Der Westsudan:
Darfur (Dharfur), das Land der Fur, die Westpovinz des Sudan an der Grenze zum Niger gelegen, gehört ethnisch nicht zum “arabischen Sudan” sondern zum islamischen Westafrika — oder zu SUDAN-AFRIKA, wie die Sahel-Zone südlich der Sahara bei Geographen und Völkerkundlern auch genannt wird.
Die Lage in der Region Darfur an der Grenze zu Tschad und zur zentralafrikanischen Republik scheint alles andere als ruhig zu sein.
Die sudanesische Regierung verweigerte lange Zeit ausländischen Berichterstattern, ausländischen Diplomaten und Vertretern von Hilfsorganisationen den Zugang in das Gebiet, das von der Westgrenze aus etwa die halbe Entfernung zum Nil einnimmt. Warum?
Offensichtlich findet hier seit dem Sommer 2003 eine Auseinandersetzung statt, die vom islamisch-arabischen Regime als “Banditenproblem” bezeichnet wird. Doch die Nachrichten, die über die Nachbarländer nach draußen dringen, zeigen ein anderes Bild. Danach marodieren bis an die Zähne bewaffnete, arabische Reitermilizen (Jinjawed oder Dschandschawid), die von der arabischen Zentralregierung unterstützt werden, und vertreiben die im Darfur ansässigen schwarzafrikanischen Bauernvölker. Dabei scheint es vordergründig um den Kampf um lebenswichtige Ressourcen zu gehen — um Wasser und landwirtschaftlich nutzbares Weideland, also um den uralten Konflikt zwischen Bauern und nomadisierenden Hirten, wie er im “Alten Testament” schon im Konflikt zwischen Kain und Abel angedeutet wird.
Die Tagesschau berichtet darüber unter
Vertreibung und Terror in Darfur — (www.tagesschau.de)
“Darfur: Arabische gegen schwarze Muslime:
Neben dem seit mehr als 20 Jahren tobenden Bürgerkrieg zwischen dem islamischen Norden und den Separatisten des christlich-animistischen Südens ist Darfur seit mehr als einem Jahr Schauplatz einer zweiten Bürgerkriegsfront in dem afrikanischen Land. In der schon immer schwer zugänglichen Bergregion Darfur leben rund sechs Millionen Menschen: arabische Muslime und schwarze Muslime, die zu den Ethnien der Zagawa, Fur und Masalit gehören. Mit Rückendeckung der Regierung in Khartum versuchen die arabischen Dschandschawid-Milizen, die Schwarzafrikaner mit brutalen Gräueltaten zu vertreiben.
Der Konflikt in Darfur hat seinen Ursprung im Kampf um Ressourcen. Denn die Region versteppt. Die drei Gliedstaaten der Region liegen in der trockenen Sahelzone. Schätzungen zufolge rückt die Wüste jedes Jahr um sechs Kilometer nach Süden vor. Wasserstellen versiegen, Weideland wird knapp. Seit jeher wandern die arabischen Nomaden aus den nördlichen Wüstengebieten während der Trockenzeit nach Süden, wo sie — seit jeher — in Konflikt mit den sesshaften schwarzafrikanischen Bauern geraten.
Während jedoch dieser Streit um Weideland und Wasser uralt ist, ist der Terror gegen die Schwarzafrikaner der Zagawa, Fur und Masalit neu. Schon Mitte der achtziger Jahre rüstete die Regierung in Khartum die arabischen Nomaden zu Milizen auf. Diese nutzten ihre Waffen, um Weidegründe auszudehnen. Die sesshaften Fur wiederum bauten zur Verteidigung ihre eigene Miliz auf. Vor mehr als einem Jahr gründeten sich zwei Rebellenbewegungen: die “Sudanesische Befreiungsarmee” (SLM) und die “Bewegung für Gerechtigkeit und Gleichheit” (JEM), die nun gegen die arabischen Dschandschawid-Milizen kämpfen.”
