“Als das Öl versiegte, hat Dubai Milliarden investiert. Das Risiko hat sich gelohnt. Heute zieht das Emirat wie kaum eine Region Karrieristen, Kapital und Touristen aus aller Welt an.”
DUBAI:
Dubai gilt unter den sieben Emiraten als richtungsweisend für Ideen und Liberalität. Es hat sich als Finanz- und Verkehrsdrehscheibe etabliert.
Noch vor wenigen Jahrzehnten war Dubai hauptsächlich die Heimat von Dhaus, den typischen arabischen Segelbooten im arabischen Golf und indischen Ozean. Handel und vor allem Perlentaucher — das waren die Haupterwerbsquellen der einheimischen Bevölkerung. Dann allerdings kam der Ölboom: 1967 gingen die ersten Förderanlagen in Betrieb, und seitdem spülen die Erdölpumpen zugleich auch eine immer mehr zunehmende Devisenflut in das ursprünglich 45.000 Einwohner zählende Land. 1985 trug die Förderung gut die Hälfte des BSP Dubais bei. Aber die Mittel sind begrenzt: bis zum Jahr 2015 sollen die Ölvorkommen erschöpft sein. Scheich Mohammed Bin Rashid Al Maktoum, der Führer der Herrscherfamilie, baut daher den Staat kräftig um. Dubai soll — nach dem Beispiel Singapurs — zur Drehscheibe für Handel und Finanzen werden — zumindest der Golfregion, zumindest im Nahen Osten. Der kleine Staat verzichtet auf direkte Steuern (aus Einkommen und Gewinnen) und kennt nur wenige Regulierungsvorhaben. Damit wird Dubai zu einem attraktivnn Investitionsstandort, der vor allem auf Investitionen im Bereich von Handel, Tourismus und Finanzdienstleistungen baut. Dieser Umbau scheint zu gelingen: im Jahr 2006 betrugen die Erdöleinnahmen nur noch knapp 6 % des Sozialprodukts — und schon heute (2005) erwirtschaftet das Emirat rund 2/3 seines BIP aus Handel und Dienstleistungen.
Mit gewaltigem Aufwand — jeder fünfte weltweit tätige Baukran soll sich in Dubai drehen, und die Ergebnisse sind sogar aus dem Weltraum zu sehen — wird ein gigantisches Dienstleistungszentrum, eine hypermoderne Millionenstadt, aus dem Boden gestampft. Rund 30.000 Baukräne kreisen in der Golfmetropole. Von Januar bis März 2006 sind 560 neue Gebäude errichtet worden. Die Freihandelszone “Jebel Ali” mit Hafen (der — 2006 — Weltrangliste nach Nr. 10) und Flughafen, der “Dubai Investment Park”, “Jumeirah Golf Estates”, die “Media Citiy” — mit “Knowledge Village” und “Internet Citiy”, das “Dubai International Financial Center” (DIFC) am Fuß des Emirates Towers, das “Dubai Design Center”, die “International City” und dazu Wohn- und Erholungsgebiete wie “The Palm, Jebel Ali”, “The Palm, Kumeirah”, der Einkaufs- und Hotelkomplex “Marinat Jumeirah” — direkt benachbart der Skihalle “Ski Dubai”, das Luxushotel “Burj al Arab” mit der Global Village, davor im Meer “The World” — ein Inselkomplex, der die Erde nachbildet -, der Vergnügungspark “Dubailand” und und und .… Das zum Jahresende 2007 bearbeitete Bauvolumen addiert sich auf knapp 330 Milliarden Dollar! Über 28 Branchencentren (“cluster”) sind in Dubai entstanden oder im Bau, und bilden jeweils eigene Stadtteile mit immer neuen Ansätzen zur Wertschöpfung — und immer längeren Wertschöpfungsketten.
