Iranische Staaten — Pakistan

Außen­poli­tis­che Ori­en­tierung:
Ein Staat auf der Suche nach seinem Stan­dort.
Pak­istan ist let­z­tendlich das vom Mil­itär getra­gene Gegengewicht zu Indi­en. 
Während Indi­ens Außen­poli­tik betont um Bünd­nis­frei­heit bemüht war, schloss sich Pak­istan mit Freuden dem amerikanis­chen Pak­t­sys­tem als “Boll­w­erk gegen den Kom­mu­nis­mus” an.
Dies zeigte sich beson­ders von 1979 bis 1989, als die USA von Pak­istan aus die Muja­hedin — die Frei­heit­skämpfer Afghanistans (die spätere Nordal­lianz) gegen die UdSSR unter­stützten, die Afghanistan beset­zt hat­te.
Als die Sow­je­tu­nion Afghanistan ver­lassen hat­te, suchte Pak­istan (aus dem unmit­tel­baren Inter­essens­bere­ich der USA her­aus­ge­fall­en) die “islamis­che Allianz” mit dem Iran, ange­blich wur­den Mitte 1990 sog­ar iranis­che Offiziere in Pak­istan ausgebildet.

Nach­dem Chi­na im Gren­zkrieg gegen Indi­en siegre­ich blieb, erfol­gte auch eine Annäherung an Indi­ens Geg­n­er im Nor­den. 
Mit Amerikas Waf­fen­hil­fe und der “wohlwol­len­den Neu­tral­ität” Chi­nas sollte das Kaschmir­prob­lem im Spät­som­mer 1965 mit Gewalt gelöst wer­den — doch Indi­ens Stre­itkräfte blieben siegre­ich, worauf Pak­istan eine Gewaltverzicht­serk­lärung unter­schreiben musste, um den Abzug indis­ch­er Trup­pen auf die ursprünglichen Waf­fen­still­stand­slin­ien zu erwirken.

Auch in weit­eren Waf­fengän­gen um Kaschmir blieb Indi­ens Armee siegre­ich — ein let­zter Ver­such Pak­istans endete 1971 mit der Unab­hängigkeit Ost­pak­istans, des jet­zi­gen Banglade­sch. Der Ver­such der USA, mit der Entsendung ein­er Seestre­itkraft die wirkungsvolle Block­ade Ost­pak­istans durch indis­che Seestre­itkräfte zu durch­brechen, blieb zudem nur eine leere Geste. 
Der Krieg endete mit der Teilung des Lan­des und gle­ichzeit­ig der Zusicherung Pak­istans, die Stre­it­fra­gen in Kaschmir in bilat­eralen Gesprächen lösen zu wollen. Damit wurde von Pak­istan sowohl eine “Inter­na­tion­al­isierung” des Kon­flik­ts über die Vere­in­ten Natio­nen wie auch die von Pak­istan lange geforderte Volksab­stim­mung über die Staat­szuge­hörigkeit Kaschmirs aufgegeben. 
Seit 1980 ver­stärken sich erneut die Angriffe von “Frei­heit­skämpfern” in Kaschmir, deren Ein­satz wohl von der pak­istanis­chen Armee gefördert wurde. Die Armee hat­te großes Inter­esse, den Kon­flikt mit Indi­en nicht erkalten zu lassen, um weit­er­hin umfan­gre­iche Ressourcen des Staates für sich beanspruchen zu können.

Pak­istan war immer bestrebt, mit dem über­mächti­gen Nach­barn gle­ichzuziehen. Auf kon­ven­tionellem Gebi­et war dies — wie die Nieder­lage von 1971 zeigte — wohl nicht zu erre­ichen. Der Präsi­dent Pak­istans sprach deshalb schon 1971 von der “Islamis­chen Bombe”, die Pak­istan erwer­ben müsse. 
Indi­en nahm diese Her­aus­forderung an und demon­stri­erte bere­its 1974 mit einem nuk­learen Sprengsatz, dass es auch auf diesem Gebi­et dem konkur­ri­eren­den Zwill­ingsstaat über­legen war. Weit­ere Tes­t­ex­plo­sio­nen Indi­ens sollen 1995 auf amerikanis­chen Druck hin unterblieben sein.
Den­noch ging das nuk­leare Wet­trüsten auf bei­den Seit­en weit­er, bis 1998 bei­de Staat­en kurz hin­tere­inan­der den möglichen Ein­satz von Atom­waf­fen durch Tes­t­ex­plo­sio­nen andro­hen konnten. 

