Die wichtigsten Informationen im Überblick:
Regierungsform (Government Type): | Präsidialrepublik (Presidential Republic) | |
Hauptstadt (Capital): | Tunis | |
Einwohner (Population): | 9,895 Mio. (10,3 Mio = 2007 10,4 Mio. = 2010) | |
Fläche (qkm) (Area (sq.km)): | 163.610 | |
Wehretat (Defence Budget): | 449 Mio. $ (2004) | |
BSP/Einwohner (GNP/Capita): | 2.240 US-$ | |
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Daten außer Wehretat dem Fischer Weltalmanach 2005 entnommen, soweit nicht anders vermerkt |
BIP pro Kopf: 8.800,- $ (2007 kaufkraftbereinigt, Quelle: WiWo 22.10.2007)
Wirtschaftswachstum: 5,0 % (2007, Quelle WiWo 22.10.2007); 4,0 % (2010, Quelle €uro 03/2010)
Bevölkerungsdichte: 58 pro qkm.
Hauptstadt: Tunis. Einwohner: 674.100 (1994).
Tunesien ist der kleines Staat der Union des Maghreb, der die nordafrikanisch-arabischen Staaten von Mauretanien über Marokko, Algerien und Tunesien bis Libyen umfasst.
Tunesien liegt an der Mittelmeerküste Nordafrikas, 130 km südwestlich von Sizilien und 160 km südlich von Sardinien.
Die Landschaft ist sehr abwechslungsreich, mit Klippen an der Nordküste und Wäldern im Landesinneren sowie tiefen, fruchtbaren Tälern und Wüsten, steilen Bergen und salzigen Niederungen (Chatt, Salzseen), die z.T. unter dem Meeresspiegel liegen.
Die Bergregion des Atlas (Dorsale) erstreckt sich von der algerischen Nordostgrenze bis zu den Höhenzügen am Golf von Tunis und weist ausgesprochenes mediterranes Klima und entsprechende Landschaften — bis hin zu Bergwäldern und winterlichen Schneefällen in den Bergen — auf.
Die Fahrt in den Süden ist anfangs durch Hochlandsteppen und Hügelland bestimmt, wird dann aber zunehmend flach und trocken. Die wenigen Wasserläufe führen nur nach Regenfällen Wasser, das Land ist durchsetzt von salzhaltigen Becken, die Schotts. Südlich von Gafsa und Gabès beginnt die Sahara.
Vor der über 1000 km langen Küste liegen zahlreiche kleine Inseln, am bekanntesten sind Djerba im Süden und Kerkennah im Osten. Vom Nordwesten bis zum Südosten erstrecken sich Hügel, die mit Pinien bewachsen sind. Dahinter liegen saftiges Weideland, Obstgärten, Weingüter und Olivenhaine.
Tunesien verfügt über rund 9,5 Millionen Einwohner (rund 98 % Araber), die sich auf 163.600 qkm ausbreiten können – aber vor allem im Norden und in der Mitte des Landes leben, wo die nordafrikanische Gebirgskette des Atlas nur 80 Seemeilen von Sizilien entfernt in das Mittelmeer abfällt.
Geschichte:
Tunesiens Küste ist bereits in der Antike durch die phönizisch-libanesische Händlerelite geprägt worden, die nicht nur eine Vielzahl der heutigen Hafenstädte sondern sogar das bekannte Reich der Karthager — heute einem Vorort von Tunis — gründeten. Allerdings begnügten sich die Phönizier mit der Herrschaft an den Küsten, während im Hinterland die Numider und Berber unangetastet herrschten. Nach der Zerstörung Karthagos durch die Römer begann die römische Provinz zur reichen Kornkammer der Römer zu werden. Erst die Vandalen — späte Rache der Geschichte — konnten von Andalusien her kommend die Römer vertreiben und ihrerseits das römische Italien bedrohen, bis Byzanz (ab 534) die (ost-)römische Herrschaft wieder herstellte.
