Motorrad-Ökonomie:
Rund 300 Millionen des 1,1 Mrd. Volkes zählen (Stand 2007) zur ständig wachsenden Mittelschicht des Landes. Das BIP Indiens wird heute zu etwa 2/3 in den Städten des Landes produziert. Alleine aus Bombay kommen fast 40 % der indischen Steuereinnahmen. Das Pro-Kopf-Einkommen ist in den gut zehn Jahren um 80 % gestiegen, was vor allem der stetig zunehmenden Mittelschicht aus Industrie und Behörden zu gut kommen. Während um 1995 nur rund 33 Millionen Haushalte gab, die nicht zu den Ärmsten der Armen gerechnet werden mussten, so sind innerhalb von gut 10 Jahren bereits 76 Millionen Haushalte der Mittel- und Oberklasse zuzurechnen. Im Jahre 2005 wurden in Indien bereits 7,3 Mio. Motorräder, Roller und Mopeds hergestellt. Ein Beispiel ist die “Bullet” der Marke Royal Enfield. 1970 wurde die Fertigung im britischen Mutterland eingestellt — aber im indischen Chennai läuft die Produktion von täglich über 300 Motorrädern (der bereits von der britischen Weltkriegsarmee und dann auch von Indiens Streitkräften genutzten Maschine) weiter. Bis zur letzten Schraube wird inzwischen jedes Teil in Indien hergestellt. Und die Produktion soll ab 2012 sogar auf mehr als 100.000 Maschinen gesteigert werden.
Der landläufige Begriff der “Motorrad-Ökonomie” wird der zunehmend bedeutenderen Mittelschicht Indiens bald nicht mehr gerecht. Im Jahr 2006 wurden schon knapp 2 Mio. Automobile in Indien gebaut, und rund 1,3 Mio. auch in Inden gekauft — 20 % mehr als im Vorjahr. Diese indische Mittelschicht ist hoch gebildet. Indien spricht und liest englisch — was den Indern den Zugriff auf das gesamte westliche Wissen, auf Literatur und Wissenschaft ermöglicht. Rund 15.000 indische Verlage verstärken diesen Wissenstransfer — und bringen jährlich zusätzlich fast 1 Mio. Bücher in den über 20 lokalen Sprachen auf den Markt.
Der Aufschwung wird auch von dieser stetig zunehmenden Mittelschicht getragen, die mit überquellenden öffentlichen Verkehrsmitteln (Bahn und Bus) den täglich stressiger werdenden Weg zur Arbeit zurücklegen. Mumbai (früher Bombay) ist hier ein beredetes Beispiel, und es zeigt, wie die Mittelschicht selbst wieder Arbeitsplätze schafft.
Weil Kantinen und Restaurants für die Mehrheit der Mittelschicht unbekannt ist, wird das mittägliche Menü von zu Hause aus — nicht mitgebracht, nein, — frisch zubereitet an den Arbeitsplatz geliefert. Eine Stafette von Trägern sammelt die in Dosen und anderen Gefäßen verpackten “home-made-menues”, transportiert diese einzelnen, gesammelt und wieder einzeln zu Fuss, mit Fahrrad, Moped, Bahn und Bus in einem ausgeklügelten Streckennetz und liefert die Menüs pünktlich zur Mittagspause am Arbeitsplatz ab.