Arabischer Maghreb — Libyen


Libyen Libya

Wirtschaft:
Libyens Wirtschaft beruht auf dem Öl. West­liche Ölfir­men ver­muten unter Libyens Wüsten weit­ere Ölvorkom­men in Höhe von etwa 30 Mil­liar­den Bar­rel – was unge­fähr 3 % der weltweit­en Ölre­ser­ven aus­machen würde. Mehr als genug also, um den etwa 5 ½ Mil­lio­nen Ein­wohnen des Lan­des ein lux­u­riös­es Leben zu bescheren, und auch den Nach­barn noch eine Par­tizipa­tion an diesem Geschenk Allahs zu ermöglichen. 
Dank der inzwis­chen hochtech­nisierten Erdöl­wirtschaft war der ölre­iche Wüsten­staat bis 1978 auch zur reich­sten Nation Afrikas aufgestiegen, die damals über eine halbe Mil­lion Gas­tar­beit­er aus den Anrain­er­staat­en beschäftigte. Das Sozialver­sicherungsnetz umfasste neben der kosten­losen medi­zinis­chen Ver­sorgung und der Alter­srente auch Bezüge für Witwen und Waisen.
1991 kon­nte durch die Fer­tig­stel­lung eines fast 2.000 Kilo­me­ter lan­gen Bewässerungsnet­zes im Osten Libyens – es leit­et Wass­er von einem riesi­gen, fos­silen unterirdis­chen Süßwasser­reser­voir in der Sahara bis zur Küste – die land­wirtschaftliche Nutzfläche erhe­blich ver­größert wer­den. Weit­ere Rohrsys­teme soll­ten bis zum Jahr 2000 die gesamte libysche Küsten­re­gion mit Wass­er ver­sor­gen. Die Kosten des Mam­mut­pro­jek­tes von etwa 28 Mil­liar­den US-Dol­lar wur­den aus Erdöl-Ein­nah­men finanziert. Allerd­ings — diese fos­sile Süßwasser­vor­räte  sind begren­zt.  Libyen muss sich daher andere Wege zur Sich­er­stel­lung sein­er Wasserver­sorgung über­legen. Eine Möglichkeit bietet die Meer­wasser­entsalzung, die allerd­ings sehr energieaufwändig ist.

Im Jahr 2003 lag das Sozial­pro­dukt des Lan­des mit jährlich etwas über – geschätzt — 7.500 US-$ zwar immer noch deut­lich über dem aller anderen nordafrikanis­chen Län­der (auch der „zweitre­ich­ste Staat“ Nordafrikas, Tune­sien, erre­icht nur ein Pro-Kopf-Einkom­men von etwas über 2.000 $) — aber die Ten­denz ist als „fal­l­end“ beze­ich­net wor­den. Die Ölförderung stag­nierte bei mageren 1,3 bis 1,4 Mil­lio­nen Bar­rel täglich, kon­nte nur müh­sam gesteigert wer­den, und es ste­ht zu erwarten, dass die Pro­duk­tion aus den bekan­nten Vorkom­men – ohne neue Investi­tio­nen mit mod­ern­ster Fördertech­nik – in den näch­sten Jahren zusam­men­brechen wird.
Libyen beab­sichtigte daher, noch im Jahr 2003 für bis zu 30 Förderge­bi­ete neue Förder­l­izen­zen zu vergeben, ein Vorhaben, das sich trotz des „Öldurstes“ der west­lichen Welt als über­raschend müh­sam erwies. Seit 2005 exportert Libyen zwis­chen 75 und 80 % sein­er Gas­förderung (10 Mrd. cbm p.a.) nach Ital­ien und 90 % seines Ölex­portes in die EU. Auch hier nimmt Ital­ien (545.000 Bar­rel) vor Deutsch­land (274.000 Bar­rel zu 150 Liter) den vorder­sten Platz bei den Ölkun­den ein. Im Jahre 2006 kon­nte trotz der schlep­pen­den Erhöhung der Förder­leis­tun­gen immer­hin ein Exporter­lös von 36 Mrd. $ (und damit 2/3 des BIP) durch libysches Erdöl erwirtschaftet wer­den. Libyien war in diesem Jahr der viert­größte Erdöl­liefer­ant Deutsch­lands. 25,7 Mrd. Euro wur­den durch Exporte in die EU erwirtschaftet, die selb­st wieder Waren — ins­beson­dere Fahrzeuge und Lebens­mit­tel — für 3,6 Mrd. Euro nach Libyien verkaufen kon­nte (Stand. 2006). Die über­wiegend staatliche Indus­trie liefert 6 % des BIP, die Land­wirtschaft nicht ein­mal 10 %. Libyen kann derzeit (2007) täglich max­i­mal 1,7 Mio. Bar­rel Öl fördern — will aber diese Quoten mit Hil­fe mod­ern­ster west­lich­er Tech­nik bis 2012 auf 3 Mio. Bar­rel erweitern.