Microsoft, Cisco, Oracle, Hewlett-Packard, Siemens und SAP haben bereits Niederlassungen in der “Internet City” gegründet, einem Stadtteil, der eine beinahe einzigartige Infrastruktur bietet. Zum Jahresende 2007 haben hier bereits 35.000 Menschen eine hoch qualifizierte Beschäftigung gefunden. In der benachbarten “Media City” hat sich mit dem Fernsehsender “al-Arabia” der schärfste Konkurent von “al-Djasira” dem Nachrichtensender von Katar, etabliert. Auch internationale Agenturen wie die Nachrichtenagentur Reuters haben sich eingemietet. Die Medien profitieren dabei von einer sehr liberalen Gesetzgebung, die wesentlich freier ist als im benachbarten Saudi Arabien oder dem nördlichen Kuwait. Es besteht ein fast uneingeschränkter Internet-Zugang, lediglich Seiten pornographischen Inhalts — und mit Gewaltverherrlichung — sind gesperrt.
Dabei ist Dubai nicht nur auf ausländische Investoren angewiesen, auch inländisches “Kapital” ist vorhanden. Nach dem “World Wealth Report 2005” von Merrill Lynch und Capgemini gibt es zwischenzeitlich über 50.000 Dollermillionäre im Lande. Die neuen Stadtteile sollen mit einer neuen U‑Bahn verbunden werden, um die Verkehrsströme schnell und effizient zu lenken — und die Hersteller des deutschen “Transrapid” träumen von einer Magnetbahnlinie, die von Kuwait bis zu den Emiraten im Golf führt.
Die geographische Lage zwischen Europa, Indien und Australien — den aufstrebenden Mächten im Süden Asiens — bietet eine gute Ausgangslage, um Drehscheibe für den internationalen Handel zu werden.
Der Persische Golf ist der einzige Ort, von dem aus nahezu alle Teile der Welt — zumindest die bedeutenden Wirtschaftszentren — ohne Zwischenlandungen erreichen kann. Innerhalb eines Radius von 6.400 km (entsprechend 8 Flugstunden) lebt mehr als die Hälfte der Weltbevölkerung, 3,5 Mrd. Menschen. Dubai — im geographischen Zentrum der Welt — entwickelt sich zum Drehkreuz für Waren und Passagiere. Obwohl das Emirat selbst nur etwa über 1 Mio. Einwohner hat können 210 Destinationen durch knapp 120 regelmäßig verkehrende Linien- und 30 Charterfluggesellschaften erreicht werden (Stand 2007). Von 7 Mio. Passagieren, die bis 1970 mit 9 Fluggesellschaften aus 20 Zielorten eingeflogen wurden, hat sich die jährliche Passagierzahl auf über 30 Mio. im Jahr 2006 mehr als vervierfacht — und der alte internationale Stadtflughafen wird 2008 seine Kapaziäten mehr als verdoppeln.
Die eigene Fluggesellschaft Emirates soll dabei einen großen Teil des internationalen Passagierverkehrs übernehmen. Mit einem Jahresumsatz von gut 20 Mrd. Euro, anerkannten Luxus bei der Gästebetreuung und dem spartanischen Verwaltungsapparat eines Billigfliegers konnte sich die Airline von der Gründung 1985 binnen 20 Jahren zur weltweit an 19. Stelle liegenden Branchengröße entwickeln — und dabei eine Nettorendite (2005) von 12 % erwirtschaften. Weitere Ausbaupläne — bis 2016 sind Wachstumsraten von jährlich 20 % vorgesehen — bescheren auch den Flugzeugbauern um Airbus und Boeing gute Erträge. Bis Ende 2007 hat Emirates knapp 60 der neuen Großraumjets Airbus A 380 bestellt.
