Türkische Streikräfte:
Die türkischen Streitkräfte – mit über 700.000 Soldaten die größte NATO-Armee außerhalb der Vereinigten Staaten – wachen eifersüchtig über das Vermächtnis des Gründervaters.
Mehrfach, 1960, 1971 und 1980 – griffen die Generäle jeweils aktiv in das politische Geschehen ein, erließen eine neue Verfassung und erlaubten dann über Neuwahlen, dem türkischen Staatsvolk wieder eine genehme Regierung zu wählen, ohne sich ein Letztentscheidungsrecht in zentralen Fragen nehmen zu lassen.
Als 1991 der damalige Ministerpräsident Turgut Özal in den Nordirak einmarschieren wollte, um der Türkei die Ölfelder im kurdischen Siedlungsgebiet von Mossul zu sichern, waren es die Generäle, die erfolgreich vor dem militärischen Abenteuer warnten. 1997 erzwang das Militär den Rücktritt des islamisch orientierten Premiers Necmettin Erbakan, dem Führer der islamisch orientierten Wohlfahrtspartei (Refah)
Und die türkischen Streitkräfte sind auch heute noch ein Motor des Fortschritts:
Der 1961 gegründete Armeehilfsdienst OYAK – mit diversen Steuerprivilegien begünstigt – gehört mit Milliardenumsätzen inzwischen zu den größten Investoren und Mischkonzernen (Banken, Versicherungen, Autos, Konserven, Zement) des Landes, und die Türkei als NATO-Partner kann sich dabei durchaus auch auf die Unterstützung – bis hin zur Lizenzfertigung modernster Waffensysteme – der westlichen Staaten verlassen.
So konnten auf türkischen Werften Fregatten des Typs MEKO 200, Schnell- und Minensuchboote deutscher Entwicklung in Lizenz gebaut werden.
Die – noch aus dem 2. Weltkrieg stammenden – 5 sehr alten ex US-Guppy IIA und TANG-U-Boote wurden zwischen 1976 und 1990 durch sechs moderne U‑Boote des Typs 209/1200 ersetzt, wobei drei aus deutschen Materialpaketen in der Türkei zusammengesetzt wurden (ATILAY-Klasse).
Von 1994 bis 1999 kamen Materiallieferungen für vier U‑Boote des Typs 209/1400 (PREVEZE-Klasse) hinzu.
Inzwischen ist die türkische Werftindustire so weit, auch selbst hochwertige Produkte zu entwickeln, die bei islamischen Bruderstaaten angeboten werden und auch erste Exporterfolge verbuchen konnten.
Besonders in Deutschland stößt diese Hilfe wegen der „Kurdenproblematik“ immer wieder auf Kritik. Lizenzverträge deutscher Rüstungsfirmen mit der Türkei waren Thema einer kleinen Anfrage des Bundestags-Abgeordneten Jelpke und der Fraktion der PDS. In ihrer Antwort vom 26. Juli 1999 erklärte die Bundesregierung, daß ihr keine Erkenntnisse vorlägen, dass die Firma Blohm & Voss der türkischen Marine angeboten habe, ihr Korvetten vom Typ MEKO 200 zu verkaufen. Der Bundesregierung sei bekannt, daß in der Türkei zur Zeit Fregatten des Typs MEKO 200 gebaut würden. Ein Bau von Korvetten finde nicht statt. Die Herstellung der Fregatten in der Türkei sei weitgehend abgeschlossen. Material für die letzte Fregatte werde nur noch in geringem Ausmaß bis Jahresende zugeliefert. Auf die Frage, welche Vereinbarungen die Bundesregierung mit der Türkei getroffen habe, um auszuschließen, daß G36-Gewehre der Firma Heckler & Koch nicht gegen die kurdische Bevölkerung zum Einsatz kommen würden, antwortete die Bundesregierung, Vereinbarungen dieser Art seien bei kommerziellen Lieferungen nicht üblich.
