen. Die Zahl der 1990 vorhandenen über 1000 Hochschulen (mit damals etwa 3 1/2 Mio. Studenten) hat sich inzwischen nahezu verdreifacht. Noch im Jahr 2007 besitzen aber lediglich 5 % der Chinesen im “Arbeitsalter” (zwischen 25 und 64 Jahren) einen Hochschulabschluss. Noch kurz vor der Jahrtausendwende besuchten nur 9 % aller Jugendlichen eine Universität. 1996 gab es nur 3 Mio. Studenten. Heute (2006) liegt die Quote bei 25 % — oder 17,4 Mio. Studenten, für die Chinas Regierung einen Forschungsetat von umgerechnet 37 Mrd. US-$ bereit gestellt hat. Schwerpunkt der Forschungstätigkeiten sind Gen- und Quantenforschung, Nano- und Informationstechnologie. Bis 2020 soll China mindestens 70 % der für die Wirtschaft erforderlichen Technologien selbst beherrschen. Seit 1995 stiegen die Ausgaben für Forschung und Entwicklung jährlich im Schnitt um etwa 20 % auf (Stand 2011) rund 100 Mrd. US-$. Von 1996 bis 2006 hat sich auch die Zahl der Studenten um das Fünffache vermehrt. Der Promotionsgrad der Absolventen hat von 45.000 auf 190.000 zugenommen.
Derzeit (2007) gibt es über 1700 staatliche Fachhochschulen und Universitäten mit (Stand 2006) rund 17,4 Mio. Studierenden in China, die nach einer gnadenlosen Auslese — nur etwa 58 % der rund 8,8 Mio. Bewerber schafften 2006 die Aufnahmeprüfungen — besucht werden können. Dazu kommt eine steigende Belastung mit Schul- und Studiengebühren.
Innerhalb der staatlichen Hochschulen ist zunehmend eine Elitebildung festzustellen. Die Regierung will über Sonderförderungen insbesondere die 600 Universitäten fördern, die Doktoranden ausbilden dürfen. Unter diesen gibt es wieder eine Spitzengruppe von 100 “Universtitäten des 21. Jahrhunderts”, die besonders gefördert werden. Knapp die Hälfte — etwa 50 Eliteuniviersitäten, die bereits heute weitestgehend dem weltweiten Standard der universitären Bildung entsprechen — erhielten in den Jahren vor 2012 weitere jährliche Sonderzuwendungen von über 5 Mrd. Euro.
Dazu gehören die beiden großen Pekinger Universitäten (Peking-Universität “Beida”, 1898 gegründet, Geistes- und Naturwissenschaften, Medizin, und die Normal-Universität “Renmin”, Sozial- und Wirtschaftswissenschaften — 17.000 Studenten) mit einem Schwerpunkt für Naturwissenschaften. An der bekannten Tsinghua in Peking (ursprünglich 1911 für chinesische Auslandsstudenten gegründet, Ingenieur- und Wirtschaftswissenschaften) hat schon Staatspräsident Hu Jintao studiert. Den Kreis der Pekinger Elite-Unis schließt die UNIVERSITY OF SCIENCE AND TECHNOLOGY IN CHINA (Natur-/Biowissenschaften, IT, angewandte Physik und Nukleartechnologie) ab
Die Fudan-Universität in Shanghai (Geiste.s- und Wirtschaftswissenschaften, Medizin, Umweltforschung, Materialwissenschaft, Luft- und Raumfahrttechnik) gehört ebenfalls zu den Elite-Hochschulen. Die (“deutsche”) Tongji (Shanghai-chinesisch: “Deutsch”) Universität wurde 1907 als deutsche Universität gegründet. Inzwischen wird mit deutschen Partnern aus Industrie (Thyssen Krupp, Volkswagen, VW, BMW, Siemens, Bosch) und Wissenschaft (Kooperation mit 32 deutschen Universitäten) wieder Weltklasseforschung betrieben. 26 Stiftungslehrstühle hat die deutsche Wirtschaft an der Tongji finanziert — mit technischen Schwerpunkten wie Elektrotechnik und Maschinenbau — aber auch Wirtschaftswissenschaften und Wirtschaftsrecht. Chinas Forschungsminister Wang Gang — nach Promotion in Deutschland und Tätigkeit bei Audi — war von 2000 bis 2004 mit einem Forschungsetat von 350 Mio. Euro an der Tongji tätig, insbesondere bei der Entwicklung von Brennstoffzellenantrieben, deren “Treibstoff” aus einem Abfallprodukt der vielen Shanghaier Chemieunternehmen, aus Wasserstoff, besteht. Von 2004 bis Frühjahr 2007 hat Wan sogar als Rektor der Tongji die Kontakte mit Deutschland vorangetrieben. In Shanghai hat auch die 1896 gegründete Shanghai-Jiaotong-Universität (Ingenieurwesen, Infrastruktur, Biotechnologie, Materialforschung) ihren Sitz.