Eigentlich hätte damit nach der The­o­rie der “nuk­learen Abschreck­ung” und der erre­icht­en Par­ität das gegen­seit­ige Wet­trüsten been­det wer­den müssen.
Tat­säch­lich gab es auch 1999 erste Anze­ichen auf eine Frieden­skon­ferenz zwis­chen den bei­den ungle­ichen Nach­fol­gern der britis­chen Kolonie — allerd­ings wurde diese Rech­nung ohne die islamis­chen Eifer­er gemacht, die seit 1980 — von Pak­istan zumin­d­est toleriert — de fac­to die Macht im pak­istanis­chen Gren­zge­bi­et von Kaschmir über­nom­men hat­ten.
Dazu kam die Exis­tenz der Pun­jabi-Armee — des pak­istanis­chen Mil­itärs. Dieses hat­te bish­er als staat­stra­gende Macht vom Wet­trüsten mit Indi­en prof­i­tiert — das Mil­itär musste zeigen, dass auch weit­er­hin eine starke kon­ven­tionelle Rüs­tung erforder­lich war.

Dies geschah durch einen Über­fall, den die pak­istanis­chen Trup­pen von stark befes­tigten Berg­stel­lun­gen aus auf die strate­gis­che wichtige Nach­schub­straße der Inder von Sri­na­gar nach Leb (bei Kargil) durch­führten. 
Ein kon­ven­tioneller Flanke­nan­griff hätte Indi­ens Trup­pen über die Waf­fen­still­stand­slin­ie geführt und damit die Gefahr der nuk­learen Eskala­tion her­auf­beschworen. 
Indi­ens Stre­itkräfte mussten daher müh­sam vom Tal her gegen die Berg­stel­lun­gen der Pak­istan­er anren­nen — eine Zurück­hal­tung, die von den USA mit Anerken­nung zur Ken­nt­nis genom­men wurde. 
Erst stark­er diplo­ma­tis­ch­er Druck — die Amerikan­er braucht­en Pak­istan als Ver­bün­dete im Ein­satz um Afghanistan — führte zur Beendi­gung der Stre­it­igkeit­en und zum Rück­zug der pak­istanis­chen Einheiten.

Der tas­tende Ver­such, auf der Basis der gegen­seit­i­gen “Unan­greif­barkeit” zu ein­er Eini­gung zu kom­men, waren gescheit­ert. Indi­en set­zte sein kon­ven­tionelles und atom­ares Wet­trüsten fort. 
Dies führte zu weit­eren Waf­fen­forderun­gen auch der pak­istanis­chen Armee, geschürt durch z.T. heftige Schuss­wech­sel (z.B. zum Jahreswech­sel 1995/96) in Kaschmir, was dazu führte, dass Pak­istan in jüng­ster Zeit am Rande des Staats­bankrotts stand. 
Die finanzielle Lage Pak­istans war bis zur Jahrtausendwende prekär (siehe Folge­seite “Wirtschaft”) — und gle­ichzeit­ig gewan­nen und gewin­nen mus­lim­is­che Eifer­er und Islamis­ten immer mehr Zulauf im Volk. 
Der Zusam­men­bruch eines atom­ar bewaffneten Staates und die Machtüber­nahme durch religiös motivierte, islamis­che Eifer­er kön­nte zu ein­er der gefährlich­sten Sit­u­a­tio­nen seit dem Ende des “Kalten Krieges” führen.

Seit dem Anschlag auf das World-Trade-Cen­ter im Sep­tem­ber 2001 sieht sich Pak­istan zudem als “Frontstaat” in die Koali­tion gegen den Ter­ror­is­mus ver­wick­elt. 
Die USA ver­suchen zwar, bei­de Staat­en in diese Koali­tion einzu­binden — was von Indi­en mit seinem Prob­lem in Kaschmir gerne aufgenom­men würde — doch der Kon­flikt in Afghanistan macht den Nach­barn Pak­istan für die USA zum unverzicht­baren und daher umwor­be­nen “Frontstaat”. 

Aus den Schlupfwinkeln in der pak­istanis­chen Gren­zre­gion um Quet­ta, der Haupt­stadt Belutschis­tans, sick­ern die Tal­iban mit immer stärk­erem Rück­halt in der Bevölkerung in das Sied­lungs­ge­bi­et der Paschtunen in Afghanistan ein. In den Koran­schulen der Armen rekru­tiert sich der von islamis­chen Agi­ta­toren indok­trinierte Nach­wuchs der Tal­iban. Diese Agi­ta­toren gehören der pak­istanis­chen Gesellschaft an. Sie sind in der Jami­at-Ule­ma-i-Islam und dem poli­tisch ein­flussre­ichen Islamis­ten­bünd­nis Mut­tahi­da Majlis-i-Amal (MMA) organ­isiert. Mit Unter­stützung des pak­istanis­chen Geheim­di­en­stes wer­den — wie der SPIEGEL noch am 20.11.2006 berichtete — die Tal­iban-Kämpfer in pak­istanis­chen Train­ingscamps aus­ge­bildet und nach Afghanistan geschleust. 

Der so beze­ich­nete Befreiungskrieg der radikalen Islamis­ten Afghanistans rei­ht sich dabei ein in den Befreiungskrieg um Kaschmir, der von Pak­istan aus gegen Indi­ens Vorherrschaft in diesem Gren­zge­bi­et vor­ge­tra­gen wird. 

