Geschchichte:
Damaskus, die Hauptstadt des Landes, war bereits zur Hochzeit des arabischen Islam der Regierungssitz der Umayyaden ( arabisch: لأمويون / بنو أمية)- auch Omaijaden, Omajjaden, Omajaden – einer Dynastie von Kalifen, die von 660 bis 750 Oberhäupter des sunnitischen Islam waren, und 661 das Kalifat von Medina nach Damaskus verlegten, bis sie 749 durch die Abbassiden (Nachfahren des Propheten Mohammed) abgesetzt wurden.
Unter der Herrschaft dieser Kalifen gelang es der arabischen Welt, das Wissen der Antike zu integrieren, etwa Kenntnisse von Technik und Philosophie, die im westlichen Abendland erst vielfach durch die Vermittlung über die Araber wieder bekannt wurden.
Die von ihnen errichtete und nach ihnen benannte Omajaden-Moschee war damals die größte arabische Moschee, ja, das größte Gotteshaus der westlichen Hemisphäre — sie galt als das achte Weltwunder. Im Ostteil der Moschee befindet sich ein kleiner Kuppelbau, in dem der auch im Islam als Heiliger verehrte Johannes der Täufer beerdigt sein soll. Zur Moschee gehören drei Minarette — eines davon ist das Jesus-Minarett — und ein sehr schöner Innenhof mit einem achteckigen Schatzhaus, berühmten Mosaiken und arabischen Goldinschriften. Dieses heute noch bestehende Weltwunder zeigt also nicht nur von der hohen Blüte arabisch-islamischer Baukunst, sondern auch von der frühen Integration christlicher Glaubensinhalte im Islam. „Johannes von Damaskus“ – ein bedeutender christlich orthodoxer Patriarch — erfreute er sich in den Augen der muslimischen Umgebung hoher Wertschätzung: sein Vater Sargun ibn Mansur bekleidete ein hohes erbliches Amt als Schatzmeister des Kalifen Abd al-Malik, anscheinend als Chef der Steuerbehörde für Syrien und Johannes war ein Spielgefährte des Sohnes des Kalifen, des späteren Kalifen Yazid.
In die Frühzeit der Umayyaden-Kalife fällt aber auch die Spaltung des Islam in die sunnitische und die schiitische Glaubensrichtung. Als der Statthalter von Damaskus Muawia (Begründer des Omajaden Kalifats) das Amt des Kalifen beanspruchte, kam es zu Bruderkämpfen um Macht. Diese Kämpfe fanden 680 bei Karbela ihren Höhepunkt, als Hussain Ibn Ali (Enkel des Propheten) und seine Familie den Märthyrertod fanden.
Nur wenige Jahrzehnte später erfolgte der „Gegenschlag“ unter maßgeblicher Beteiligung der inzwischen zum schiitischen Glauben bekehrten Iraner. Das iranische Heer unter Abu Moslem‑e Chorasani besiegte die arabischen Heerscharen im Jahre 749 bei Zab und verhalf Abu-Abbas, einem Nachkommen des Propheten väterlicherseits, zum Amt des Kalifen – und dessen Nachkommen, die Abbassiden, verlegten unter dem Kalifen al Mansur den Sitz des Kalifats von Damaskus nach Bagdad nahe der alten Perser Hauptstadt Ktesiphon.
In diesen wenigen Jahrzehnten war es den Omajaden aber gelungen, die arabische Kultur entscheidend zu verändern. Aus den Nomaden und Wüstenhändlern der arabischen Halbinsel war durch die Einbeziehung der syrischen Vettern, der Aramäer, und die Übernahme oströmischer – byzantinischer Traditionen und Kenntnisse eine hoch stehende städtische und bäuerliche Zivilisation geworden. Die Omajaden führten im Widerspruch zu den Traditionen des Propheten einen prunkvollen Hof nach byzantinischem Vorbilds ein, reformierten die Staatsverwaltung und adaptierten damit das gesamte nutzbare Wissen sowohl der westeuropäischen Antike als auch des persischen Sassanidenreiches.
