Turkstaaten — Turkmenistan


Turkmenistan

Wirtschaftliche Lage:

Nach der Sow­jet-Zeit wurde Rus­s­land größter Außen­han­delspart­ner des Lan­des, was sich­er auch den in der UdSSR geknüpften Wirtschaftsverbindun­gen und Abhängigkeit­en entspringt. Seit der Machtüber­nahme durch den neuen turk­menis­chen Präsi­den­ten Gur­ban­gu­ly Berdy­muchamme­dow wer­den kleine Schritte  ins­beson­dere zur wirtschaftlichen Öff­nung des Lan­des vollzogen.

Natür­liche Ressourcen:
Das Land ver­fügt über die viert-/fün­ft­größten Erdgas­re­ser­ven der Welt und ist über Gasliefer­un­gen an Rus­s­land indi­rekt auch an der Ver­sorgung Wes­teu­ropas beteiligt. BP schätzt die Gesamtvorkom­men des Lan­des auf 8,1 Bil­lio­nen Kubik­me­ter (Ende 2009). Im Jahre 2009 wurde baber schon ekan­nt, dass  alleine das Vorkom­men von Sod­jolotan-Osman bis zu 16 Bil­lio­nen Kubik­me­ter Erdgas enthal­ten soll. Angesichts sein­er großen Öl- und Gasvor­räte erhoffte sich Turk­menistan nach der Unab­hängigkeit schnellen Reich­tum durch Verkauf zu Welt­mark­t­preisen. Dazu fehlt es aber an Pipelin­e­verbindun­gen. Auf abse­hbare Zeit haben daher Rus­s­land und andere Nach­folges­taat­en der UdSSR das Abnah­mem­onopol und Turk­menistan keine andere Wahl, als die Rohstoffe deut­lich unter Welt­mark­t­preis an Abnehmer wie die rus­sis­che Gazprom abzugeben. Zugle­ich aber wird ver­sucht, sich aus der Abhängigkeit von Rus­s­land zu lösen und über den Iran eine weit­ere Absatzquelle für turk­menis­ches Gas zu gewin­nen — sowie den Pipelinebau nach Chi­na sowie über das kaspis­che Meer nach Aser­baid­schan (mit Anschluss an die “Nabuc­co-Pipeline” über die Türkei nach Wes­teu­ropa) voran zu brin­gen. Zehn Mil­liar­den Kubik­me­ter Gas will Turk­menistan ab 2013 jährlich für die Leitung bere­it­stellen. Allerd­ings erschw­ert die unklare Gren­zregelung auf dem öl- und gas­re­ichen Bin­nen­meer die Errch­tung der Gaspipeline, die für die Verbindung nach Aser­baid­schan erforder­lich ist. Deshalb wird jet­zt über den Ein­satz von Gas­tankern nachgedacht, die das Gas kom­prim­iert über das Kaspis­che Meer nach Aser­baid­schan brin­gen sollen. Eine weit­ere Pipeline soll Öl und Gas durch Afghanistan nach Indi­en leiten.

Wes­teu­ropa, aber auch Rus­s­land, Chi­na, die USA und sog­ar der Iran buhlen um diese Vor­räte. Im Jahre 2006 förderte Turk­menistan über 62 Mrd. cbm Erdgas, die gesicherten Reser­ven wur­den zunächst mit 2,86 Bil­lio­nen cbm (Stand 2007) angegeben, weit­ere 7,5 Bil­lio­nen cbm wur­den noch im turk­menis­chem Sand ver­mutet. Nach Probe­bohrunen wurde 2009 sog­ar angegeben, die Gasvorkom­men von Süd­jolotan-Osman seien um bis zu 15 % höher als die bish­erig­sten opti­mistis­cht­en Schätzun­gen — und betrü­gen alleine fast 16 Bil­lio­nen cbm Erdgas. Selb­st wenn man die vor­sichtigeren Schätzun­gen west­lich­er Konz­erne her­anzieht (BP Stand 2009: 8,1 Bil­lio­nen cbm Erdgas) — die Vor­räte sind gigan­tisch. Es ist also nicht ver­wun­der­lich, dass sich die energiehun­gri­gen Staat­en der Welt um diese Schätze bemühen. Allerd­ings liegen die aus­ländis­chen Investi­tio­nen mit knapp 3 Mrd. $ (Stand März 2008) noch rel­a­tiv niedrig.

