Aufstand der Tamilen:
Dies führte zu immer stärkeren Autonomiebewegungen, denen Regierung und Parlament nur sehr halbherzig nachgab. So scheiterte ein Vorschlag der ersten Präsidentin Sri Lankas, Chandrika Bandaranaike Kumaratunga, die 1995 einen Friedensplan vorlegte, der beschränkte Autonomie für die acht Provinzen, einschließlich der Nord- und Ostprovinzen, vorsah.
Das Ergebnis war ein Unabhängigkeitskrieg der Tamilien, der trotz indischer Friedens- oder Interventionstruppen nicht unter Kontrolle gebracht werden konnte.
Ganz im Gegenteil: nachdem im Juli 1987 erste politische Erfolge für eine stärkere gesicherte Beteiligung der Tamilen in der Staatsregierung erzielt worden waren, sollten die indischen Friedenstruppen (IPKF) den Waffenstillstand sichern. Deren starke Präsenz weckte jedoch nur Ängste bei den Tamilen und führte zu neuen Kämpfen und einem Aufstand der linksgerichteten singhalesischen Volksbefreiungsarmee (JVP) im Süden, während gleichzeitig die indische Regierung unter massiven Druck der Festlandstamilen kam.
Den Tamilen gelang es zunehmend, eine straff organisierte, gut gedrillte Truppe (Tamil Tigers — Libertion Tigers of Tamil Eelam = LTTE) aufzubauen, die sich mit den offiziellen Streitkräften Sri Lankas erfolgreiche Schlachten um die Herrschaft im Norden der Insel lieferte. Vor allem um die Halbinsel Jaffna konnten die Truppen der Regierung keine dauerhafte Präsenz aufbauen. Der Krieg wurde mit zunehmender Grausamkeit und Brutalität geführt. Frauen und Kinder wurden in die Rebellenarmee aufgenommen. Hoch geachtete Selbstmordattentäter trugen den Krieg bis in den Süden der Insel — kein Mittel schien ausgeschlossen, um den Tamilen zur Unabhängigkeit zu verhelfen.
Nach rund 20jährigem blutigen Bürgerkrieg setzte sich allerdings langsam eine Erkenntnis durch, die inzwischen wohl von beiden Seiten geteilt wird.
Der Bürgerkrieg kann militärisch nicht entschieden werden.
Der Bürgerkrieg hat die ganze Region zurückgeworfen. Dörfer und Infrastruktur wurden zerstört, dringende Investitionen konnten über Jahre hin nicht vorgenommen werden.
Während der ganze Norden der Insel als Kriegsschauplatz gezeichnet ist, mit zerstörten Dörfern, Ruinen und Minenfeldern, gerät Sri Lanka zunehmend auch in finanzielle Probleme.
Touristen — die “Devisenbringer der Dritten Welt” bleiben aus. Das Pro-Kopf-Einkommens (1997: 800 US $) ist ausgesprochen niedrig.
Sri Lanka hat zunehmend weitere, soziale Probleme. So stellt die erhöhte Gewaltbereitschaft eine Gefahr für die Gesellschaft dar. Jugendliche Arbeitslose, vor allem im Süden des Landes, werden von militanten Jugendorganisationen rekrutiert und ausgebildet. Gleichzeitig berichtet die Armee, welche auch insbesondere im Süden rekrutiert, von bis zu 20000 Deserteuren. Beides zusammen ergibt einen Sprengstoff, der in Form gewaltsamer Aufstände gegen die Regierung und Zehntausender von zivilen Opfern schon des öfteren explodiert ist. Zudem weist Sri Lanka die höchste Selbstmordrate der Welt auf (55,6 Selbstmorde pro 100000 Einwohner), und Totschlag und Drogenmissbrauch nehmen ebenso drastisch zu.
November 2001 — der Verzicht auf die Unabhängigkeit:
Im November 2001 schienen neueste Meldungen das Ende des Bürgerkrieges zu belegen. Der neue Premier hatte als vertrauensbildende Maßnahme das Wirtschaftsembargo gegen den Inselnorden, wo die Mehrheit der Tamilen lebt, weitgehend aufgehoben.
Damit war er einer Kernforderung der LTTE nachgekommen, um als weiteren Schritt zu Friedensverhandlungen einen Waffenstillstand vereinbaren zu können. Diese wurden auch unter norwegischer Mediation aufgenommen, zudem konnte mit einer Waffenstillstandsvereinbarung ein erster Schritt zum Frieden geführt werden. Die Tamilen, so hieß es, seien nun bereit, auf die eigene Unabhängigkeit zu verzichten, falls der singhalesische Staat den Tamilen eine weitgehende Autonomie gewähren würden. Tatsächlich sind kurze Zeit später die seit Jahrzehnten andauernden Kämpfe eingestellt worden.
Im Dezember 2002 wurde dann auch das Ende des Bürgerkrieges offiziell verkündet. Tamilen und Singhalesen versuchen nun, die Zukunft der Insel friedlich zu sichern.