Im gleichen Jahr wurden vom „Netzwerk Friedensinitiative“ nicht weniger als 25 angebliche türkische Wünsche zur Rüstungskooperationen aufgelistet:
800–1.000 Transportpanzer Fuchs (Thyssen-Henschel) (davon ca. 800 Lizenzbau)
1.000 Kampfpanzer Leopard IIA5 (Krauss-Maffei-Wegmann)
120mm Panzermunition im MKEK-Lizenzbau (evtl. Rheinmetall)
ca. 500.000 Gewehre HK33E oder G36 (Heckler&Koch/Royal Ordnance)
SS 109 5,56mm Munition (Metallwerk Elisenhütte)
1.500 Granatwerfer (Heckler&Koch/Royal Ordnance)
max. 145 Kampfhubschrauber Tiger (Eurocopter [DASA/Aérospatiale]) (ein Testmodell wurde 1999 über Frankreich geliefert)
150 Leopard I (Krauss-Maffei aus Bundeswehrbeständen)
Panzerhaubitze 2000 (Krauss-Maffei-Wegmann) (z.T. Lizenzbau)
Brückenlegepanzer (Rheinmetall)
Bergepanzer Büffel (MaK/Rheinmetall)
Flak-Panzer auf Leo I‑Basis oder Gepard (Krauss-Maffei)
6 TF 2.000 Fregatten
6 Minenjagdboote (Abeking & Rasmussen/Lürssen)
3 Schnellboote FPB 57 Dogan-Kl. (Lürssen/Taskizak)
4 U‑Boote Kl. 209 (HDW/Thyssen Nordseewerke)
42 Torpedos DM2A4 (Systemtechnik Nord/DASA)
6 Marineaufklärungsflugzeuge CN 235 (CASA/DASA)
2 MEKO 200T-Fregatten (Blohm&Voss)
12 Korvetten zur U‑Boot-Abwehr
8 Patrouillenboote
80 Raketenwarnsysteme für Kampfflugzeuge (DASA)
25 mittlere Transportflugzeuge/FTA
500 Unimog-LKWs (Daimler-Chrysler)
C‑Waffenlabor
Türkei: Panzer statt Menschenrechte — (www.friedenskooperative.de)
Tatsächlich hat Deutschland in den letzten Jahren umfangreich Rüstungsmaterial in die Türkei exportiert:
M‑52 T 155mm RATAC‑S FIM-92 A Stinger FIM-92 C Stinger Frankenthal Kilic MEKO-200T‑2 MEKO-200T‑2 Typ 209/1400 Typ 209/1400 | Türme Radar Flugabwehr Flugabwehr Minensuchboot Schnellboot Fregatte Fregatte Uboot Uboot | 365 197 3.300 1.500 1 1 1 1 2 4 | 1994 1992 1986 1986 1999 1993 1994 1990 1993 1998 | 1995–1996 1995–99 1993–98 1998–2000 2003-04 1994 1998 1996 1998–1999 2003–2006 | - - Komponenten Komponenten + 5 Lizenzen 625 Mio. Dollar + 2 Lizenzen 250 Mio. Dollar + 1 Lizenz 525 Mio. $ (150 Mio. DM Hilfe) Barbaros Klasse Prevez-Klasse 556 Mio. $ Prevez-Klasse |
Quelle: Deutsche Rüstungsexporte — (www.globaldefence.net)
Zunehmende Kooperation mit Europa:
Bereits seit Jahren zeichnet sich ab, dass die türkischen Streitkräfte – und mit den Streitkräften auch das Land – die nach dem zweiten Weltkrieg geübte Fixierung auf die USA zunehmend auf Europa übertragen.
Waren die ersten „modernen Kriegsschiffe“ nach dem II. Weltkrieg noch (ausgediente) Zerstörer und U‑Boote der US-Navy, treten jetzt moderne Fregatten- Korvetten- und U‑Bootbauten europäisch- (deutscher und französischer) Provience in den Vordergrund.
Die türkische Armee – noch in 90ern mit M 47 und M 48 Kampfpanzern ausgestattet – hat sich mit Kampfpanzern Leopard 1 modernisiert, liebäugelt mit dem Leopard II und verfügt inzwischen über zahlreiche gepanzerte Transportfahrzeuge der ehemaligen NVA.
Lediglich bei der Luftwaffe beherrscht amerikanische Technik noch den Himmel.
Dieser „Umorientierung“ der Streitkräfte folgen deutliche politische Signale nach Europa.
Im November 2000 sagte die Türkei eine Beteiligung an der EU-Eingreiftruppe zu.
Die beschlossene Aufstellung einer EU-Eingreiftruppe von ca. 60000 Soldaten und 5000 Polizisten, die im Jahre 2003 einsatzfähig sein sollte, will auch die Türkei – obgleich kein EU-Mitglied – mit beachtlichen Truppen und Gerät unterstützen. Eine solche Unterstützung bedeutet natürlich, den Fuß über die Türschwelle zur angestrebten EU-Mitgliedschaft zu setzen. Die Türkei bot 4000 bis 5000 Soldaten, zwei Fregatten, ein U‑Boot, ein Versorgungsschiff, 40 Kampfflugzeuge und ein Transportflugzeug an.