Den Nachkommen der Abbasiden, den schiitischen Alawiten, die sich im gebirgigen Hinterland der syrischen Küste gehalten haben, wird übrigends heute noch nachgesagt, es seien eigentlich Abkömmlinge der Kreuzritter — die sich den Gegnern der sunnitischen Omajaden angeschlossen hätten.
Externe Links– zur Entwicklung des Kalifats:
Johannes von Damaskus — (http://lexikon.freenet.de)
Kalifat — (www.im.nrw.de)
Lexikon: Geschichte des Islam — (http://religion.orf.at)
Nach diesem Machtverlust – geschwächt durch christliche Kreuzzüge und die Kriegszüge der Mongolen – stand das Gebiet von Syrien mit Damaskus über lange Jahrhunderte unter fremder Herrschaft; erst der Mameluken in Kairo und ab 1517 als Teil des Osmanischen Reiches.
Die Osmanen haben dann auch die Geschicke der Region entscheidend geprägt – bis auf Grund des auch von den Osmanen verlorenen 1. Weltkrieges unter dem Mandat des Völkerbundes und französischer Herrschaft der Libanon abgetrennt und – nach dem 2. Weltkrieg, 1946 – die Unabhängigkeit errungen wurde. Syrien trat im gleichen Jahr als Gründungsmitglied sowohl den Vereinten Nationen wie auch (bereits 1945) der arabischen Liga bei.
Der Konflikt zwischen Schiiten und Sunniten prägt auch aktuell das Land, das anlässlich der “Arabellion 2011” in einen Bürgerkrieg zu taumeln schein.
Hintergrund ist, dass die Präsidentenfamilie Assad den schiitischen Gemeinschaft der Alawiten angehört. Diese Anhänger der Partei Alis hatten sich in den schwer zugänglichen Gebirgsdörfern im Hinterland der Häfen von Lattaquia und Tartus gehalten. Auch osmanische Heimsuchungen (so der Feldzug von Selim I. im 15. Jhdt.) konnte die Alawiten nicht ausrotten — sie lebten in den kargen und steinigen Hängen weiter, zunehmend als Pächter oder Tagelöhner auf dem Besitz sunnitischer Großgrundbesitzer.
In Hama dagegen lebten die sunnitischen Großgrundbesitzer, bei denen die ägyptischen Muslimbrüder seit der Mitte des letzten Jahrhunderts zunehmend Einfluss gewinnen. Mit der Verfassungsreform von 1973, mit der der Anspruch sunnitischer Muslims auf den Präsidetenposten gestrichen wurde, war deren Stunde gekommen. Im Frühjahr 1980 lähmte ein Generalstreik die sunnitischen Städte Hama und Aleppo, der sich immer mehr ausweitete, zu Terroranschlägen von Freischärlern auf Mitglieder der Baath-Partei und Alawiten führte und im Frühjahr 1981 unter den brutalen Schlägen der Baath-Truppen zunächst erstickt wurde. 1982 erfolgte der Gegenschlag — die Stadt Hama rebellierte erneut und vertrieb die Regierungstruppen aus dem Stadtgebiet — bis Panzer- und Eltiteeinheiten der syrischen Fallschirmjäger die Stadt dem Erdboden gleich machten.
Externe Links – zur Geschichte Syriens:
Auswärtiges Amt der Bundesrepublik — (www.auswaertiges-amt.de)
Noch heute ziehen alte Dampflokomotiven aus Chemnitz und Berlin Züge über die Trassen der Bagdad- und Hedjaz-Bahn durch Syrien und Damaskus. Die 3.000 km lange Badad-Bahn ist auch heute noch durchgehend befahrbar — und das alte Bahnnetz der Osmanen das Rückgrat des syrischen Schienennetzes.
