Krieg gegen Iran:
Diese Härte hat westliche Großmächte nicht gestört. Ganz im Gegenteil:
als die iranischen Ayatollahs nach dem Sturz des Schah eine betont antiwestliche, antiamerikanische Politik übten wurde Saddam Hussein (er ist zwar ein Schurke, aber er ist unser Schurke) in seinem Zugriff auf die iranischen Ölreserven von Khuuzestan massiv von den USA und Kuwait unterstützt — von den USA auch mit der Lieferung von chemischen und biologischen Massenvernichtungswaffen, deren Besitz dem Irak heute von den damaligen Lieferanten zum Vorwurf gemacht wird, während Kuwait den jahrelangen Krieg finanzierte, um Saddams Truppen als Schutz gegen befürchtete persische Invasionen über die Halbinsel Fao (dem irakischen Meereszugang) nutzen zu können.
Der Schatt el Arab — der Unterlauf von Euphrat und Tigris — ist seither gesäumt mit gekenterten, gesunkenen und verrostenden Schiffswracks, deren Hinterlassenschaften (Bunkeröl) die Oberflächengewässer um Basra vergiften.
Der iranische Haupthafen Khorramshahr wurde im Krieg mit Irak vollkommen zerstört und befindet sich zur Zeit im Wiederaufbau.
In diesem Krieg wurde für jeden, der es sehen wollte, der Charakter eines gewissenlosen Despoten offenbar.
Dazu kam ein geradezu irrwitziges Rüstungsprogramm. Iraks Regierung wollte sich — in der Nachfolge des Sultans Saladin sehend — eine Rüstung beschaffen, die einer heutigen Großmacht ebenbürtig ist. Raketenprogramme und atomare Waffen — nichts schien den Machthabern in Bagdad überzogen und zu teuer zu sein.
Alleine eine ergebnislose Atomwaffenforschung lies sich die Regierung Saddams angeblich etwa 10 Milliarden Dollar kosten.
Der Irak, der vor dem Iran-Krieg etwa 35 Milliarden Dollar an Währungsreserven hatte, häufte Staatsschulden von über 86 Milliarden Dollar an — bei den Arabischen Bruderländern und im Westen gleichermaßen, aber auch bei den Staaten Osteuropas stand Saddams Regierung mit rund 11 Milliarden Dollar “in der Kreide”.
Da die Ölförderanlagen zerstört waren — ein Teil der Anlagen stammt noch aus den 60er Jahren des letzten Jahrhunderts — und damit die Rückzahlung der Kredite erschwert wurde, gleichzeitig aber auch die Zinsbelastung diese Staatsschulden noch zusätzlich erhöhten, war der Staat nach dem Iran-Krieg wirtschaftlich ruiniert.
Unterdrückung der Kurden:
Auch die Kurden gerieten in die gemeinsame irakisch-türkische Kooperation. Die Unabhängigkeitsbestrebungen des auf beiden Seiten der Grenze wohnende Volkes wurden gemeinsam bekämpft. Türkische Truppen konnten in der Verfolgung kurdischer Rebellen problemlos auf irakisches Territorium vordringen, und Giftgasangriffe der irakischen Streitkräfte auf kurdische Siedlungen blieben bei den westlichen Staatslenkern und in den Medien ohne große Beachtung.
Invasion von Kuwait:
Eine Wende nahm diese stillschweigende Tolerierung erst, als Saddam — in (vielleicht nicht unprovozierter) falscher Einschätzung der amerikanischen Reaktionen das Nachbarland Kuwait okkupierte, das nach dem Ende des irakisch-iranischen Krieges nicht bereit war, seine Schulden beim irakischen Nachbarn zu bezahlen.
Eine Welle der Empörung — geschürt durch gezielte Falschinformationen von irakischen Truppenaufmärschen an der Grenze zu Saudi-Arabien und angeblichen Greueltaten der Iraker in kuwaitischen Kinderkrankenhäusern — führte zu einer Intervention der UN unter Führerschaft der Vereinigten Staaten unter dem Präsidenten G.W. Bush I, dem Vater des derzeitigen US-Präsidenten.
Anstatt aber — wie es wohl bei manchen politischen Beobachtern vorgeschlagen wurde — den Marsch auf Bagdad anzutreten, wurde nach der (vermeintlichen) Zerschlagung der Irakischen Streitkräfte ein Embargo gegen den Irak verhängt, das die Leiden der Bevölkerung des bereits durch jahrelange Kriege heimgesuchten Landes erneut vermehrte.
Selbst dringend erforderliche Medikamente werden dem Land vorenthalten, das einstige wirtschaftliche Musterland des Mittleren Ostens ist inzwischen wieder auf dem Stand eines Entwicklungslandes (wobei an dieser Stelle zu erwähnen ist, dass die dem irakischen Präsidenten nahe stehende “High Society” keinerlei Mangel leidet). Den “oberen 10.000” war es immer möglich, unberührt von Embargos ein luxuriöses Leben zu führen und prachtvolle Villen und Regierungspaläste zu errichten.
Die UN-Resolution 1441 beendete den Krieg, und forderte von Irak eine weitgehende Vernichtung seines bisherigen, über Verteidigungszwecke hinausgehenden Rüstungsprogramms.