Dabei wer­den Förder­l­izen­zen für die leicht erschließbaren Vorkomen auf dem Fes­t­land grund­sät­zlich (mit Aus­nahme der chi­ne­sis­chen CNPC) nicht an aus­ländis­che Fir­men vergeben. Diese sollen lediglich als Dien­stleis­ter ange­wor­ben wer­den — oder aber, sie müssen sich mit den schwieri­gen und Risiko reicheren Vorkom­men im turk­menis­chen Teil des kaspis­chen Meeres zufrieden geben.

Derzeit führt der Hauptweg für Gas­ex­porte über die noch aus der Sow­jet­zeit stam­menden Pipelines nach Rus­s­land. Turk­menistan bekräftigte dazu im Novem­ber 2007 seine Absicht, beim Bau der Kaspi-Gaspipeline nach Rus­s­land mitzuwirken. Außer­dem bestätigte Präsi­dent Berdy­muchame­dow den Wun­sch, die Pumpleis­tung der bere­its existieren­den Rohrleitung „Mit­te­lasien-Zen­trum“ von gegen­wär­tig 50 Mil­liar­den Kubik­me­ter (Stand 2007) auf 70 Mil­liar­den Kubik­me­ter im Jahr aufzu­s­tock­en. Bis zum Jahr 2028 soll die Liefer­menge nach Rus­s­land ins­ge­samt sog­ar auf 90 Mil­liar­den Kubik­me­ter in Jahr steigen. Rus­s­land strebt fak­tisch ein Export­monopol für das turk­menis­che Gas an. Gasprom — der rus­sis­che Gaskonz­ern — nutzt diese Abhängigkeit, um Druck auf Turk­mein­istan auszuüben. So wurde die Tran­sit­pipeline über Rus­s­land von April 2009 bis Jan­u­ar 2010 unter­brochen und danach mit ver­ringert­er Kapaz­ität wieder aufgenom­men, was ein gewaltiges Loch in den Staat­shaushalt Turk­menistans geris­sen hat.

Eine weit­ere Pipeline ist im Mai 2007 zwis­chen Kasach­stan, Rus­s­land und Turk­menistan vere­in­bart wor­den — und eine neue Pipeline soll über das Kaspis­che Meer nach Aser­baid­schan führen, um von dort aus turk­menis­ches Gas in den West­en zu exportieren. Auch das Iner­esse an Nabuc­co steigt. Zudem soll nos 2015 eine Ost-West-Pipeline in Betrieb gehen, mit denen die Ölfelder im Osten und West­en des Lan­des ver­bun­den und der Export dann jew­eils ver­lagert wer­den kann.

Die CNPCChi­nas Nationale Petro­le­um Cor­pa­ra­tion — hat nicht nur einen Liefer­ver­trag mit Turk­menistan abgeschlossen son­dern nutzt von 2009 an auch eine neu fer­tig gestellte Pipeline nutzen, die den Weg über Rus­s­land ver­mei­det und durch Usbek­istan bis nach Chi­na führt.

Gle­ichzeit­ig wur­den die Trans­portka­paz­itäten in den Iran erhöht.

Diese Expan­sion weckt Befürch­tun­gen, ob der Staat über­haupt in der Lage ist, die vere­in­bat­en Liefer­men­gen zu erfüllen.

Bei einem Eigenbe­darf von knapp 20 Mrd. cbm und ein­er För­der­menge von 62 Mrd. cbm (2006) blieben etwas über 42 Mrd. cbm für den Verkauf — aber entsprechende Liefer­verträge über 14 Mrd. cbm an den Iran (2007), Rus­s­land (50 Mrd. cbm ab 2007 für 3 Jahre) und 30 Mrd. cbm (an Chi­na ab 2009 für 30 Jahre) über­steigen diesen Rest. Um die beste­hen­den Liefer­verpflich­tun­gen zu erfüllen muss Turk­meni­stand ab 2007 jährlich min­destens 80 Mrd. cbm Gas fördern. Diese Zahl ist tat­säch­lich erre­icht wor­den. 80 Mrd. cbm Gas wur­den gefördert — 50 bis 55 Mrd. cbm nahm Rus­s­land ab, 8 Mrd. gin­gen in den Iran und der Rest wurde selb­st ver­braucht. Mit 130 $ je 1000 cbm (Stand März 2008) kann Turk­menistan — das weltweit die fün­ft­größten Gas­re­ser­ven besitzt — immer mehr Geld einehmen.