Syrien, so scheint es, hat den Anschluss an die modernen Zeiten verpasst.
Sozialistische Parteienherrschaft oder Familienoligarchie?
Tatsächlich war Syrien – wie einst Algerien, Ägypten oder der Irak – eines der letzten Bollwerke eines „laizistischen Arabertums“ unter dem Zeichen des „Sozialismus“. Die in Syrien und bis vor kurzem im Irak nominell regierende Baath-Partei (arab.: حزب البعث العربي الإشتراكي hizb al-bacath al-carabî al-ischtirâkî), dt. “Arabische Sozialistische Partei der Wiedererweckung” (aus arab. ??? Auferstehung, Erneuerung) geht von der Doktrin einer einzigen ungeteilten arabischen Nation aus. Als Grundprinzipien gelten “Einheit, Freiheit, Sozialismus”. Die Partei wurde 1940 von einem griechisch-orthodoxen Christen — Michel Aflaq — und einem sunnitischen Muslim — Salah al-Din al-Bitar — in Damaskus gegründet, was deutlich zeigt, dass von der Gründungsidee her kein islamischer Fundamentalismus angestrebt war. Im Laufe der Zeit bildeten sich ein syrischer und ein irakischer Flügel heraus, die sich untereinander befehdeten und zugleich den Parteiführern eine „Familiendiktatur“ ermöglichten. In Syrien bildet ein alawitischer Stamm die Machtbasis der Partei, im Irak stützte sich die von Saddam Hussein geführte Partei v.a. auf einen sunnitischen Klan aus Tikrit (auch Takrit genannt). Syrien fand sich als „sozialistischer Staat“ sehr schnell in Gegnerschaft zum Westen – und damit natürlich auch, wie die gesamte arabische Welt, in Gegnerschaft zu dem vom Westen unterstützten Israel. Syrien geriet mit dem Zusammenbruch der Sowjetunion und dem Ende des Kalten Krieges in die politische Isolation. Wirtschaftlich gelähmt von sozialistischen Wirtschaftsversuchen, die das syrische Unternehmertum fesselten und das Land ausbluten ließen, von den aktivsten Teilen der Bevölkerung durch Emigration verlassen, von fünf rivalisierenden Geheimdiensten kontrolliert, und durch Korruption gelähmt bot Syrien zunehmend ein Bild des Verfalls. Zur Jahrtausendwende lebten alleine in Deutschland rund 8.000 Akademiker, ¾ davon Ärzte – die im Land dringend gebraucht würden. Der Staat war auf eine Person ausgerichtet – auf den Präsidenten Hafis al-Assad, einen autoritären, aber auch pragmatischen Machtmenschen der im Golfkrieg 1991 auf Seite der Amerikaner gegen Saddam Hussein stand, den ständigen Rivalen um die Führerschaft der Baath-Partei.
