Die orthodoxe Kirche:
Die Türkei ist heute durch und durch islamisch geprägt. Und dennoch ist Istanbul, einst Byzanz und später Konstantinopel, einer der wichtigsten Bischofssitze der christlichen Welt. In Byzanz gründete Andreas — der Ältere und der erstberufene Apostel — eine christliche Gemeinde. In Rom wurde Petrus, dessen jüngerer Bruder, der erste Bischof. Beide Bischofsstühle sind heute noch besetzt, in Rom vom Papst, dem realen Oberhaupt der katholischen Kirche und “Patriarchen des Abendlandes”, im heutigen Istanbul von Ökumenischen Patriarchen, der in der gesamten orthodoxen Christenheit einen Ehrenrang als “Erster unter Gleichen” unter allen Bischöfen der Ostkirche einnimmt. Die “apostolische Sukzession”, die “Segenskette”, die nach (katholischer und orthodoxer) Glaubenslehre die ersten Apostel mit den heutigen Bischöfen verbindet gibt dem Patriarchen von Konstantinopel und den orthodoxen Bischöfen ein besonderes Gewicht auch in der römischen Kirche. Nach Jahren der Beeinträchtigungen ist die orthodoxe Kirche in ihrem Kernland geschrumpft — auf die Größe einer Gemeinde.
Und die Türkei hat für die Christen noch eine weitere “Geschwisterkirche” hervorgebracht. Während Konstaninopel das Zentrum der Orthodoxie wurde ging aus Antiochien die ostkirchliche Tradition der Armenier und Assyrer hervor — so, wie Alexandria die Urkirche der Kopten und Äthiopier wurde.
Mit dem Sturz der Osmanen begann aber zugleich eine der schwierigsten Zeiten für die christlichen Kirchen. 1936 wurde der gesamte Kirchenbesitz entschädigungslos enteignet. Im August 2011 konnte dieses “schwärendes Unrecht” beseitigt werden. Mit einer neu in Kraft gesetzten Verordnung werden alle im Jahr 1936 als Kirchenbesitz enteigneten und zu diesem Zeitpunkt als Stiftungsbesitz angemeldeten Gebäude der christlichen Gemeinden zurück gegeben — soweit diese inzwischen an Dritte veräussert wurden — mit entsprechenden Entschädigungsleistungen für die früheren “abgekauft”. Damit ist — auch wenn die früher, landwirtschaftlich genutzten Klösterbesitzungen nicht berücksichtigt werden — die Rückkehr zu einem (ursprünglich islamischen und heute europäischen )Rechtsstandard gegeben, der allen Religionsgemeinschaften entsprechendes Eigentum etwa an Sakralgebäuden, an Bildungsstätten, Seminaren und Klöstern ermöglicht.