Die Erdga­sein­nah­men ermöglichem dem Land auch den Auf­bau weit­er­er — zum Teil utopisch anmu­ten­der — Wirtschaft­szweige. So wurde ange­blich für 4 Mrd. $ ein neues Ferien­zen­trum am Kaspis­chen Meer errichtet. Zudem ist von der Errich­tung eines großen Fährhafens in Turk­men­baschi, der turk­menis­chen Hafen­stadt am kaspis­chen Meer, die Rede.

Wirtschaftliche Prob­leme:

Turk­menistan hat – wie alle Nach­folges­taat­en der UdSSR – mit mehreren wirtschaftlichen Prob­le­men zu kämpfen:

  • die tra­di­tionellen Wirtschafts­beziehun­gen inner­halb der UdSSR brechen zusammen,

  • neue Absatzmärk­te müssen erst erschlossen wer­den (Infra­struk­tur wie Pipelines)

  • und die poli­tis­che Elite fällt durch ein sehr ein­nehmendes, famil­iäres Ver­hält­nis zu den Staat­sres­sourcen auf. Das Land lei­det an Kor­rup­tion und Willkür.

So sank das Sozial­pro­dukt nach 1991 zunächs um 40–50% — und das bei ein­er vier­stel­li­gen Inflationsrate.

Die äusserst repres­sive Poli­tik der Regierung“Turkmenbachi” scheint allerd­ings die Haup­tur­sache für den wirtschaftlichen Absturz des Lan­des gewe­sen zu sein. Nach einem Bericht der Organ­i­sa­tion “Reporter ohne Gren­zen” (Okt. 2006) wurde das Land von Präsi­dent Saparmu­rat Nija­sow (+ Dez. 2006) im Bere­ich “Presse­frei­heit” nur noch von Nord­ko­rea unter­boten. Aus­ländis­chen Berichter­stat­tern ist der Weg in das Land ver­schlossen, Kri­tis­che ein­heimis­che Jour­nal­is­ten, die nicht inten­siv genug in die all­ge­gen­wär­tige Beweihräucherung des “Turk­men­baschi” mit seinem bizarren Per­so­n­enkult ein­stim­men, wer­den mit Gewalt — die Folter und das “Ver­schwinden lassen” von Per­so­n­en ein­schließt — zum Schweigen gebracht.

Nach dem Tod des despo­tis­chen Turk­men­baschi ver­sucht sein Nach­fol­ger, der ehe­ma­lige Zah­narzt Berdy­muchamme­dow die gröb­sten innen- und außen­poli­itschen Fehlen­twick­lun­gen des Lan­des zu kor­rigieren. Denoch ist die Regierung nach wie vor autoritär, und die Ver­wal­tung inef­fizient und korrupt.

Gibt es für die Turkme­nen „Licht am Hor­i­zont“?
Öff­nung zum Iran und nach West­en:
Nach der Unab­hängigkeit des Lan­des ver­stärk­te sich der Han­delsverkehr mit dem Iran, aber auch der Türkei und den USA, let­zteres vor allem aus den fos­silen Brennstof­fen begrün­det. 
Turk­menistan ori­en­tiert sich wirtschaftlich und poli­tisch noch zum großen Anrain­er­staat des kaspis­chen Meeres, nach Rus­s­land, und zunehmend zum West­en, wobei vor allem die Türkei, die USA und Deutsch­land (als bevorzugter europäis­ch­er Part­ner) als „Anlauf­s­ta­tio­nen“ genutzt wer­den. Deutsch­land ist größter Außen­han­delspart­ner inner­halb der Europäis­chen Union, rang­iert jedoch weit hin­ter Rus­s­land, der Türkei, dem Iran und den USA.
Turk­menistan beab­sichtigt gewaltige Investi­tio­nen. Aus den Mil­liar­den­erträ­gen des Gas- und Ölex­portes (2007 rund 4,5 Mrd. $ Über­schüsse) soll auch die Petro­chemie aus­ge­baut wer­den. Weit­ere Investi­tio­nen im Energiesek­tor betr­e­f­fen die Stromver­sorgung (Kraftwerke) und Infra­struk­tur. Dazu sollen Häfen erweit­ert, Eisen­bahn­lin­ien ver­längert und Straßen aus­ge­baut wer­den. An einem 16 km lan­gen Strand des kaspis­chen Meeres soll ein inter­na­tionales Ferien­zen­rum mit über 50 Hotels unter­schiedlich­ster Qual­ität, Sportan­la­gen und Golf­court entstehen.

