2. Historische Wurzeln:
Wer über die historischen Wurzeln des heutigen Israel spricht, muss zwangsläufig auch eine religiöse Quellliteratur benutzen. Das „Alte Testament“ ist beides: ein auf Überlieferungen beruhendes Geschichtsbuch Israels und ein religiöses Lehrbuch. Die Autoren versuchten, die überlieferten geschichtlichen Angaben (wie sie so vielen Völkern in Sagen und Legenden eigen sind) mit religiösem Inhalt zu versehen, die Religion in Kontext mit den Legenden und Sagen über die eigenen Wurzeln zu stellen.
Archäologen, Historiker und Theologen, die als Exegeten die „Heilige Schrift“ interpretieren, arbeiten deshalb heute zusammen, wenn die „vorrömische Geschichte“ des „Heiligen Landes“ erforscht wird.
2.1. Abraham:
Israel bezieht sich in seiner Existenz zunächst auf Abraham (ca. 2.000 v. Chr.). Der gemeinsame „Urvater“ der semitischen Völker, mithin also der Araber und Juden – soll Abraham sein – und der heutige Staat Israel stellt sich selbst damit auf akkadisch-mesopotamische Wurzeln.
2.2. Ägyptisches Exil:
Die Ursprünge Israels sind in ethnischer Hinsicht allerdings offen und vielgestaltig. Nach der Emigration unter Urvater Abraham folgt die „ägyptische Periode“. Nach der Überlieferung der Thora, sollten zwischen der Zeit von Jakobs Ankunft in Ägypten und der Zeit des Exodus 400 Jahre vergehen. Der ganze Zeitraum zwischen Josephs Tod und Moses’ Geburt wird mit drei knappen Sätzen zusammengefasst:
„Dann starben Joseph und seine Brüder und diese ganze Generation. Aber die Söhne Israels waren fruchtbar und wuchsen sehr an Zahl; sie wuchsen und vermehrten sich so außerordentlich, dass sie das Land füllten.“
Dies wird von jüdischen Gelehrten als der „Reifungsperiode der neuen Nation, der Zeitraum, in dem die Familie zum „Volk Israel“ wurde“ bezeichnet.
(vgl. Eli Erich Lasch “Let there be Freedom – The Bible Unveiled”, 1989,
abgedruckt bei Die Unterdrückung in Ägypten und das Auftreten von Moses — (www.hagalil.com) )
Joseph, Urahn und Repräsentant der israelitischen Stämme Manasse und Ephraim, heiratet die Tochter eines ägyptischen Priesters (Asnath, Tochter Potipheras, des Priesters von On – Gen 41,45). Damit ist gesagt, dass mindestens zwei der zwölf Stämme Israels ihren ethnischen Ursprung teilweise in Ägypten und somit im vorsemitischen Afrika haben. Lev 24,10 erwähnt einen Mann, der eine Israelitin zur Mutter und einen Ägypter zum Vater hat, ohne ihn deshalb zu verurteilen. Das deuteronomische Gesetz (Dtn 23,4–9) sieht vor, dass ein Ägypter, der in der dritte Generation in Israel lebt, Jude werden darf (im Gegensatz zu den Ammonitern und Moabitern, denen dieser Zugang dauerhaft verwehrt wird).
Israels geschichtlich prägende Identitätsstiftung bestand in der Überlieferung der Befreiungserfahrung von „Hebräern” aus ägyptischer Sklaverei. Historiker und Exegeten stimmen heute weitgehend darin überein, dass „Hebräer” keine ethnisch definierte Gruppierung bezeichnet, sondern – ebenso wie das keilschriftliche „habiru” – eine Klasse gesellschaftlich Entwurzelter, die in Ägypten gelegentlich zu staatlichen Baumaßnahmen gezwungen wurden. Dem entspricht der biblische Befund, dass „Hebräer” stets im Zusammenhang mit „Sklaven” oder im Kontext eines abfälligen Tons benutzt wird. Aufschlussreich ist auch die biblische Notiz in Ex 12,38, dass sich den flüchtenden (israelitischen) Sklaven „viel fremdes Volk” anschloss (hebr. „erev-rav” – zahlreiches heidnisches Menschengewimmel). Anteile ägyptischen Blutes, also teilweise afrikanische ethnische Ursprünge sind für das Volk Israel demnach nicht von der Hand zu weisen.
Vor diesem Hintergrund kann der Begriff von Israel als dem „Volk Gottes“, das unter Moses auf dem Sinai ein Bündnis mit Jahwe geschlossen hat, nicht als ethnischer Begriff gewertet werden.
Das „Volk Gottes“ ist vielmehr ein religiöser Begriff — er separiert die Anhänger des mosaiischen Glaubens von denjenigen, die in der Nachbarschaft noch vielen unterschiedlichen Göttern anhingen. Heute werden die Anhänger der ältesten monotheistischen Religion der Welt als „Juden“ bezeichnet. Dieser Begriff stammt aus der Antike, genauer — aus der Zeit der römischen Herrschaft, in der die traditionellen Begriffe für die Stammesgebiete der Stämme Israels wie Judäa und Samaria noch lebendig waren.
2.3. Babylonische Gefangenschaft:
Bereits vorher hatten Babylonier (586 v. Chr.) die jüdische Oberschicht in die Gefangenschaft nach Babylon in das Zweistromland verschleppt. Nach der Eroberung des babylonischen Reiches durch die Perser erlaubten diese den Gefangenen ab 537 v. Chr. die Rückkehr nach Jerusalem.
Darüber hinaus kann als sicher gelten, dass auch jüdische Händler die Handelswege der Antike bereisten. Aramäisch — die Sprache Jesu — war Staatssprache im persischen Reich, das sich bis zum Indus erstreckte. Das äthiopische Königshaus führte seine Abstammung auf eine Liaison Salomons, des legendären israelitischen Königs, mit der ebenso legendären Königin von Sabah zurück. Ein großer Teil der athiopischen Juden — die einem sehr alten Zweig der jüdischen Religion angehören und ethnisch sehr viele negroide Merkmale aufweisen — wurde erst im letzten Jahrhundert in den heutigen Staat Israel gebracht, und noch bis in die Zeit Mohammeds war die arabische Halbinsel auch von (arabischen) Stämmen jüdischen Glaubens besiedelt. Schon die antike Welt wird also mit jüdischen Kontoren, Familien und Sippen gelebt haben, und sicher waren Bewohner jüdischen Glaubens auch schon vor der Zerstörung des Tempels entlang der Mittelmeerküste bis nach Griechenland und Rom zu finden.