Eines der wichtig­sten Pro­jek­te, um die Wirtschaft­sen­twick­lung eines Lan­des anzukurbeln, ist die ständi­ge Verbesserung der Infra­struk­tur. Nur so kön­nen Waren wie z.B. Rohstoffe immer schneller und kostengün­stiger vom Erzeuger zum Ver­brauch­er trans­portiert wer­den. Nur mit ein­er entsprechen­den Infra­struk­tur lassen sich touris­tis­che Ziele erschließen — ganz abge­se­hen davon, dass schon seit langem bekan­nt ist, welche strate­gis­che Bedeu­tung Verkehrsmit­tel wie etwa die Eisen­bahn für die Ver­legung von Trup­pen und die Ver­sorgung haben. Nun, an let­zteres denkt die Regierung des Lan­des wohl eher nicht, wenn sie sich um die Ein­rich­tun­gen von Bahn­lin­ien bemüht. Bis vor kurzem hat­te Libyen noch gar keine Schienen­streck­en. Erst 2006 beschloss , alle großen Städte des Lan­des mit Eisen­bah­n­verbindun­gen auszus­tat­ten.
Die rus­sis­che Eisen­bahn AG (RZD) hat im April 2008 einen ersten Großauf­trag in Libyen erhal­ten. Das Unternehmen wurde für etwa 2,2 Mrd. Euro mit dem Bau der 554 km lan­gen Strecke Ben­gasi – Sirt ent­lang des Mit­telmeeres beauftragt.

Investi­tion­shin­dernisse:
Bei seinen Investi­tions­be­mühun­gen wurde Libyen vor allem von der Staats­bürokratie gebremst. Die Wirtschafts­frei­heit ist nach Aus­sagen der amerikanis­chen Her­itage Foun­da­tion lediglich noch in Nord­ko­rea und Kuba mehr eingeschränkt als in Libyen. Die Bedin­gun­gen für die Ver­gabe von Förder­recht­en sind sehr restrik­tiv. Den­noch möchte Win­ter­shall (Bay­er-Konz­ern) ab dem Jahr 2007 über mehrere Jahre hin rund 700 Mil­lio­nen Euro in die Erdölförderung Libyens investieren.

Da die Unter­gren­ze für aus­ländis­che Investi­tio­nen bei 50 Mio. $ lag (2006 auf 4 Mio. $ reduziert) beschränk­ten sich die Investi­tio­nen aus­ländis­ch­er Fir­men in Libyen haupt­säch­lich auf den Öl- und Gassektor.

Ein weit­eres Prob­lem ist die Energiev­er­sorgung. Inzwis­chen beab­sichtigt Dae­woo (Süd­ko­rea) für rund 900 Mio. $ zwei Gaskraftwerke zu erricht­en, und Frankre­ich hat im Juli 2007 die Liefer­ung eines Atom­kraftwerkes zuge­sagt, das ins­beson­dere die Energie zur Meer­wasser­entsalzung liefern und noch Jahre nach sein­er Fer­tig­stel­lung von franzö­sis­chen Tech­nikern bedi­ent wer­den soll. Das Kraftwerk würde Are­va NP gebaut, eine Tochterge­sellschaft (auch Siemens ist mit 34 Prozent beteiligt) der staatlichen franzö­sis­chen Nuk­learhold­ing Are­va. Libyen ver­fügt schon seit 1979 über einen von der Sow­je­tu­nion geliefer­ten Forschungsreak­tor in der Nähe von Taschu­ra, östlich der Haupt­stadt Tripo­lis. Hier arbeit­en etwa 750 libysche Tech­niker, die teil­weise noch in den USA aus­ge­bildet wur­den. Bis zur Auf­gabe des libyschen Atom­bomben­pro­grammes (Ende 2003) wurde das geringe, atom­waf­fen­fähige Uran, das sich Libyen ver­schaf­fen kon­nte, dort gelagert. Im Jahr 2004 über­gab Libyen seine Vor­räte an angere­ichertem Uran an die Inter­na­tionale Atom­en­ergiebe­hörde IAEA. Der in Taschu­ra erzeugte Strom wird u.a. für eine von Deutsch­land errichtete exper­i­mentelle Meer­wasser­entsalzungsan­lage ver­wen­det, in der täglich etwa 1.000 cbm Wass­er auf­bere­it­et wer­den. Auch Rus­s­land hat im Dezem­ber 2007 seine Bere­itschaft erk­lärt, Libyen bei der Nutzung der Atom­en­ergie für friedliche Zwecke zu unterstützen.