Vor allem die Türkei und Iran liefern sich ein „wirtschaftlich­es Wet­tren­nen“ um Ein­fluss in diesem poten­tiellen Förderge­bi­et am Kaspis­chen Meer.
Ins­beson­dere im Baugewerbe wur­den eine runde Mil­liarde US-Dol­lar von den Türken investiert, die sich zur Kom­pen­sa­tion Baum­wolle, Raf­finer­iepro­duk­te (Turk­menistan ver­fügt inzwis­chen über eine eigene Raf­finer­ie) und Erdgas liefern lassen. Baum­wolle ist auch der Aus­gangspunkt für eines der funk­tion­ieren­den Kom­bi­nate ds Lan­des. In der Fab­rik “Turk­men­bashy” in Ash­gabad wird Rohbaum­wolle angeliefert und von 2000 Beschäftigten zu Jeans ver­ar­beit­et — über 3 Mio. Stück ver­lassen jährlich die Fabrik.

Die Türken betreiben einige Joint-Ven­tures wie Hotels und Vorzeige-Tex­til-Kom­bi­nate, die äußer­lich – wie in Ted­schen — recht mod­ern wirken, aber nach Vor­wür­fen der Turkme­nen noch mit altertüm­lichen, aus­ge­musterten Maschi­nen aus ana­tolis­chen Fab­riken bestückt sein sollen, für die man in der Türkei selb­st keine Ver­wen­dung mehr gehabt habe. Im Gegen­zug wer­fen die Türken der Turk­menis­chen Brüdern vor, das fremde Kap­i­tal nicht sehr gut zu schützen son­dern mit willkür­lichen Enteig­nun­gen eher noch der alten Räu­ber­men­tal­ität der turk­menis­chen Stämme nachzuhän­gen. Eigen­tum an Immo­bilien könne nicht erwor­ben wer­den, es fehle an Rechtssicher­heit und binden­der Gesetzgebung.

Re-Islamisierung:
Dieser Wet­tbe­werb spiegelt sich auch im Sakral­bau wieder. Während die Haupt­stadt Aschkhabad noch in der Sow­jet­zeit keine einzige Moschee aufwies, ste­hen heute drei Prunk­baut­en im Wet­tbe­werb – finanziert von der Türkei, den Golf­s­taat­en und dem Iran, wobei die äußere Gestal­tung auch die Herkun­ft der Spender beweist. 
Bis 1995 hat­ten über 200 neue Moscheen im ganzen Land ihren Betrieb aufgenom­men. Diese bauliche Re-Islamisierung wird durch zahlre­iche Koran-Stu­den­ten unter­stützt, die ihre Aus­bil­dung vor allem in Istan­bul und der ehrwürdi­gen Kairoer Al-Azhar-Moschee ver­tiefen, und sich weniger dem stren­gen Islam der Saud­is oder der schi­itis­chen Lehre der Iran­er verpflichtet fühlen. Der Islam wurde vom Turk­men­baschi auch gefördert. Im Auf­trag von Nija­sow wurde in seinem Heima­tort Kiptschak die größte Moschee Zen­tralasiens in Turk­menistan — in der Nähe seines Mau­soleums — errichtet. 

Mil­itärische Präsenz des West­ens:
Im Zuge des „Kriegs gegen den Ter­ror“ haben die Amerikan­er auch in Usbek­istan Posi­tion bezo­gen – und damit ide­ale Aus­gangs­basen gegen den Iran im Süden, aber auch gegen rus­sis­che und chi­ne­sis­che Inter­essen bei der Verteilung der Öl- und Gasvorkom­men gewon­nen. 
In Chanabad/Turkmenistan errichteten etwa 1000 Mann der 10. US-Gebirgs­di­vi­sion einen Luftwaffenstützpunkt. 

Externe Links:
Auswär­tiges Amt der Bun­desre­pub­lik Deutschland

Frieden­spoli­tis­ch­er Ratschlag der Uni­ver­sität Kas­sel:
Der Kampf um das Öl am Kaspis­chen Meer

Zwis­chen Erdöl, Krieg und Krisen
Mas­ter­plan der Energiestrategie