Der nächste Schritt ist nahezu logisch: Dubai Aerospace Enterprise - 2006 gegründet — soll mit einer ersten “Anschbubfinanzierung” von 11 Mrd. Euro von Produktion und Leasing über Wartung und Betreuung von Flugzeugen (mit angeschlossener Universität) bis hin zu Aufbau und Unterhalt von Flughäfen alles anbieten, was in der Welt des Fliegens gut — und teuer — ist. Anfang September 2006 gelang es Abu Dhabi und Dubai gemeinsam, für 1,3 Mrd. $ 90 % des Flugwartungsunternehmens SR Technics aus der Schweiz zu erwerben. Damit ist ein erster Schritt zu einer eigenen Luft- und Raumfahrtindustrie der Golfstaaten gemacht. Neben Dubai Aerospace Enterprise haben vor allem Mubadala Development Company (Abu Dhabi) sowie Isthitmar (Dubai) — beides Investmentfirmen mit nahezu unbegrenztem Etat — die nötigen Mittel aufgebracht.
Knapp ausserhalb der Hauptstadt entsteht eine neue Freihandelszone “Jebel Ali Free Zone”, zwischen dem großen Hafen (dem größten von Menschen gebauten) mit kilometerlangen Umschlagflächen für Container und dem neuen Flughafen “Dubai World”, die bis 2010 der wichtigste Umschlagplatz für die Seeschiffahrt (nicht nur) am Golf werden soll. Innerhalb von zwei Dekaden hat sich die Zahl der im Hafen und der Freihandelszone tätigen Unternehmen von 4 auf 6.300 gesteigert. Dubai-Ports-World (DB-World) mit dem Sitz in Dubai — am weltweit zehntgrößten Umschlaghafen (2006) — ist inzwischen (2006) zum viertgrößten Hafenbetreiber der Welt geworden — mit Dependancen auf dem gesamten Globus und Neubauplänen in den aufstrebenden Schwellenstaaten — China, Indien und Südamerika. Dubai World mit den Dubai Drydocks investiert darüber hinaus weltweit in der Werftindustrie. Die Pan-United Marine und Labroy Marine Werften in Singapur / Indonesien wurden 2007 erworben. An einer chinesischen Werft sollen über 50 % erworben werden, auf der indonesischen Insel Batan werden ab 2009 — gemeinsam mit dem in Dubai ansässigen Stahl-Hersteller Fabtech — rund 300 Mio. US-$ investiert. Gespräche über Wertfbeteiligungen in Thailand und Vietnam runden das südostsiatische Investitionssegment ab. Indien — und sogar Südafrika — sollen als weitere Zielorte für ein weltweites Engagement im Werftensektor im Gespräch sein.
Obwohl ein leistungskräftiger Flughafen zur Verfügung steht, soll ein neuer Hub (Dubai World Center Airport) in Jebel Ali mit der doppelten Kapazität auf 140 km² (“der größte Flughafen der Welt”) und sechs Start- und Landebahnen (vier davon gleichzeitig nutzbar) entstehen — bis zu 150 Mio. Passagiere (vorwiegend Charter- und Billigflüge) und 12 Mio. t. Fracht werden ab 2008 jährlich in Dubais neuem Airport erwartet. Die erste Start- und Landebahn wurde im Dezember 2007 fertig gestellt, der erste Terminal soll 2008 in Betrieb gehen — nur 40 km vom jetzigen Hub entfernt. Und bis 2018 wird um den Flughafen eine neue “Airport City” entstehen.