Ist es ein Zufall, dass die Tal­iban-Führer aus Afghanistan genau­so wie mus­lim­is­che Wider­stand­skämpfer aus Indi­en Zuflucht in Pak­istan find­en? Ist es ein Zufall, dass indis­che und pak­istanis­che Arbeit­er genau­so wie reiche mus­lim­is­che Exi­lanten aus Indi­en jahre­lang in den reichen Ölstaat­en auf der ara­bis­chen Hal­binsel tätig sind? Soll­ten diese Exil- und Arbeit­er­be­we­gun­gen auch von fun­da­men­tal­is­tis­chen Agi­ta­toren genutzt wer­den? Unter der Ebene der offiziellen Poli­tik der Regierun­gen scheint sich in dun­klen Kanälen eine fun­da­men­tal­is­tis­che Strö­mung bre­it zu machen, die im Kampf gegen die “Ungläu­bi­gen” eine islamis­che Rekon­sti­tion und die Errich­tung eines “Gottesstaates” zum Ziel hat — und bei ein­er Machtüber­nahme in Pak­istan über die “islamis­che Bombe” ver­fü­gen kann. 

Mehr als 80.000 Sol­dat­en sich­ern aus ein­er Kette von regelmäßi­gen Mil­itär­posten die 600 km lange, durch­läs­sige Gren­ze zwis­chen den pak­istanis­chen Wasiris­tan und den afghanis­chen Regio­nen von Pak­tia und Kost, eine Gren­ze, die das Stammes­ge­bi­et der Paschtunen zer­schnei­det und so löcherig ist wie eine Scheibe Schweiz­er Käse. Denn die  Paschtunen sind geübte Schmug­gler und Gren­zgänger. In den Achtziger Jahren wur­den sie dazu von amerikanis­chen  Elitesol­dat­en im Gueril­la-Krieg gegen die in Afghanistan ein­marschierten Sow­jets aus­ge­bildet — und mit wohlwol­len­der Unter­stützung durch den amerikanis­chen und pak­istanis­chen Geheim­di­enst von radikalen saud­is­chen Geistlichen indok­triniert. Die sein­erzeit gegrün­de­ten Koran­schulen und deren Ableger bilden auch heute noch die Speer­spitze der islamistis­chen Bewe­gung in Pak­istan. Es waren paschtunis­che Kämpfer, die immer von einem eige­nen Staat “Paschtunistan” geträumt haben und mit den Tal­iban, den Gotteskriegern, nach dem Abzug der Sow­jets die Macht in Afghanistan über­nah­men. Dieser erst “paschtunis­che Staat” wurde von den west­lichen Alli­ierten im “Krieg gegen die Al Quai­da” über­ran­nt, und nach­dem die paschtunis­chen Kämpfer in ihre Stammes­ge­bi­ete zurück gekehrt waren dro­ht­en die USA im Som­mer 2007 sog­ar, die “Extrem­is­ten­lager” im Kernge­bi­et der Stammeskrieger zu bom­bardieren, die sich in Pak­istan seit der Staats­grün­dung von 1947 wenig­stens eine weit­ge­hend autonome Region erhal­ten hat­ten. Auf dieser Grund­lage entwick­elt sich ein zunehmender, von pak­istanis­chen Mil­itärs nur wieder­willig geführter Bürg­erkrieg, bei dem die Armee mit Kampf­flugzeu­gen und Kampfhub­schraubern gegen die zune­he­mend um ihre Unab­hängigkeit kämpfend­en Paschtunen vorgeht. 
 
In let­zter Zeit mehren sich Stim­men, die eine “Rück­kehr der Gotteskrieger” fest­stellen. Nach einem Bericht der FTD vom 14. August 2008 soll es sog­ar Zusam­men­hänge zwis­chen den Tre­f­fen pak­istanis­ch­er und US-Poli­tik­er und den pak­istanis­chen Mil­itärak­tio­nen geben. “Immer, wenn sich unsere Poli­tik­er mit den Amerikan­ern tre­f­fen, wird eine Show insze­niert.”  - so gibt die FTD die Mei­n­ung eines Dekans von der Uni­ver­sität Peshawar wieder. Beson­ders der pak­istanis­che Geheim­di­enst ISI soll trotz offizieller Geg­n­er­schaft zwis­chen Regierung und Islamis­ten mit den Tal­iban kooperieren. Tat­säch­lich wurde dann auch schon Tage vorher im pak­istanis­chen Fernse­hen über Aktion­spläne zum Ergreifen von Tal­iban­führern berichtet, die sich dann natür­lich der Gefan­gen­nahme entziehen kön­nen. Und die Paschtunen begin­nen immer offen­er, in der “Noth-West Fron­tier-Province” mit ihren Pick-up Trucks, mit Maschi­nengewehren, Panz­er­fä­suten und sog­ar mit Stinger-Raketen bewaffnet, die Macht zu übernehmen. Deren Straßenkon­trollen sind selb­st in der Umge­bung der Uni­ver­sitätsstadt Peshawar keine Sel­tenheit mehr.