Geschichte:
Die arabische Halbinsel stellt den Kern der arabischen und islamischen Welt dar. Die Wüsten der Region prägten das Land in mehrfacher Hinsicht.
- zum Einen verhinderte die Wüste eine Eroberung durch fremde Staaten, während an den fruchtbaren Rändern (Mesopotamien, “fruchtbarer Halbmond”, Jemen, Oman) zugleich hoch entwickelte Bewässerungskulturen entstanden
- zum Anderen reifte in der kargen und lebensfeindlichen Umwelt ein abstraktes, monotheistisches Gottesbild
- und zum Dritten war der Handel zwischen den Oasen entscheidend dafür, dass aus dem Inneren der Wüste dieses Gottesbild hinaus in die Welt transferiert werden konnte.
Wie wir bereits im Dossier zur Türkei angesprochen haben, waren der Norden und der Westen (Hidjas) der Halbinsel mit den wichtigen islamischen Städten Mekka und Medina unter osmanischer Herrschaft.
Auf der arabischen Halbinsel verbündeten sich Mitte des 18. Jahrhunderts (1744/45) die fundamentalistischen Wahabiten und die Familie Saud auch gegen die religiöse Führung durch den Sultan in Istanbul. Bereits 1802 waren die Wahabiten so stark, dass sie die den Schiiten besonders heilige Stadt Kerbala auf osmanischen Territorium angreifen konnten. Im Frühjahr 1803 erfolgte die Eroberung der heiligen Stätten im Hidjas, und — Gipfel der Machtdemonstration — den Pilgern aus dem osmanischen Reich wurde der Besuch der heiligen Stätten zur Pilgerzeit verwehrt. Die Wahabiten betrachteten den osmanischen Islam mit seiner Heiligenverehrtung als Polytheismus, und damit wurde nicht nur die weltliche Herrschaft der Osmanen sondern auch die religiöse Legitimation des Sultans angegriffen.
Diese — erste — Revolte des fundamentalistisch wahabitischen Islam konnte von den Osmanen nur mit Hilfe ihrer ägyptischen Untertanen unter Muhammed Ali abgewehrt werden. Der Sohn und spätere Nachfolger Alis, Ibrahim, führte ab 1817 den Krieg gegen die Saudis fort, die den Waffenstillstand gebrochen hatten. Er zementierte die ägyptische Herrschaft und drängte die Saudis in die zentralarabische Region von Nedjd zurück, die ausserhalb des osmanischen Herrschaftsgebietes lag. Erst im September 1821 kapitulierte die Wahabitische Rebellion — ein ägyptischer Vizekönig war nötig geworden, um die religiöse Oberherrschaft des türkischen Sultans zu sichern.
Zu Beginn des 19. Jahrhunderts wurde diese wahabitische Bedrohung erneut akut.
Im Jahr 1902 führte der nur 22 Jahre alte Ibn Saud (Abd al-Asis ibn Abd ar-Rahman ibn-Feisal Al Saud) seine Truppen gegen den rivalisierenden Clan der Rashidi und zur Eroberung von Riad, der zentralen Oase der Halbinsel. Die fundamentalistisch fanatisierten Kämpfer, die “Ikhwan”, trugen entschieden zum Sieg der Saudis bei — und der Siegeszug der “Ikhwan” förderte dann auch die Ausbreitung der wahabitischen Ideologie.
1913 folgte die Eroberung der osmanischen Provinz Hasa mit der Provinzhauptstadt Hofuf am arabischen Golf. Die Briten — mit den Osmanen in Konkurrenz um Einfluss und Macht — sahen diese Schwächung der osmanischen Herrschaft sicher nicht ungern. Um die Saudis in die britische Machtpolitik einzubinden, wurde 1915 nach dem Muster der anderen Emirate am Golf ein saudisch-britisches Protektoratsabkommen geschlossen, womit der britische Schutz auf die von Ibn Saud kontrolliertenTerritorien im Zentrum und im Osten der Halbinsel ausgedehnt wurde. Ibn Saud trat im Gegenzug die Regelung seiner “auswärtigen Beziehungen” an die Briten ab und verpflichtete sich, keine Gebiete an eine andere Macht (gemeint war das osmanische Reich) abzugeben oder aggresive Akte gegen die anderen Golfstaaten vorzunehmen.
Zum Kampf gegen die Osmanen wurden Ibn Saud zudem erhebliche finanzielle Mittel und Waffen zur Verfügung gestellt.
Ibn Saud nutzte diese Resourcen, um seinerseits den von den Osmanen ernannten, aber inzwischen mit den Briten verbündeten Haschimiten-Sherif Hussain von Mekka und Medina, anzugreifen. Dieser war durch die Kämpfe gegen die Osmanische Herrschaft mit seinen Kräften gebunden, so dass die Saudis zunächst die Oasenstadt Khurma (im Grenzgebiet zwischen der saudischen Herrschaft im Nedjd und der haschemitischen im Hidjas) an sich brachten. In den folgenden Auseinandersetzungen (1918 bis 1919) errangen die Saudis die Herrschaft über die strittigen Gebiete, und 1924 traten die Saudis zur Eroberung des Hidjas mit Mekka (Oktober 1924), Djidda und Medina (1925) an. Nach der Einnahme des Hidjas (1925) wurde der “Status quo” 1927 durch die Briten auch vertraglich anerkannt und 1932 durch Ibn Saud das Königreich Saudi Arabien gegründet — das sich nach dem Tode Ibn Sauds (1953) immer mehr den USA zuwenden sollte, freilich ohne auf seine wahabitischen Wurzeln zu verzichten.