Turkstaaten — Usbekistan


Usbekistan
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Re-Islamisierung und Radikalisierung?
Das Gegengewicht Taschkents ist die alte Han­delsstadt Buchara, die “heilige Stadt” von der aus bere­its im 7. Jahrhun­dert der Islam. In ganz Zen­tralasien ver­bre­it­et wurde. Nach der Eroberung durch die sow­jetis­chen Trup­pen blieb das Khanate Buchara (wie auch das Kanat Chi­wa) unter sow­jetis­chem Ein­fluss zunächst noch beste­hen, bis der let­zte Rest der islamis­chen Wurzeln auch noch zer­schla­gen wurde. Den­noch war Buchara — auch in der Sow­jet­zeit — das Herz des usbekischen Islam, eines gemäßigten Hanafismus.

Während der Zeit der sow­jetis­chen Besatzung hat­ten nur wenige Koran­schulen unauf­fäl­lig über­lebt. Darüber hin­aus bilde­ten sich ver­steck­te Zellen islamisch-türkisch­er Ordens­ge­mein­schaften wie der Tariqat, des “Der­wisch-Ordens” in den alten Stadtk­er­nen sowie auf dem Land, die das islamis­che Gedankengut in famil­iären Bindun­gen aufrecht erhielten.

Die größte Koran­schule der alten Emi­rats-Stadt Buchara nahm in der Sow­jet­zeit eine Freilicht­bühne auf, während heute in der “Mir-e-Arab” wieder Stu­den­ten die Suren des Koran ler­nen.
Nach dem Zer­fall der Sow­je­tu­nion liefer­ten sich Schi­iten, Wahabiten Sau­di Ara­bi­ens und Türken einen Wet­t­lauf um die “ver­lore­nen Glaubens­brüder”.
Die über­aus kon­ser­v­a­tiv­en und restrik­tiv­en Araber stifteten alleine eine Mil­lion Koran-Exemplare, 

Tat­säch­lich sind ger­ade die zen­tralasi­atis­chen Städte die Zellen eines ger­adezu “offe­nen Islam” gewe­sen. Schon der Enkel Tamer­lans — Ulug Beg, ein­er der größten Herrsch­er der usbekischen Gesichte — glänzte auch als Astronom und Math­e­matik­er. Er grün­dete in Buchara (1471) die erste große islamis­che Uni­ver­sität, in der die Schriften des Propheten mit ratio­naler, wis­senschaftlich­er Argu­men­ta­tion unter­sucht wur­den. Diese the­ol­o­gis­che Ana­lytik stellt genau das Gegen­teil zum “Steinzeitis­lam” der Tal­iban dar, der “Koran­schüler”, die wed­er lesen noch schreiben kön­nen, aber mit fanatis­chem Eifer ein­er mit­te­lal­ter­lichen Gesellschaftswelt nach­hän­gen. 
In dieser Tra­di­tion ste­hen heute noch wichtige islamis­che Hochschulen wie etwa in Ägypten (wo die El-Azhar-Uni­ver­sität in Kairo min­destens zwei­hun­dert Koranstu­den­ten aus Usbek­istan beherbergt) oder der Türkei (die mit Istan­bul einen großen kul­turellen Ein­fluss ausübt), und damit im Gegen­satz zu den Wahabiten Sau­di-Ara­bi­ens, die eine sehr rig­oris­tis­che Schrifte­nausle­gung vornehmen.
Auch die heutige Usbekische Regierung fördert diese offene, tol­er­ante Aus­prä­gung des Islam, wobei die jahrzehn­te­lange athe­is­tisch-sozial­is­tis­che Pro­pa­gan­da sich­er auch ein anderes Welt­bild als das des religiösen Fun­da­men­tal­is­mus ver­bre­it­et hat.

Nach der Unab­hängigkeit sick­erten andere, “fremde islamis­che Ein­flüsse” in das Land, das in der Sow­jet­zeit religiös ori­en­tierungs­los gewor­den war.
· aus Sau­di-Ara­bi­en kom­men langsam die rund 300.000 Nach­fahren der usbekischen Bas­matschen zurück, die gegen die rus­sis­chen Erober­er gekämpft hat­ten und inzwis­chen the­ol­o­gis­che Stu­di­en in den wahabitis­chen Schulen betrieben haben,
· in Pak­istans radikale Tal­iban-Schulen wur­den auch (zunächst mit amerikanis­ch­er Förderung, als es gegen die Russen in Afghanistan ging) usbekische Islamis­ten geschult und gefördert
· die Mul­lahs aus dem Iran ver­suchen, im Nach­bar­land die schi­itis­che Denkschule einzuführen,
· Ägypten und die Türkei — die tra­di­tionellen Hochbur­gen der sun­ni­tis­chen Rich­tung des Islam — senden Mis­sion­are
und sie alle erwarten in Usbek­istan eine frucht­baren Boden vor­bere­it­et zu finden.

Ger­ade in Zeit­en von Krisen und wirtschaftlichen Schwächen neigt der Men­sch dazu, sein Heil im Jen­seits, in der Reli­gion zu suchen. 
Beson­dere Schlagzeilen macht derzeit die ver­botene islamistis­che Partei “Hisb al-Tahrir” (HT), die in Kle­in­grup­pen von 5 Per­so­n­en (den Hud­schra) organ­isiert sind und deren dünnes Pilzge­flecht im Ver­bor­ge­nen nach und nach das gesamte gesellschaftliche Lebens Usbek­i­stands überzieht und einspinnt.

Ein Gottesstaat Usbek­istan — das wäre das Ende der in sozial­is­tisch-athe­is­tis­chen Zeit­en geschul­ten staat­stra­gen­den Gesellschaft. Diesen Parteioli­garchen ist eines fremd geblieben — die religiöse Bindung des Volkes, die heute zu einem starken Anwach­sen, ein­er Reis­liamisierung des religiösen Bewusst­seins führt. Auch der jet­zige Präsi­dent Usbek­istans achtet auf eine strenge Tren­nung von Kirche und Staat. Kon­fes­sionelle Parteien sind ver­boten. Die aus dem schi­itisch-iranis­chen Süden erhobene Forderung zur Ein­führung eines islamis­chen Gottesstaates scheint im sun­ni­tisch-türkischen Usbek­istan keinen Wider­hall zu find­en
Kein Wun­der also, dass sich Usbek­istan — wie alle anderen Staat­en Zen­tralasiens — den USA im “Kampf gegen den Ter­ror” als Basis ange­di­ent haben, ohne sich des Schutzes durch rus­sis­che Trup­pen zu berauben. Auch Deutsch­land hat im usbekischen Ter­mes den größten — und wichtig­sten — Stützpunkt zur Ver­sorgung der nach Afghanistan entsandten deutschen Trup­pen eingerichtet.

Allerd­ings erlaubt das Deck­män­telchen der “Ter­ror­bekämp­fung” auch die Unter­drück­ung der eige­nen Oppo­si­tion. Das Mas­sak­er vom Andis­chan im Fer­ga­ba-Tal — bei dem wohl über 700 Demon­stran­ten niedergeschossen wur­den — hat zwar zu schar­fen Protesten west­lich­er Regierun­gen geführt, aber bei Weit­em nicht die Reak­tio­nen aus­gelöst, die auf­grund der west­lichen Reak­tio­nen zum “Mas­sak­ers vom Tien-an-men Platz” in Chi­na zu erwarten gewe­sen wären.