Aber ist der Kampf um Wasser der einzige Grund für die Massaker? Interessant jedenfalls: mit der Befriedung im Südsudan ist im Westen des Sudan der Konflikt anscheinend erneut ausgebrochen. Und auch hier gibt es wohl wichtige Bodenschätze: Unmittelbar nördlich der Alten Konzessionsflächen zur Erdölsuche im Südsudan hat die Reigerung aus Khartum neue Konzessionsgebiete zur Erdölsuche vergeben, die sich über die gesamte Westprovinz Darfur bis nach Libyen und entlang der ägptischen Grenze bis zum Nil erstrecken. Auch umfangreiche Uran-Vorkommen werden im Anschluss an entsprechende Lager zwischen Tschad und Libyen vermutet.
Tatsächlich hat sich nicht nur der ethnische Konflikt zwischen Arabern im Norden und Schwarzafrikanern im Süden des Landes nun in die westliche Provinz des Sudan verlagert, und es gibt Vermutungen, dass die Nilotisch christlichen Stämme des Südsudan ihre schwarzafrikanischen Vettern in Darfur unterstützen.
Dabei gibt es auch hier jahrhunderte alte Probleme, die “dank der kolonialen Grenzen”, die sich mitten durch die Siedlungsgebiete der einzelnen Völker und Stämme ziehen, immer wieder neu entzünden. Das Sultanat Darfur war bereits vor Jahrhunderten ein stabilier Machtfaktor zwiscehn dem ehemaligen Sultanat Bornu-Kanem, Kern des Nachbarlandes Tschad im Westen und den arabisch-osmanischen Herrschern im Norden. Die Aufständischen gegen die Zentralregierung in Khartum gehören — wie der Präsident des Nachbarlandes Tschad — überwiegend dem Volk der Zagawa oder Haghawa an. Ihre Gegner, die von der Zentralregierung unterstützten Reitermilizen der Dschandscha (auch Dhandjawid oder Fursan) gehören überwiegend zum Volk der Rizikat.
Der erneuerte Konflikt begann im Jahre 2003 mit der systematischen Vertreibung von Schwarzafrikanern durch die Armee und die (arabsichen) Djandjawid-Milizen.
Anfang des Jahres 2004 hatten wir geschrieben:
“Die Prognosen der UN lassen eine Flüchtlingstragödie von gigantischen Ausmaßen erwarten. Bereits jetzt schätzen UN-Experten die Zahl der Vertriebenen auf 600.000 Menschen, von denen bereits jetzt über 10 % in den Tschad geflogen sind — und weitere sind auf dem Weg in dieses Nachbarland. Eine Vertreterin des Welternährungsprogramms prognostiziert weiter steigende Flüchtlingszahlen. Ben Parker — vom UN Büro für humanitäre Hilfe — erwartet ein Desaster, das an das Jahr 1988 anschließen wird, als der Süden des Landes von einer Hungersnot apokalyptischen Ausmaßes getroffen wurde, und Ruud Lubens — Leiter des UN-Flüchtlingshilfswerks — spricht von einem “dramatischen Problem” das der Welt nicht ausreichend bewusst sei.”