Nach dem Sieg der Araber — ab ca. 647 — wurde Tunesien zum wichtigsten islamischen Stützpunkt. Das etwas abseits im Landesinneren (und damit vor Flotten konkurrierender Mächte sichere) Kairouan, die heilige Stadt Tunesiens, ist mit ihren altehrwürdigen Moscheen nach Mekka, Medina und Jerusalem die vierte heilige Stadt zumindest des sunnitischen Islam. Die wenige Jahre später (732) gegründete Es-Zitouna-Moschee in der Medina von Tunis, deren Medersa auch heute wieder den Rang einer Universität hat, gehört zu den anerkanntesten islamischen Autoritäten. Die Eingliederung maurischer Flüchtlinge aus Andalusien (späte Nachfolger der Wandalen) hat Kunst und Kultur gerade im Norden Tunesiens entscheidend geprägt.
Schon im 16. Jahrhundert fiel das Land unter osmanische Oberhoheit (Ursprung der tunesischen Flagge), die 1881 durch den französischen Herrschaft abgelöst wurde. Vorher erlangte Tunesien aber eine relative hohe Autonomie. Im 19. Jahrhundert war die Stellung der tunesischen Regenten aus der Husainiden-Dynastie so stark geworden, dass — dem ägyptischen Vorbild entsprechend — eigene Reformprogramme durchgeführt werden konnten. Nach dem Vorbild von Muhammad Ali wurde in Tunesien eine eigene Nizami-Armee aufgebaut, eine Militärakademie mit französischen Offizieren errichtet und die Industriealisierung vorangetrieben, um die so entstandene Bauernarmee mit Waffen und Uniformen zu versorgen. 1859 wurde eine Telegrafenverbindung geschaffen, und — wie in Ägypten und im Osmanischen Reich — die Konzession für eine Eisenbahnlinie zwischen dem tunesischen Hafen La Goulette und der Küstenstadt Al-Marsa vergeben. Auch Tunesien erhielt — nach dem Vorbild der osmanischen Dekrete von 1839 und 1856 — eine eigene Verfassung.
Ein Absolvent der Militärakademie war Khary ad-Din, ein Mameluke tscherkessischer Abstammung, der 1839 in Istanbul in den Dienst des Bey von Tunis getreten war. Khary ad-Din entwickelte sich zu einem leidenschaftlichen Vorkämpfer der Reformen in Tunis, die er 1867 in einer weit beachteten Streitschrift voran trieb. Khary ad-Din wurde so zu einem Pendant des Ägypters al-Tahtawi, der seinerseits bereits 1834 die Notwendigkeit von entsprechenden Reformen begründet hatte. Ad-Din forderte darüber hinaus, die Wertschöpfungskette von der Erzeugung von Rohbaumwolle bis zur Verarbeitung in Textilfasern im eigenen Land zu halten. Das ging über die Vorstellungen von Ahmed Bey hinaus, der lediglich eine Industriealisierung etwa in Form von Waffenfabriken, Gießerein, Uniformwebereien und Gerbereien für die Ausstattung der eigenen Nizami-Armee aus Frankreich beschafft hatte. Tatsächlich sollte es sich für Tunesien als Verhängnisvoll erweisen, dass die Entwicklung einer eigenen industriellen Basis auf halbem Weg stecken blieb. Während die Staatseinnahmen mangels weiterer Industriealisierung mit (so die Schätzung ad-Dins) “ungefähr 20 Millionen Piaster jährlich” relativ konstant blieben, stiegen die Ausgaben des Staatswesens massiv an. 1869 musste Tunesien den Staatsbankrott erklären und seine Souveränität an eine internationale Finanzkommission abgeben — nur wenige Jahre, nachdem Khayr ad-Din aus Protest gegen die Schuldenpolitik als Präsident des tunesischen Großen Rates, des tunesischen Parlaments, zurück getreten war.