Aber zugleich zeigte sich Ankara unzufrieden über die von der EU aufgestellten Konsultations- und Beteiligungsregeln für Nichtmitglieder. So besteht die EU auf der „Autonomie“ ihrer Beschlussfassung im Falle eines Krisenmanagements und will jede Verwischung der Zuständigkeiten vermeiden. Ankara beharrt aber, als assoziiertes Mitglied der WEU an den EU-Entscheidungen beteiligt zu werden. Bei der gemeinsamen Sitzung der EU-Mitgliedstaaten der europäischen NATO-Länder und der EU-Beitrittskandidaten legte die Türkei Widerspruch gegen den angemeldeten Beitrag Zyperns zur EU-Eingreiftruppe ein, weil Ankara die griechisch-zyprische Regierung in Nikosia nicht als Repräsentant von Zypern anerkennt. Der immer wieder aufbrechende Streit zwischen Griechenland und der Türkei über die ungelöste Zypern-Frage und über Grenzprobleme in der Ägäis belastet seit Jahren nicht nur die NATO, sondern zunehmend auch die EU. Damit setzt sich dieser Streit nunmehr in der EU fort.
Tatsächlich werden die politischen Gemeinsamkeiten zwischen Türkei und der EU immer enger, während sich die Türkei – früher unverzichtbarer Südostpfeiler der NATO – in Folge der Auflösung des „Ostblockes“ immer mehr auf die eigenen Interessen besinnt.
Der „Wegfall der Bedrohung“ durch den früheren Warschauer Pakt erlaubt, aus der alten bipolaren Weltsicht auszubrechen.
Die Türkei weigerte sich so letztendlich, der amerikanischen Invasion des Irak – im Einklang mit den meisten europäischen Staaten und der überwiegenden Mehrheit der Bevölkerung Europas – eine Plattform für die Errichtung der „Nordfront“ zu gewähren.
Die im Sommer 2003 aufgetretenen Differenzen im Nordirak – US-Soldaten haben türkische Offiziere, die gegen die von den USA unterstützen kurdischen Kräfte vorgingen, festgenommen – zeigen, dass die Interessen der Türkei und der nordatlantischen Großmacht immer weiter auseinander gehen.
Inzwischen scheint sich im Nordirak eine immer tiefer gehende, und wohl auch dauerhafte Interessenkollision zwischen Amerika und der Türkei abzuzeichnen.
Die nordirakischen Turkmenen und deren Schutzmacht, die Türkei, stehen in deutlichem Gegensatz zur Kurdischen Bevölkerungsmehrheit, die von den USA gestützt und dem Vernehmen nach sogar zu Einsätzen im Iran ausgerüstet und animiert werden soll.
Antiamerikanische Gefühle:
In der türkischen Bevölkerung werden dagegen „antiamerikanische Gefühle“ immer deutlicher. Ein Sinnbild dieser Entwicklung ist der Getränkeriese „Coca Cola“. In der Vergangenheit hat die Türkei jedes Jahr einen Absatz von über 1 Milliarde Liter „Cola“ garantiert – etwa 55 % auf den US-Getränkeriesen entfallend, der rund 500 Millionen Dollar in dem Land investierte. Amerikanischer „Life-Style“ war „in“ in der Türkei ; inzwischen macht ein türkisches Konkurrenzprodukt Karriere. „Cola Turka“ – nicht nur in der Namensgebung sondern auch in der Farbgebung der Dosen mit rot und weiß bewusst auf das Nationalgefühl der Türken anspielend – hat innerhalb von wenigen Wochen 19 % des türkischen Cola-Marktes erobert und plant bis zum Jahresende 2003, ein knappes Viertel dieses Absatzmarktes zu beherrschen.
Es wird kolportiert, dass sogar hohe Regierungskreise es als „ayip“ (Schande) bezeichnen, wenn in einem Restaurant nicht die türkische Version des global bekannten braunen Zuckergetränks vorrätig sei. Das Vertriebsnetz des Herstellers Ülkers, das vom türkischen Premier Erdogan vor seiner politischen Karriere auf der asiatischen Seite Istanbuls aufgebaut wurde, wird inzwischen von Erdokans Sohn Ahmet betreut.
Der „american way of life“ wird zusehends in ein nationaltürkisches Derivat verwandelt, was sicher auch auf die zunehmend gegensätzlicheren wirtschaftlichen und geopolitischen Interessen zurück zu führen ist, die seit dem Zusammenbruch der kommunistischen Sowjetunion nicht mehr von einem gemeinsamen Feindbild überlagert wird
Blick nach Osten:
Die Türkei macht sich von US-Amerikanischen Waffenlieferungen unabhängiger, und scheut scih nicht, dabei auch “exotische Lieferanten” in den Blick zu nehmen. Korea Aerospace Industries Ltd. (KAI) hat im Juni 2007 die Ausschreibung für einen neuen “Basic Trainer” der türksichen Luftwaffe gewonnen. Es sollen bis zu 54 Maschinen vom Typ KAI KT‑1 im Wert von 450 Mio $ beschafft werden.
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Externe Links zur Türkei:
www.auswaertigesamt.de
Berichte der Tagesschau:
Die Türkei auf dem Weg nach Europa?