Diese Prognosen haben sich — leider — bestätigt. Nach Schätzungen kamen bis Sommer 2006 insgesamt 200.000 Menschen ums Leben. Zwei Millionen Menschen wurden zu Flüchtlingen. In Westafrika spielt sich ein Völkermord ab, der vieles bisher bekannte in den Schatten stellt. Zwar hatte im Mai 2006 eine von drei Rebellenfraktionen aus Darfur einen von der AU vermittelten Friedensvertrag mit Khartum unterzeichnet. Aber obwohl die Afrikanische Union (AU) in Darfur rund 7.000 Soldaten vorhält (FTD v. 26.06.2006) gehen Gräuel und Gewalt weiter. Seither haben die Kämpfe in der Region sogar zugenommen, da — wie die FAZ am 2.09.2006 berichtet — “nicht nur die sudanesische Armee mit den Djandjawid-Reitermilizen gegen Rebellen und Zivilisten vorgehen, sondern die verschiedenen Rebellengruppen sich zudem untereinander bekämpfen.” Auch “die Rebellengruppen haben ebenfalls zahlreiche Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen, so daß zur Zeit in Darfur kaum noch Gut von Böse unterschieden werden” könne.Die Region von der Größe Frankreichs — hauptsächlich aus Wüste und Steppe bestehend, aber auch aus zerklüfteten Gebirgszügen — ist kaum erschlossen und bietet Rebellen, Milizen und Regierungseinheiten eine Vielzahl von Möglichkeiten, sich der Überwachung durch die AU zu entziehen. Daher wird der Ruf nach UNO-Truppen immer stärker. Vor allem die USA — in denen in einer heftige Debatte der Darfur-Konflikt mit den amerikanischen Grundwerten in Verbindung gebracht wird — und Großbritannien haben die Entsendung einer Blauhelmtruppe gefordert. Mit der UN-Resolution 1706 hat die UNO nun am 1. September 2006 die Entsendung von insgesamt mehr als 17.000 Blauhelmsoldaten sowie 3300 Polizisten nach Darfur beschlossen. Diese UN-Truppen Die UN-Soldaten sollen die glücklos agierende, 7000 Mann starke Friedenstruppe der Afrikanischen Union (AU) in Darfur ergänzen ode gar ablösen. Die UN-Truppen werden aber nur effektiv sein können, wenn auch modernste westliche Aufklärungs- und Überwachungstechnik eingesetzt wird. Insbesondere Frankreich, das in den benachbarten sudan-afrikanischen Ländern bereits sit Jahren Truppen stationiert hat, dürfte für eine solche Mission in Frage kommen. Die UNO-Truppen werden daher von Sudans Regierung einer Invasion durch den Westen gleichgestellt, was — so die Befürchtung — auch noch islamische Terroristen anlocken würde, wie dies im Irak bereits geschehen ist. Die sudanesische Regierung hat die UN-Resolution zur Entsendung von Blauhelmsoldaten in die Krisenregion Darfur abgelehnt. Das Land sei bereit, „einer internationalen Invasion die Stirn zu bieten“, zitierte die staatliche Nachrichtenagentur Suna den stellvertretenden Präsidenten Ali Osman Taha. Zudem wurde angekündigt, bis zu 15.000 eigene Soldaten zusätzlich in die Region zu entsenden. Westliche Experten nehmen an, dass dies die Lage in Darfur noch verschlimmern würde.
Inzwischen droht der Bürgerkrieg im Sudan, der sich immer mehr als ethnische Säuberung erweist, auch auf die Nachbarländer überzugreifen. Die Stadt Abeche im Osten des Tschad war tagelang umkämpft — und im Zusammenspiel von tschadschikischen Milizen und den sudanesischen Dschndschawid, den arabischen Reitern, wird der Krieg immer weiter ins Nacharland getragen.Auch im Gebiet von Birao im nördlichen Teil der Zentralafrikanischen Republik — im Grenzgebiet zu Sudan und Tschad — häufen sich die militärischen Zusammenstöße. Französische Beobachter sehen die sudanesische Regierung hinter diesen Konflikten, die nicht nur mit Waffen lokale Rebellengruppen zu unterstützen scheint.
Bis in den Juni 2007 hinein hat der Konflikt hundertausende von Menschenleben gekostet, Zweieinhalbmillionen Sudanesen sind auf der Flucht — überwiegend vor den Reiternomaden, die mit Unterstützung der arabischen Zentralregierung in Khartum in der Provinz marodieren.
Inzwischen unterzeichnete die Regierung in Khartum mit sanftem Druck auch China ein Abkommen, das die Stationierung von 19.000 Soldaten einer gemischten AU-/UN-Friedenstruppe vorsieht.
Soll und kann die Weltgemeinschaft eingreifen?
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