1881 übernahm Frankreich unter dem Vorwand, einen plündernden Stamm “in die Schranken weisen zu müssen” auch nominell die vollständige Herrschaft über Tunesien. Den kombiniert aus Algerien und über See vordringenden Invasionstruppen konnte der besonnene tunesische Regent, al-Sadiq, keinen Widerstand entgegensetzen. Im Mai unterzeichnete er eine Vereinbarung, mit der Frankreich an die Stelle der osmanischen Oberherrschaft trat.
Im zweiten Weltkrieg von Italienischen und Deutschen Truppen (Rommel) besetzt, und endlich 1956 unabhängig geworden – da hatte das Land im Gegensatz zum Ölreichtum des östlichen Nachbarn Libyen und den Industrialisierungsansätzen des westlichen Nachbarn Algerien recht wenig, um ein eigenständiges wirtschaftliches Leben zu führen.
Der erste und bis 1987 langjährig amtierende Präsident Habib Bourgiba verstrickte sein Land denn auch zunächst – wie Algerien – in sozialistischen Experimenten, bevor er einen marktwirtschaftlichen Kurs einschlug und die natürlichen Ressourcen des Landes genutzt wurden. 1986 wurde mit Unterstützung des Internationalen Währungsfonds (IWF) und der Weltbank ein Strukturanpassungsprogramm eingeleitet. Seither setzt man auf den Rückzug des Staates aus der Wirtschaft, bei gleichzeitiger Förderung der Privatwirtschaft.
Arabellion 2011:
Ist es ein Wunder, dass die “ARABELLION” 2011 von Tunesien ausging? Aus meiner Sicht nicht, denn die im Großen und Ganzen gut ausgebildete Jugend im “Hinterland der Touristenorte” musste miterleben, dass der Norden und Nordosten des Landes wirtschaftlich prosperierte, während im Landesinneren wie um Sidi Bouzid und die Phosphatregion nahe der südwestlichen Stadt Gafsa eine gut ausgebildete Generation — aber kein Arbeitsplatz vorhanden war. Korrupte Behörden und eine brutal auftretende Polizei waren die “Kontakte”, mit denen der Staat seinen Bürgern gegenüber trat.
Aus dem Gemisch — Chancenlosigkeit einerseits und gute Ausbildung andererseits — entstand die Protestbewegung, die von den Jugendlichen und jungen Erwachsenen mittels moderner Medien wie “Twitter” und “Facebook”, mit Handy-SMS u.a. weiter getragen wurde und die MAcht einer Lawine annahm, die den bisherigen Alleinherrscher hinweg fegte.
Nun erhebt sich die Frage, wie sich Tunesien weiter entwickelt. Wird ein radikaler Islamismus in Tunesien die Vorherrschaft erlangen?
Nach meiner Überzeugung schließen sich gute Ausbildung und wirtschaftliche Zukunft einerseits und ein radikaler Islamismus andererseits aus. “Das ideologische Angebot Al Qaidas wirkt auf die heutige Generation der zornigen jungen Leute schlicht schal. Die Macht des “Volkes”, das “Veränderung will”, ist attraktiver als terroristische Gewalt.” — so schrieb Volker Perthes, Nahostexperte und Direktor der Berliner Stiftung Wissenschaft und Politik, im “Eurasischen Magazin”. Eine demokratisch-sekuläre islamische Partei nach dem Vorbild der Türkei, ja, durchaus, aber diese Partei würde zugleich religiöse Menschen an sich binden und radikal-islamistische Verbindungen “austrocknen”. Nach dem Umsturz gingen Säkulare und moderate Islamistische Kräfte eine Koalition ein. Die moderate Islampartei stellt den Premierminister, die säkulare Linke den Präsidenten — und die Streitkräfte beschränken sich auf die Sicherheit des Landes und halten sich ansonsten im Hintergrund.
Tunesien hatte vor 150 Jahren die erste arabische Verfassung — und ist heute Vorreiter der Demokratisierung des Landes, mit der ersten neuen Verfassungsversammlung. Voraussichtlich im Dezember 2012 wird das Ergebnis der Versammlung in einer Volksabstimmung vorgelegt, und die relative starke Mittelschicht des Landes, die vom Tourismus profitiert, will Stabilität.
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