In der Nähe von Shanghai befinden sich auch die NANJING Universität (1902 gegründet, Mathematik, Chemie, Softwareentwicklung sowie Kulturwissenschaften wie Konfuzeanismusforschung) und die ZHEJIANG-Universität (1897 in Hangzhou gegründet, Mathematik und Chemie).
In Guangzhou (bei Hongkong) bildet die 1924 gegründete Sun-Yat-Sen-Univercity mit ihren (1927 von deutschen Professoren geförderten) Medizinstudien (die Uni betreibt 8 Krankenhäuser), mit Wirtschaftswissenschaften und Philosophie einen weiteren Cluster der Gelehrsamkeit.
Die älteste, 1896 gegründete, Elite-Universtität, die Xi’an-Jiatong-Univercity, entstammt der Fusion der Xi’an Medical University mit dem Shanxi Institute of Finance and Economics. Sie ist für ihre Studiengänge in Elektrotechnik, Maschinenbau, Thermophysik und Wirtschaftswissenschaften bekannt. Die TU Xian ist dank einer seit Jahrzehnten bestehenden Kooperation mit der Stuttgarter Hochschule für Medien “Nachwuchslieferant” für die Druckmaschinenhersteller MAN Roland oder Heidelberger Druck.
In diesem Zusammenhang können auch die Bemühungen der chinesischen Regierung angesprochen werden, herausragende exil-chinesische Wissenschaftler mit “besonders attraktiven Angeboten” wieder für die heimische Forschung und Lehre zu gewinnen.
Da die vom Staat nicht so geförderten Hochschulen durch andere Einnahmen selbst versuchen müssen, den eigenen Standard zu heben, stehen die meisten staatlichen Hochschulen nur den Reichen und der neuen Mittelschicht offen stehen.
Eine weitere Alternative ist die Kooperation von Forschungsaktivitäten mit internationalen Konzernen. Dieses Engagement wird durch steuerliche Anreize massiv gefördert. Nach der Zahl der Beschäftigten nehmen dabie IBM, Alcatel-Lucent, Intel, SIEMENS, Microsoft und General-Electric jeweils mit über 1000 Beschäftigten eine Spitzenposition ein, gefolgt von Novartis, Evonik, Roche und Bayer (Stand 2011). Die Kooperation umfasst dabei ein weites Spektrum, das insbesondere IT einschließt und bis zur Pharmazieforschung reicht. Aber auch diese Konzerne werden sich — naturgemäß — vor allem den Spitzeninstituten anschließen, um die eigene Nachwuchsförderung effektiv voranzutreiben.
Die Verlierer des Ausleseprozesses können nur über den Umweg der zwischenzeitlichen Berufstätigkeit oder über die rund 1300 privaten Hochschulen den späteren beruflichen Aufstieg schultern. Diese Hochschulen genießen zum Teil durchaus einen guten Ruf. So haben die “Financial Times” und die “China Business Week” die China Europe International Business School (CEIBS) in Shanghai (Partner der prviaten WHU Otto Beisheim School of Management) hervorragend bewertet. Allerdings sind dort bis zu 20.000 US-$ Studiengebühren für einen MBA-Studiengang zu bezahlen. Die CEIBS hat daher vor allem Studenten, die bereits über ein gutes Jahreseinkommen verfügten und nach dem 3‑semstrigen Regelstudium das Gehalt verfünffachen können.