Entwicklung seit der Jahrtausendwende:
Nach dem Tod Hafez al Assads am 17. Juni 2000 übernahm dessen Sohn Bashar zunächst die Funktion des Generalsekretärs der regierenden Baath-Partei, am 25. Juni wurde er durch das Parlament zum Präsidenten gewählt, nachdem er in einem Referendum 97,29% der Stimmen erhielt. Seitdem – so scheint es – befindet sich das Land in einem zaghaften und vorsichtigen Öffnungsprozess. Präsident Assad – in London zum Augenarzt ausgebildet — hat versprochen, der Staat werde sich weniger in das Privatleben seiner Bürger einmischen, und tatsächlich werden Oppositionelle heute nicht mehr bei Nacht und Nebel verhaftet. Dabei verfällt Assad nicht den Verlockungen islamistischer Einflüsterungen. Zusammen mit seiner charmanten Gattin Asma al-Achras– einer in England geborenen Bankerin bildet er ein „Power-Paar“, das den Vergleich mit den jungen Herrschern der Dynastien in Jordanien und Marokko standhält. Tatsächlich hat sich nach der Entmachtung der „alten Garde“ eine kleine, reiche Wirtschaftsschicht in Damaskus gebildet, deren Sinn nach mehr wirtschaftlicher Offenheit und damit besseren Investitions- und Verdienstmöglichkeiten steht. Großinvestoren aus den reichen arabischen Staaten am Golf haben schon vorgefühlt – wenn auch in Syrien marktwirtschaftliche Gesetze gelten, dann ist mit Investitionen im Bau von Straßen, Pipelines, exklusiven Touristikzentren entlang der Mittelmeerküste und Luxuswohnanlagen zu rechnen. Auslandssyrer sollen zur Rückkehr animiert werden – und gleichzeitig soll durch die zunehmende Versorgung mit Konsum- und Luxusgütern die Atempause gewonnen werden, die der junge Präsident braucht, um dem Land Stabilität und Prosperität zu verschaffen. Internet-Cafes, Privatbanken und die Filialen von gehobenen Handelsketten wie Armani oder Benneton sind inzwischen in Damaskus nicht ungewöhnlich. Das Land befindet sich im Aufbruch. Wird es gelingen, diesen Kurs der Öffnung weiter zu treiben? Die alten Seilschaften haben sich nur grollend aus ihren Stellungen in der Politik zurückgezogen, die den alten Familien profitable Monopole bescherten. Und islamische Extremisten lauern darauf, dass die Dynastie der Assads, die der alawitischen Minderheit im Staat angehört, stürzt – und sei es mit Unterstützung der Bush-Regierung in Washington, die Syrien offen der Unterstützung von Terroristen im Irak bezichtigt.
Während der Irak im Terror versinkt, der auch und gerade vor christlichen Minderheiten nicht Halt macht (vgl. Bericht der UNHCR vom Oktober 2005 ) blieb Syrien eine letzte Bastion einer säkulären arabischen Regierung, in der die Religion eine Sache des Einzelnen und Gottes ist. Syrien entwickelte sich daher zunehmend zum Zufluchtsort von religiös verfolgten Minderheiten aus den Nachbarländern Irak und Libanon.
Wie lange das so bleibt ist unklar. Die “Arabellion” führt 2011 / 2012 zu einem erneuten Aufstand der sunnitischen Bevölkerungsmehrheit, der um die Stadt Homs begann, und mit Massakern wie dem in Hula (über 100 ermordete Zivilisten) weiter geführt wurde.
Arabellion 2011 / 2012:
Tatsächlich entwickelte sich die zunächst friedliche Demonstration gegen Assad zu einem auch von aussen befeuerten Bürgerkrieg. Mit saudischer Finanzierung, Waffenlieferungen von der arabischen Halbinsel und aus Libyen sowie islamisch geprägten Stammeskriegern aus Libyen — und mit der offenen Unterstützung der Türkei — scheint sich in Syrien der Konflikt um die “Familienherrschaft des Assad-Clans” zu einem Stellvertreterkrieg zwischen Schiiten (vom Iran unterstützt), Sunniten (von der Türkei gefördert) und radikalislamischen, von den Saudis finanzierten Ideologen und Kämpfern zu entwickeln. Das bis zumindest 2010 überwiegend säkular orientiere Land zerbricht entlang seiner ethnisch-religiösen Grenzlinien. Es sind vor allem die Vertreter der herrschenden Klasse, die wohl gezielt die ethnisch-religiösen Auseinandersetzungen schüren. Darin gelten dann nur noch Religions‑, Stammes- und Clanzugehörigkeiten. Ob auf dieser Basis eine “Verhandlungsrevolution” wie in Ägypten und Tunesien gedeihen kann, muss zunehmend bezweifelt werden. Eher ist zu erwarten, dass Syrien — wie Libyen auch — entlang seiner internen Stammesgrenzen zerfällt.
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