Libyen soll 1600 Ton­nen Uran auf Lager haben und über erhe­blich uner­schlossene Uran­vorkom­men ver­fü­gen; Libyen hat sowohl den Nichtver­bre­itungsver­trag als auch das Zusatzpro­tokoll unterze­ich­net, das der Inter­na­tionalen Atom-Agen­tur jed­erzeit inten­sive Kon­trollen ermöglicht.  Insofern scheint die Atom­kraft eine Alter­na­tive für die eigene Energiev­er­sorgung zu sein, denn auch die libyschen Vor­räte an Gas und Öl sind nicht unendlich.

Den­noch ist das Land auf dem UN-Index (Bew­er­tung von Lebens­stan­dard, sozialer Sicherung, Gesund­heitsvor­sorge usw.) weltweit an 58. Stelle und in Afri­ka führend. Alle anderen afrikanis­chen Nach­barstaat­en sind deut­lich abgeschla­gen (Stand 2006). Gaddafi möchte diesen Rang behal­ten, wenn nicht sog­ar verbessern: bis Juni 2007 soll jedes Schulkind einen Lap­top erhal­ten, um über das Inter­net Zugang zum weltweit zunehmenden Wis­sen zu bekommen.

 

Neues Stand­bein — Touris­mus:
Das Ende der libyschen Ölre­ser­ven ist abse­hbar. Deshalb will Libyien bis zum Jahr 2010 rund 26 Mil­liar­den Euro zur Förderung des Touris­mus investieren. Die derzeit (2006) jährlich 300.000 Besuch­er — meist Lieb­haber röm­sich­er Ruinen, unberührter Strände und Oasen — sollen nach dem Besip­iel Tune­siens den Grund­stock für eine “weisse Indus­trie” bieten. Für die Infra­struk­tur — für Massen­touris­mus und wirtschaftliche Pros­per­ität unverzicht­bar — möchte Libyen von 2007 bis 2012 ins­ge­samt 30 Mrd. Euro ver­wen­den.  Für rund 1,4 Mrd. $ soll Tripo­lis einen neuen inter­na­tionalen Flughafen erhal­ten. Die Haupt­stadt Tripo­lis — bish­er Sprung­brett für Stu­di­en­reisen zu den antiken Stät­ten — soll zudem mit Wolkenkratzern, Grü­nan­la­gen und Strand­bars zu einem Mek­ka für erhol­ungssuchende Europäer wer­den, wobei die hin­er meter­dick­en Stadt­mauern erhal­tene Med­i­na, die Alt­stadt mit römis­chen Mauern und osman­is­chen Häusern dur­chaus zu einem Anziehungspunkt wer­den kön­nte. Aus dem Mot­to, dass jede Form der Dien­stleis­tung als “Ver­sklavung des freien Men­schen” zu sehen sei, ist eine völ­lige Neuori­en­tierung gewor­den. Schon heute gibt es pri­vate Hotels mit allem Kom­fort. Luxu­sho­tels sind in Pla­nung, die Banken wer­den pri­vatisiert und eine Börse soll eröf­fent wer­den, um Kap­tial für die vorge­se­hene Pri­vatisierung des Wirtschaft­slebens zu sam­meln. Das mar­o­de Gesund­heitswe­sen — der jahre­lane Prozess um die ange­blich von bul­gar­ischen Kranken­schwest­ern absichtlich mit HIV infizierten Kinder hat die Män­gel ausser­halb des Lan­des pub­lik gemacht — soll eben­falls mas­siv verbessert wer­den. Hier wer­den 360 Mio. Euro aus Europa für eine libysche Stiftung erwartet. Bul­gar­ien hat hierzu bere­its einen Schulden­er­lass von knapp 40 Mio. E zugun­sten der Stiftung erk­lärt, und die EU-Kom­mis­sion hat angkündigt, die Haushalt­shil­fen der EU von zulet­zt (2006) 2,5 Mio. E bis 2011 auf 12,5 Mio. E zu verfünffachen.