Dennoch ist es eng geworden, auf dem chinesischen Arbeitsmarkt. Die vielen Hochschulen und Universitäten, die Ingenieure ausbilden, kommen mit der Nachfrage nicht mehr mit, zumal die meisten Absolventen dem boomenden Baubereich angehören. China hat enormen Bedarf an Bauingenieuren — aber auch an allen anderen ingenieurtechnischen Wissenschaften. Obwohl sich die meisten chinesischen Universitäten vor allem als Technische Hochschulen verstehen, fehlt es an allen Ecken und Enden an qualifizierten Fachingenieuren. Die Eliteuniversitäten in Bejing und Shanghai können nur einen geringen Anteil des Bedarfs abdecken, die meisten anderen Hochschulen können derzeit mit dem Spitzenstand der Weltwirtschaft noch nicht mithalten — und Hongkong hat sich vor allem auf die Wirtschaftswissenschaften und die Managerausbildung konzentriert. Die meisten Absolventen von chinesischen Hochschulen könnten daher nach westlichen Maßstäben nicht als Wissenschaftler gewertet werden. Im Jahre 2006 waren von den 600.000 chinesischen Ingenieuren nur etwas über 1/4 auf dem international üblichen Kenntnis- und Wissensstand. Beim Rest handelt es sich um theoretisch gebildete Facharbeiter und ‑ingenieure, denen aber die Praxis der in Europa betehenden berufsbildenden Schulen (“duales System”) fehlt. “Selbst die Lehrer, die an den beruflichen Mittelschulen Praxis lehren sollen, haben oft selbst nie praktisch gearbeitet” zitiert die FTD die Geschäftsführerin der deutschen Außenhandelskammer (AHK) Peking, Jutta Ludwig. Obwohl der Hochschulabschluss daher nicht mehr die Garantie für eine lukrative Stellenzuweisung ist — etwa 1/3 der Absolventen der Pekinger Normal-Universitöt waren noch acht Monate nach dem Examen von 2006 auf Arbeitssuche (und das entspricht dem landesweitem Schnitt) — sind Fachkräfte knapp geworden. Die “Headhunter” der in China agierenden Weltfirmen kooperieren deshalb mit den chinesischen Hochschulen, um die Herausbildung der dort benötigten und raren Fachkräfte zu forcieren, während die chinesischen Universitäten entsprechende Partnerschaften mit westlichen Hochschulen eingehen.
Rund neunzig Prozent der Absolventen eine Berufshochschule finden innerhalb eines Jahres einen ansprechenden Job. Facharbeiter und Fachingenieure können die Gehälter in die Höhe treiben — und haben inzwischen eine Kaufkraft, die den Vergleich mit dem Westen nicht zu scheuen braucht. Die Regierung will daher bis 2010 etwa 1,7 Mrd. $ in die Qualifizierung der Bevölkerung investieren, damit sollen rund 100 Berufsschulen gegründet und 36 Millionen Facharbeiter ausgebildet werden. Dabei sollen auch Firmen bezuschusst werden, die ihren Mitarbeitern entsprechende Fort- und Weiterbildungen ermöglichen. Siemens und andere Weltkonzerne haben inzwischen eigene Trainingscenter gegründet, um den nötigen Nachwuchs an qualifizierten einheimischen Kräften zu bilden. Kleinere Unternehmen arbeiten dagegen oft mit örtlichen Berufsschulen zusammen oder engagieren Trainer für berufliche Qualifikationsmaßnahmen.
Eigenes Investitionskapital:
Zu den Investitionen ausländischer Ineressenten kommt inzwischen die Möglichkeit, chinesisches Kapital abzuschöpfen. Dabei kommt Chinas Regierung die staatliche Bewirtschaftung der gewaltigen Devisenreserven des Landes zu Gute. Aus diesen gefüllten Töpfen können strategische Investition des Landes mit finanziert werden.