Externe Links:
Provisional Resolution 1441 — (www.un.int)
Text of U.N. resolution on Iraq — (www.cnn.com)
Resolution 1441: So demütigend wie möglich für den Irak — (www.uni-kassel.de)
Kein Mandat zum Krieg — (www.uni-kassel.de)
Dieser erneute Krieg hinterließ ein verwüstetes Land — sowohl das Gift aus Hunderten von brennenden Ölquellen wie auch die Uranmunition der alliierten Streitkräfte führten zu massiven Umweltschäden.
Basra — früher als “Venedig des Ostens” bezeichnet — liegt inmitten vergifteter Kanäle.
Aufstand der Schiiten:
Animiert von den USA erfolgte 1991 ein Aufstand der immer mehr notleidenden schiitischen Bevölkerung des Südirak gegen die sunnitische Regierung — erfolglos. Unter den Augen der in Kuwait stationierten alliierten Streitkräfte gelang es den Regierungstruppen mit Panzern und Kampfhubschraubern diesen Aufstand des schiitischen Landesteiles niederzuschlagen.
Schiitische Kämpfer und Deserteure flüchteten sich in die Sümpfe zwischen Euphrat und Tigris, um den Soldaten Saddams zu entgehen. Saddams Truppen zerstörten daraufhin die — traditionell aus Schilf gebauten — Häuser der Dörfer, sie brannten die großen Versammlungs- und Gästehäuser nieder und zerstörten die — schon durch den Krieg verwüsteten — Dattelhaine noch mehr.
Nach dieser Zerschlagung ging die Irakische Regierung daran — sei es, um die Schlupfwinkel der Oppositionellen “trocken zu legen”, sei es, um die durch die langjährigen Kriege und deren Folgen restlos vergifteten Wasserflächen zu beseitigen — das mesopotamische Sumpfland zwischen Euphrat und Tigris auszutrocknen.
Hierzu wurde ein “dritter Fluss” gegraben, ein Kanal, der die gesamte Sumpf- und Moorfläche entwässert. Heute ist vielfach anstatt der belebten Papyrussümpfe eine trockene, versalzte Steppe zu finden.
Erst der Sturz Saddams im Irak-Krieg hat die Zerstörung dieser Landschaft — gerade noch, wie es scheint — verhindert.
Die Dämmer wurden durchbrochen und die verdorrten, trockenen Flächen füllen sich wieder mit Wasser. Die Marsch-Araber , die Madan — überwiegend schiitischen Glaubens — sind auf ihre Inseln im neu sich bildenden Süßwasser-Meer zurück gekehrt. Wasserbüffel ziehen durch den Sumpf, und auch der Fischreichtum des Landes scheint sich wieder einzustellen.
LITERATURTIP:Wilfried Thesinger, “The Marsh Arabs”, 1964
Badr-Brigaden:
In unserem Forum (Aktuelle Meldungen und Internationale Politik => Irak => Seite 4) spricht unser Mitglied Seccad in seinem Beitrag vom 30.03. die “BADR-BRIGADEN” an, die unverständlicherweise von den Alliierten Invasionstruppen unter Führung der USA “feindlich” behandelt werden würden.
Diese — zwischen 10- und 20.000 Mann zählende — paramilitärische Truppe wurde 1991 nach der Niederschlagung des schiitischen Aufstandes durch die irakisch-sunnitische Regierung gebildet. Es handelt sich um eine Formation von irakischen Schiiten, die sich vor der Verfolgung des sunnitischen Regimes nach Iran geflüchtet hatten und von den iranischen Revolutionsgarden ausgebildet und (relativ sparsam) bewaffnet wurden.
Die Badr-Brigaden unterstehen dem vom Iran geförderten “Hohen Rat für die islamische Revolution im Irak” unter Leitung des Ayatollah Mohamed Bark al-Hakim.
Das Stationierungsgebiet der Truppe lag zunächst in der iranischen Ölprovinz Chusistand gegenüber der Halbinsel FAO, wo mit Hilfe der schiitischen Araber der Sturz Saddam Husseins herbeigeführt werden sollte.
Bereits vor dem Ausbruch des Irak-Krieges sickerte ein Teil dieser “bewaffneten Flüchtlinge” im Norden des Irak in das kurdische Kernland ein, wo sie in Suleymania eine Parade abhielten und in einigen Bergdörfern nahe der iranischen Grenze entsprechende Lager errichteten. Nach iranischer Vorstellung soll künftig die schiitische Mehrheit des Irak — die etwa 60 % der Bevölkerung ausmacht — möglichst viel Mitsprachemöglichkeiten, sogar ein Vetorecht bei der Neugestaltung des Landes haben. Die Iraner fördern daher nicht nur den “Hohen Rat” sondern auch die konkurrierende fundamentalistische AL-DAUA.
Diese schiitisch-arabische Glaubensmiliz stößt aber bei den sunnitischen Kurden nicht auf Gegenliebe. Ganz im Gegenteil: die um Selbstbestimmung kämpfenden Kurden befürchten, von der arabisch-sunnitischen Herrschaft Saddams in ein arabisch-schiitisches Herrschaftsgebiet gestoßen zu werden.