Nach Jahren des Bürgerkriegs zeichnet sich immer mehr eine regionale Trennung des Irak nach den verschiedenen ethnischen und religiösen Gruppierungen ab. Zum Jahresende 2011 — die letzten amerikanischen Kampftruppen haben in diesem Jahr den Irak verlassen — zeichnet sich tatsächlich die Dreiteilung des Landes ab. Der Irak ist dabei, die “Fitna”, die schismatische Aufteilung der muslimischen Welt, im Kleinen nach zu vollziehen.
Das blühende Kurdistan:
“Fünf Jahre nach Beginn des Irakkrieges boomen die kurdischen Städte im Norden — wi Erbil. Asländische nternehmen witern gute Geschäfte…” (Financial Times Deutschland, 25.03.200)
Die FTD berichtet von einem wahren Boom, der Erbil und die anderen Gemeinden der Region umfasst habe. Über eine Million Einwohner — 300.000 mehr als zum Zeitpunkt der US-Invasion — würden inzwischen in Erbil wohnen, und dementsprechend hat wohl auch ein Bauboom Einzug gehalten. Es gäbe, so die FTD, fast in jeder Straße des größten Stadtteiles Hewler Baustellen mit Kränen und Baggern. Zu den größten Aktivposten gehöre der LKW- und Busbauer MAN, der an der Ausfallstraße Richtung Kirkuk seine irakischen Hauptwerkstätten unterhalte. Ausländische Untenehmen hätten bis August 2007 — so die FTD — insgesamt 5,5 Mrd. $ in den kurdischen Gebieten des Irak investiert. Der Libanon (mit 500 Mio. $) und Jordanien würden die Liste der Investoren anführen. Mit zum zunehmenden Engagement trägt wohl bei, dass die Sicherheitslage in den Kurdengebieten immer besser wird — und die erdölreiche Region fast 17 % der irakischen Öleinnahmen für sich verbuchen kann.
Allerdings sind auch die Kurden untereinander zerstritten. Im Westen haben sich die Gefolgsleute von Massud Barzani eingerichtet, denen mit der Gefolgschaft von Jalal Talebanis im Osten ein misstrauische Partner gegenüber steht.
Kurdisten verfügt faktisch über eine weitgehende Autonomie mit eigener Armee und eigener Verwaltung und strebt eine möglichst umfassende Autonomie im Rahmen eines regional gegliederten Iraks an.
Sunniten — getrennt durch wahabitischen und moderaten Einfluss:
Bei den Sunniten ist die Trennung weniger geographisch verortbar. Unter dem Einfluss und mit enormen Finanzmitteln aus Saudi Arabien gesponsert, hat sich — wie im Ägypten des “Nach-Mubarak” — eine intolerante Salafisten Partei gebildet, die mit Wahhabtischen Gruppierungen zusammen arbeitet. Die Gruppierung der Salafisten beruft sich auf die Rechtsschule der Hanbaliten — die sich durch extreme Intoleranz auszeichnet und von den islamischen Fanatikern Ibn Taimiya und Abdul Wahhab geprägt wurde. Die Hanbalitische Rechtsschule — das nebenbei — ist auch die einzige Rechtsschule der Sunniten (bestehend aus Hanefiten, Schafeiten, Malekiten und Hanbaliten), die von den Wahhabiten Saudi Arabiens akzeptiert wird.
Diesen Fundamentalisten steht die überweiegende Mehrheit der Anhänger der moderate hanefitische Rechtsschule gegenüber, die aus der Traition der schon im 8. Jahrhundert von Abu Hanif gegründeten islamischen Universität von Abu Hanifa schöpft, der ältesten Rechtsschule oder “Madhhab” des Islam. Die gemäßigte hanefitische Rechsschule gilt als die bei weitem bedeutendste der ganzen islamischen Umma. Einer der Repräsentanten dieser Gruppierung ist der stellvertretende Ministerpärsident Salih al Mutlaq. Mutlaq war unter Saddam Hussein Mitglied der Baath-Partei und mit dem stellvertretenden Staatspräsidenten Tariq al Haschimi sowie Iyad Allawi prominentester Politiker der säkularen Partei „Iraqiya“.
Die dritte im Irak wichtige sunnitische Gruppierung ist der mystische Sufi- oder Derwisch-Orden, der den westlichen Touristen vor allem aus der Türkei (“tanzende Derwische”) bekannt ist. Die Quadiriya — eine Gliederung des Ordens — stammt aus Bagdad und konnte auch unter Saddam geduldet tätig werden.
Die Sunniten verfügen über keine eigenen Ölvorräte. Deshalb liefern sich “Sahw”-Milizen und kurdische Peschmerga immer wieder Scharmützel um die Region von Kirkuk, aus der unter Saddam die kuridschen Bewohner vertrieben und sunnitische Araber angesiedelt wurde. Um nicht von den Öleinnahmen der beiden anderen Regionen abgeschnitten zu sein, drängt die sunnitisch-arabische Minderheit auf einen zentralisitischen Staat.
Schiiten — die Partei Alis:
Etwa 2/3 der Bevölkerung werden dem schiitischen Islam zugerechnet. Auch hier gibt es zwei maßgebliche Parteien. Muqtada es-Sadr (mit seiner Miliz “Armee des Mahdi”), der junge Sproß einer alten Familie mit dem Großayaollak Mohammed Sadeq es-Sadr, repräsentiert die eher kompromisslose Linie, während Ministerpräsident Nuri-el-Maliki die parlamentarische Übernahme der Macht anstrebte.
Auch die Schiiten berfürworten weitgehende autonomie Proviznen — können sie doch wie die Kurden auf reiche Erdölvorkommen zurück greifen, deren Erlös natürlich möglichst der eigenen Region zugute kommen soll.
Unmittelbar nach dem Abzug der letzten amerikanischen Soldaten ist im Irak eine Regierungskrise ausgebrochen. Ministerpräsident Nuri al Maliki hat seinem Stellvertreter Salih al Mutlaq das Vertrauen entzogen und das Parlament aufgefordert, diesen Schritt zu bestätigen. Zudem hat das Innenministerium, das Maliki kommissarisch leitet, einen Haftbefehl gegen den stellvertretenden Staatspräsidenten Tariq al Haschimi und einige seiner Leibwächter ausgestellt.
Steuert der Irak nach dem Abzug de US-Amerikaner in den nächsten Bürgerkrieg?
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