Auch die durch das Wirtschaftswachstum wohlhabend gewordenen Chinesen — immerhin bereits 1/3 der chinesischen Milliardenbevölkerung — bringen rund 40 % ihres Einkommens zur Bank — als Vorsorge für Krankheit, Arbeitslosigkeit und das Alter sowie für die Ausbildung des (meist einzigen) Kindes. Diese Ersparnisse sollen nun schon seit Jahren durch immer neue Aktienemmissionen abgeschöpft und damit zur Eigenkapitalaufstockung der chinesischen Unternehmen genutzt werden. Milliardenschwere Neuemmission — das ist fast ein Synonym für die neue Börse in Shanghai geworden.
Der chinesische Chiphersteller Semiconductor Manufactoring International (SMIC) hat bei einem Börsengang rund 1,4 Milliarden Euro erzielt, was eine Verdreifachung der Kapazitäten erlauben würde. Die China Railway Group — im Dezember 2008 zuerst in Shanghai und dann in Hongkong an die Börse gegangen — hat auf dem chinesischen Festland hat die China Railway Group mit 3,383 Billionen Yuan (354 Milliarden Euro) einen Zeichnungsrekord geschafft. Der Börsengang dieses Anlagenbauers profitierte vor allem von den gigantischen Investitionsvorhaben, die China im Bereich des Eisenbahnwesens vor hat. Nach der Fünfjahresplanung wird China von 2006 bis 2010 insgesamt über 115 Milliarden Euro in den Eisenbahnaufbau investieren und 17.000 Kilometer neue Eisenbahnlinien bauen. China Railway Group dürfte zu einem Großteil mit der Ausführung dieser Bauprojekte betraut werden.
Allerdings ist die Bereitschaft der Chinesen, sich an der Börse zu engagieren, nicht unbegrenzt. Als im August 2006 die größte Fluggesellschaft des Landes — Air China — den Börsengang antrat, fiel der Kurs der Aktie kurzzeitig sogar unter den Ausgabepreos — und das, obwohl Air China (als einzige der drei großen chinesischen Fluggesellschaften) im Jahr vor dem Börsengangeinen Gewinn erwirtschaftete. Der noch schwache Aktienenmarkt Chinas, so scheint es im Sommer 2006, ist zunächst erst einmal gesättigt.
Die neue Devise: nachhaltiges Wachstum:
Das Wachstum der Wirtschaft ging bis etwa 2005 zu einem großen Teil auf Kosten der Umwelt. Wer Bilder aus chinesischen Großstädten anschaut — nicht nur aus dem zunehmend von Sandstürmen geplagten Peking — wird sich immer wieder über die Farbe des Himmels wundern. Ein schmutziges graugelb verdüstert den Himmel. Giftskandale in der Mandschurei haben im Winter 2005/2006 auch die russischen Nachbarn aufgerüttelt, weil die Flüsse die giftige Fracht in den Zuflüssen des Amur bis in die russischen Fischerdörfer getragen haben. Die Umweltverschmutzung wird von Fachleuen auf einen Kostenfaktor von jährlich 200 Mrd. $ geschätzt. Wenn China in gleichem Maße wächst wie in der Vergangenheit, wird nicht nur Nordamerika als größter CO² Verbreiter der Erde überrundet, China nimmt sich die Atemluft und das Trinkwasser, China vernichtet seine landwirtschaftlichen Acker- und Weidegebiete, China bringt sich selbst um die eigene Zukunft.
Das hat auch die chinesische Regierung erkannt und propagiert seither verstärkt den Umweltschutz. Der Gelbe Fluß — an der Mündung zum Meer nur noch ein flaches Rinnsal — soll von den Quellen her neu revitalisiert werden. Ein gewaltiges Aufforstungsprogramm wurde ins Leben gerufen, veraltete Fabriken etwa in der Stahlerzeugung sollen stillgelegt werden. Dabei ist auch die Verfeuerung von Kohle — der wichtigste Energielieferant Chinas — in die Kritik geraten.
Externer Link: Nachhaltigkeit wird beim Wirtschaftswachstum hervorgehoben — (www.china.org)