Nach dem Krieg ist vor dem Krieg?
Nach dem Ende des Libanonkrieges begannen libanesische Streitkräfte und Unifil-Soldaten in das vorher von der Hisbollah kontrollierte Gebiet südlich des Litani-Flusses einzuziehen. Nach westlichen Medienberichten sollten die libanesischen Streitkräfte die Milizen entwaffnen und dabei von den Unifil-Soldaten unterstützt werden.
Inzwischen unterhält die libanesische Armee vier Stützpunkte mit etwa 10.000 Mann südlich des Litani, und auch 12.500 Unifil-Soldaten sind in einem Streifen nördlich der israelischen Grenze aktiv.
Die vom Iran unterstützte Hisbollah (oder Hizbullah) mit der Hilfsorganisation “Dschihad al Binaa” und die von westlichen Regierungen unterstützte Staatsbürokratie überbieten sich im Versuch, durch finanzielle Zuschüsse den Wiederaufbau der israelischen Kriegsschäden zu unterstützen. Die gelben Flaggen der Hisbollah und die gründen Flaggen der schiitischen Amal-Bewegung von Parlamentspräsident Nabil Berris zeigen, dass der Südlibanon hauptsächlich schiitisches Territorium ist — und beide Bewegungen um Einfluss in der Bevölkerung rivalisieren.
Die Hizbullah macht aber deutlich, dass der Krieg für sie noch nicht vorüber ist. An der Küstenautobahn stand im März 2007 ein gepanzertes Halbkettenfahrzeug der Organisation — mit aufmontierten, gen Israel gerichteteten Raketen und einem Plakat, in dem der lächelnde Anführer, Scheich Nasrallah, mit seinem Satz von “20.000 Waffen” zitiert wird — die Miliz, soll das wohl sagen, ist stärker als je zuvor.
Diskutieren Sie mit: der Libanon, zwischen Israel, Milizen und Syrien:
www.defence-forum.net
Arabellion 2011 — 2012:
Der “arabische Frühling” schien bis 2012 am Libanon vorüber zu gehen. Das fragile Gleichgewicht der Ethnien hatte in den letzten Jahren zu relaitiver Ruhe und Sicherheit geführt. Mit dem Bürgerkrieg im Nachbarstaat Syrien droht aber auch das fragile Zusammenleben im Libanon wieder in Frage gestellt zu werden. Die Spannungen zeigen ein Angriff auf den einzigen überkonfessionellen Sender “New TV” Ende Juni 2012 sowie ein Angriff auf die prosyrische Parteizentrale “Arabische Bewegung” in Beirut.
Noch bemühen sich alle Fraktionen betont um Neutralität (Stand Juni 2012). Aber die “Fortschrittliche Sozialistische Partei” um den Drusenführer Wald Dschumblat lässt ihre Sympathie für “das Streben des syrischen Volkes nach Demokratie und Freiheit” genauso deutlich zu Tage treten, wie die schiitische Hizbullah bisher von der Unterstützung aus Iran und Syrien profitierte.
Dazu kommen die über Jahrzehnte gewachsenen Agentennetze des syrischen Geheimdienstes, die immer wieder in Anschlags- und Terrorserien zu Tage treten können.
Libanon ist ein Land der Kontraste.
Denn anderswo — in Beirut zum Beispiel — macht sich eine andere Lebensweise bemerkbar. Die Jugend will nach Jahren der Not und des Krieges wieder das Leben genießen — und knüpft dabei an die Tradition der Eltern an, die den Libanon schon zur lebensfrohen “Schweiz des Nahen Ostens” und Beirut zum “Paris des Nahen Ostens” gemacht hatten.
In der libanesischen Hauptstadt an der langen Gouraud Street wachsen neue Clubs, Bars und Cafes aus dem Boden, konkurrieren mit alteingesessene Lokale wie dem “Gemmayzeh Cafe”. Im Trendviertel Gemmayzeh “steppt der Bär”, wie die Berliner sagen würden. Beirut lockt mit endlosen Musiknächten und traditionellen Shows. Beirut wächst zu einer lebendig quirrligen Metropole. In Stadtvierteln wie Gemmayzeh, Ashrafieh oder Hamra feiert die Jugend mit dicken Zigarren, Mashroob, einem Almaza-Bier oder dem lokalen “961”-Pils und hippigen Drinks in Jeans und kurzem Ledermini, während in streng moslemischen Teilen von Beirut viele Frauen verschleiert sind.