Dabei bietet eigentlich schon der jetzige, 1959 mit nur einer 1800 m Start- und Landebahn eröffnete Flughafen (Dubai International Airport) mit seinen beiden Start- und Landebahnen alles, was das Herz reicher Konsumenten begehert. Die Passagier-Bereiche sind ein gigantisches Erlebniszentrum mit Einkaufszenter, mit einem Basar, der die üblichen “Duty free shops” in den Großflughäfn der Welt wie Frankfurt oder München nur als Kramerläden erscheinen lässt. Mit zwei zusätzlichen Terminals und einem Kostenaufwand von 4,5 Mrd. $ wird die Kapazität des jetzigen Stadtflughafens bis Ende 2007 auf jährlich 75 Mio. Passagiere ausgebaut, nachdem bereits im Jahr 2006 die Passagierzahl von 30 Mio. die rechnerische Kapazitätsgrenze von knapp 20 Mio. Passagieren um ein gutes Drittel übersteigt. Dubai International Airport arbeitet seit Jahren weit über seinen Kapazitätsgrenzen. Rund 64 Starts und Landungen sind derzeit (Stand 2007) stündlich möglich, und mit dem moderen Terminal Conocurse 2 und dem unterirdisch unter Vorfeld und Rollwegen bestehenden Terminal 3 — die im Mai 2008 in Betrieb gehen werden — kann auch die entsprechende Anzahl von Passagieren durch den Flughafen geschleust werden. Concourse 3 soll im Jahr 2010 folgen — mit 20 Flugsteigen, wovon alleine 18 für den Airbus A 380 ausgelegt werden müssen. Dann soll auch ein weiteres 300 Zimmer Hotel seinen Betrieb aufnehmen.
Einkaufs-Mals — z.T. mit mehreren hundert Läden, Lokalen und Kiosken — warben im Sommer 2006 zusätzlich um zahlungskräftige Käufer. Und noch mehr Projekte sind in Planung.
Finanzkrise 2008 — 2009:
Dubai ist unter allen Mitgliedsstaaten des Golfkooperationsrates von der internationalen Finanzkrise am meisten betroffen. Die Investitionen im Immobilienbereich waren bzw. sind überwiegend durch Kredite finanziert. Europäische und andere internationale Banken hatten viele auf Dollar lautende Vermögenswerte erworben, die sie routinemäßig im Interbankenhandel refinanzierten. Als dieser Markt “austrocknete” brach auch die Finanzierungsgrundlage vieler Immobilienspekulanten in Dubai zusammen. Dies führte zu einer deutlichen Reduzierung der Investitionsleistungen — und damit zur Rückkehr zehntausender Bauarbeiter aus Dubai in ihre Heimatländer.
Da auch die Nachfrage nach Immobilien zusammenbrach — auch hier macht sich die Schwierigkeit, ausreichende Kredite zu beschaffen, bemerkbar — brachen die Immobilienpreise in Dubai von September 2008 bis Januar 2009 um etwa ein Viertel ein.
Analysten gehen aber davon aus, dass Dubai durch entsprechende finanzielle Unterstützung, insbesondere aus Abu Dhabi, Katar und Saudi Arabien in die Lage versetzt wird, die wichtigsten Investionsprojekte — ggf. zeitverzögert und gestreckt — weiter zu führen. Ein Zusammenbruch des Marktes in Dubai könnte nämlich auch die Wirtschaft der benachbarten Staaten in Bedrängnis bringen — und deshalb haben die Mitglieder des Golfkooperationsrates, die sogar an einer gemeinsamen Währung arbeiten, großes Interesse, auch Dubai’s Wirtschaft über die Finanzkrise zu helfen.
Die Nachbarschaft zum Iran hilft Dubai, die Krise zu überwinden. Dubai hat sich zu einem bedeutenden Güterumschlagplatz entwickelt — und ein Teil der Re-Exporte dürfte auch ins nahe Bandar-Abbas, der iranischen Hafenstadt, fließen. Dubai kommt dabei die enge familiäre Bindung zwischen den Familien auf beiden Seiten der Straße von Hormus zu Gute. Etwas 400.000 der sechs Mio. Einwohner Dubais sind Iraner, und ein großer Teil der Staatsbürger hat iranische Wurzeln. Das fördert die Kontakte — und so hat praktisch jede größere Handeslgesellschaft des Iran eine Niederlassung in Dubai. Rund 8.000 iranische Gesellschaften sind in Dubai registert (Stand Sommer 2010) — und auch die iranischen Revolutonsgarden sollen an einigen dieser Unternehmen beteiligt sein und über Bankkonten in Dubai verfügen.