Brüchiger Frieden:
Derzeit besteht ein brüchiger Frieden — oder soll man besser “Waffenstillstand” sagen — zwischen den Streitkräften beider Seiten. Die Flutkatastrophe hat die verfeindeten Volksgruppen für einige Tage vereint. In Jaffna — der von der Regierungsarmee gehaltenen Spitze einer Landzunge im Tamilenland — “erzählt man sich von Soldaten der Armee, die Rebellen aus den Fluten retteten, und Aufständischen, die genauso den Militärs halfen” (Financial Times Deutschland, 07.02.2005). “Seite an Seite leisteten sie Soforthilfe an der Nordostküste, dem am schlimmsten verheerten Gebiet des südasiatischen Inselstaates. Zusammen suchten sie nach Leichen, kümmerten sie sich um die Obdachlosen in der Region, … Die Regierung in Colombo ließ Hilfslieferungen direkt dem Krisengebiet zukommen über die Tamilische Rehabilitationsorganisation. Die Befreiungstiger ihrerseits richteten Koordinierungsbüros in den von ihr beherrschten Distrikten ein, die Guerillakämpfer, Regierungsbeamte und Mitarbeiter von Hilfswerken gemeinsam besetzten. Die UN, das Rote Kreuz und andere Organisationen priesen die Effizienz der tamilischen Soforthilfe” (Süddeutsche Zeitung vom 08./09.01.2005).
Allerdings flammen inzwischen die Konflikte zwischen Tamilen und Singhalesen wieder auf.
Nachdem Stimmen laut wurden, die korrupte Staatsverwaltung würde die Hilfslieferungen nicht den wirklich Bedürftigen zuleiten — und die Befreiungstiger würden sich mit den Hilfslieferungen für einen neuen Waffengang die eigenen Lager füllen — setzte die Präsidentin Sri Lankas umgehend Militärkommandeure zur zentralen Organisation der Soforthilfe ein. Allerdings gibt es keinen Militärkommandeur ohne seine zugeordneten Truppenteile. Die Regierungssoldaten bezogen in den tamilischen Auffanglagern ihre Stellungen und verteilen die Hilfslieferungen selbst unter Ausschluss der LTTE.
Diese spricht denn auch von einer “Invasion” und behauptet, die Regierung in Sri Lanka würde die Gebiete, die von der LTTE beherrscht werden, gezielt eine weitergehender Hilfe reduzieren.
Das Klima ist — wie seit Jahrhunderten — vergiftet. Gegenseitiges Misstrauen beherrscht wieder die Handlungen der Beteiligten. Dazu kommen Gerüchte, die LTTE sei durch den Tsunami schwächer geworden und habe etwa einen Großteil ihrer Marine im Hafen von Mullaitivu verloren — ein Anreiz für lokale Scharfmacher, diese “Chance” für einen Schlag gegen die disziplinierte Tamilentruppe zu nutzen.
Erneute Gefechte:
Im Sommer 2006 sind die Gefechte zwischen den Tamilen und den Singhalesenerneut aufgeflammt. Ursächlich ist — wie die Süddeutsche Zeitung am 30. August 2006 berichtete — die Errichtung einer Buddha-Statue im Stadtzentrum von Tricomalee, der Hafenstadt im Osten des Landes, die von buddhistischen Singhalesen, hinduistischen Tamilen und christlichen und moslemischen Minderheiten gleichermaßen bewohnt — und von beiden Seiten beansprucht wird.
Die Errichtung der Statue und deren Sicherung durch die Armee sei für hinduistische und christliche Tamilen eine Provokation gewesen. Der Anführer des politischen Protests gegen diese Provokation wurde auf offener Straße erschossen — mit fünf Jugendlichen, die zu den Anhängern des Protestes gehörten. Als Täter, so schreibt die SZ, schienen nur die Sichrheitskräfte in Frage zu kommen. Die tamilischen Rebellen rächten sich für diese Morde mit Attacken aus dem Hinterhalt, die Armee schlug zurück — Angriff und Gegenangriff schaukelten sich gegenseitig hoch, der Kampf um die Vorherrschaft in Tricomale hat die Streitigkeiten zwischen Tamilen und Singhalesen wieder voll ausbrechen lassen.
Ob vor diesem Hintergrund das Ziel der gemäßigten Kräfte erreichbar ist, bleibt dahin gestellt.
Ziel ist ein Bundesstaat mit weitgehender Autonomie der beiden Bevölkerungsgruppen.
Dabeiwäre es durchaus denkbar, dass die disziplinierte und straff organisierte Truppe der Tamil-Tigers zum Bestandteil einer gemeinsamen Bundesarmee wird.
Externe Links:
Tamilische “Befreiungstiger” verkünden einseitig Waffenruhe — (www.uni-kassel.de)
Neuer Vermittlungsversuch im Bürgerkrieg — (www.uni-kassel.de)
Sri Lanka auf dem Weg zum Frieden? — (www.kas.de)