“Ausgehend von der aktuellen Wachstumsrate wird … die Demokratische Republik Kongo … fünfzig Jahre Frieden brauchen, nur um erneut das Einkommensniveau des Jahres 1960 zu erreichen. Mit dem niedrigen Einkommen, dem geringen Wachstum, der Abhängigkeit von Primärgütern und eienr Geschichte voller Bürgerkriege stehen die Chancen auf fünfzig fortlaufende Friedensjahre jedoch nicht sonderlich hoch.”:
Paul Collier “Die Unterste Milliarde — Warum die ärmsten Länder scheitern und was man dagegen tun kann”, München 2008
Wirtschaftlicher Wiederaufbau:
In (inzwischen) seltener Einigkeit möchten die USA und die EU den Kongo “unter Kurratel” nehmen. Die vom Westenbereit gestellten Mittel zum Wiederaufbau sollen durch die neu gewählte Regierung nur mit Zustimmmung aus Washington und Brüssel vergeben werden. Ein “afrikanischer Rat der Weisen” — gebildet aus renommierten Staatspräsidenten des Kontinents — soll dabei beratende Funktion einnehmen.Mit Hilfe der Weltbank, und unterstützt von der internationalen Mining Consultants Group (EU) sowie Duncan & Allen und Ernst & Young (USA) will der staatliche Minenkonzern Gécamines bereits jetzt die in den Wirren des jahrzehntlangen Bürgerkriegs verkommenen Abbauanlagen wieder in Schuss bringen. Dazu sind neue Minen geplant und in der Erschließung:
Aber auch andere interessieren sich für den Wiederaufbau — China hat bereits bisher von den “schwarz abgebauten” Bodenschätzen profitiert und diese aufgekauft. Vor allem das kongolesische Kuper wurde über Sambia via Tansania oder Südafrika nach China verbracht. Inzwischen bemüht sich die Covec Group (China) auch offiziell um einen Auftrag zur Restaurierung der Kamatanda-Minen und der Aufarbeitungsanlagen für Kupfer und Kobalt.
Ein Beispiel der “internationalen Zusammenarbeit” ist der Ausbau der Infrastruktur. Die über 3000 km lange “Route Nationale 1” von Kinshasa über Kikwit, Tshikapa an der angolanischen Grenze, die Diamantenstadt Mbuji-Mayi und Lubumbashi bei Sambia ist Teil des Transafrica-Highways, der von Algier bis nach Johannesburg führt und damit den Norden des Kontinents (Algerien) mit dem Süden (Südafrika) verbindet. Dennoch würden selbst Abenteuerreisende erhebliche Probleme haben, insbesondere die seit 1960 im Kongo verfallende Strecke zu bewältigen. Selbst mit starken, geländegängigen Allrad-LKWs dauerte bisher die Bewältigung der Schlammlochpiste mehrere Monate. Mit Mitteln der Europäischen Union und der Weltbank wurden bis Mitte 2011 die ersten 560 km erneuert — durch einen chinesischen Konzern, der eine rekordverdächtig kurze Aufbauzeit benötigte. Und rekordverdächtig ist auch die Geschwindigkeit, die nun für die Bewältigung der Strecke zwischn Kinshasa und Kikwit benötigt wird. Aus einer Wochenreise ist nun eine Tagesreise geworden, die bequem im Bus für 15 Dollar zurück gelegt werden kann. Den Bauern der Provinz Bandunu (mit Kikwit) hat die Straße zu Wohlstand verholfen — die landwirtschaftlichen Produkte werden von Zwischenhändlern aufgekauft und in die Hauptstadt Kinshasa gebracht, wo die frische Ware auf den Märkten verkauft wird wie die sprichwörtliche “warme Semmel”. Das Einkommen der Bauern führt auch in der Region zu verstärkter Nachfrage und damit insgesamt zu steigendem Wohlstand. Der schlägt sich wieder in höherem Energiebedarf nieder, der bisher mit Dieselgeneratoren gedeckt wurde — und ein indisches Unternehmen ist dabei, ein Wasserkraftwerk mit einer Leistung von über 9 Megawatt für die örtlichen Bedürfnisse zu errichten (Stand 2011).
China, das vom bürgerkriegszerstörten Angola den Auftrag zum Wiederaufbau der Eisenbahn zwischen Benguela und dem angolanischen Erzgebiet an der Grenze zum kogolesischen Lubumbashi erhalten hat — und mit der Tansania-Sambia Bahnlinie bereits über ein exellentes Referenzobjekt verfügt — hat gute Chancen, sich als wichtiges Abnehmerland für die kongolesischen Erze zu etablieren, und China ist nicht bekannt dafür, seine Finanzen nach Menschenrechtsgesichtspunkten, unter Berücksichtigung von Unterdrückung oder Korruptionzu vergeben.
Ein solcher Wiederaufbau braucht — neben Ruhe und Sicherheit — vor allem eines: Energie; dementsprechend gibt es Pläne für riesige Wasserkraftwerke am Kongo, die nicht nur den Kongo selbst, sondern auch die umliegenden Staaten mit Strom versorgen und somit enorme Einnahmen erzielen könnten.
Eine weitere Möglichkeit der Energieversorgung tut sich am Kivu-See auf, der einen Teil der Grenze zu Ruanda bildet. Auf seinem Grund lagern rund 65 Kubikkilometer Methan in 300 bis knapp 500 Meter Tiefe. Ruandische Ingenieure haben bei Gisenyi bereits ein kleines Kraftwerk mit 30 Megawatt Leistung errichtet, das aus dem Gas im See gespeist wird. Vier weitere, größere Anlagen sind im Bau oder noch geplant. Ein ruandisch-kongolesisches Gemeinschaftsunternehmen möchte ab 2013 sogar ein 200 Megawatt Kraftwerk mit dem Gas betreiben.
Gorillas und Tourismus — oder Öl? Vor dieser Frage steht der Staat zu Beginn des Jahres 2014. Unter dem 1925 gegründeten 300 km langem und gleichzeitig relativ schmalem Nationalpark von Virunga, der die letzten frei lebenden Populationen der Berggorillas beherbergt, sollen sich reiche Ölvorkommen befinden. Die Ölfirma Socco International (britisch) vermutet Milliarden von Litern im Schutzgebiet — und hat im Sommer 2010 von der kongolesischen Regierung entsprechende Lizenzen zur Exploration erhalten. Zunächst hielten aus rivalisierenden Hutu und Tutsi gebildeten, marodierende Milizen wie die Maji Maji, FDLR (ab 2011) und M23 (ab 2012) den britischen Ölkonzern von entsprechenden Erkundungen ab — was aber passiert, wenn der milliardenschwere Ölkonzern entsprechende Schutzgelder zahlt, und dann sogar mit der Förderung beginnen kann? Parkdirektion und die Fischer des Eduard- und Kivu-Sees im Bereich des Schutzgebietes befürchten eine entsprechende Zerstörung der Umwelt. Die Parkdirektion setzt auf Tourismus als Gegenkonzept — und hat begonnen, mit kleinen Wasserkraftwerken eine eigene, kleine, ökologisch unbedenkliche Wirtschaftsgrundlage aufzubauen.