Etwa alle zwei Jahre führen nukleargetriebene U‑Boote der US Navy größere (mehrwöchige) Übungen unter dem Eis der Arktis durch.
Zuletzt hatten im März 2009 zwei U‑Boote der LOS ANGELES-Klasse ein solches immer etwa zweiwöchiges „Icex“ in der Prudhoe Bay nördlich Alaska absolviert. Auf dem Programm stehen dabei diverse – meist strikter Geheimhaltung unterliegende – Aktivitäten, die von der Sammlung hydrographischer Daten über Vermessungen bis hin zu praktischen Erprobungen bei Untereis-Operationen und Torpedoschießen unter arktischen Bedingungen reichen. Zwar waren an „Icex 2009“ neben dem Arctic Submarine Laboratory der US Navy auch Forschungseinrichten des Applied Physics Laboratory der University of Washington beteiligt, aber man befasste sich fast ausschließlich mit militärischen Aspekten
U‑Boot ALEXANDRIA bei ICEX Bildquelle: US Navy |
Dabei hatte die US Navy Anfang der 90-er Jahre mit “Scicex” (Science Ice Exercise) ein Projekt begonnen, bei dem ganz gezielt auch die zivile Forschung von Arktis-Tauchfahrten profitieren sollte. 1993 führte das U‑Boot PARGO (STURGEON-Klasse) mit fünf zivilen Wissenschaftlern an Bord eine erste Fahrt durch. In den kommenden fünf Jahren folgten noch fünf weitere derartige Forschungsreisen unter das Polareis — dann wurde das Projekt stillschweigend „begraben“. Nach dem Ende des Kalten Krieges hatte die US Navy deutlich geringeres Interesse an der Polarregion; unter veränderten Prioritäten gab es zwar noch operative Einsätze unter dem Eis, und bei diesen wurden auch (militärisch relevante) ozeanographische Daten gesammelt; für Fahrten mit primär ziviler Zielsetzung gab es aber kein Geld mehr.
Dies wird sich nun zumindest teilweise wieder ändern. Am 20. Juli unterzeichneten Arktis-Wissenschaftler mit der US Navy ein Abkommen, mit dem das eingestellte “Scicex” im Prinzip wieder belebt wird, auch wenn es weiterhin keine ausschließlich ziviler Forschung dienenden Arktisfahrten von U‑Booten geben wird. Grund ist der Klimawandel, der nicht zuletzt in der Arktis für einen dramatischen Rückgang der Eisbedeckung (derzeit 40 % unter dem 30-jährigen Durchschnitt) sorgt. Die US Navy erwartet bei weiterem Schwund des „ewigen“ Eises eine zunehmende nicht-militärische Nutzung der arktischen Gewässer (Rohstoffabbau, Erschließung neuer internationaler Seeverkehrswege, Tourismus). Damit einhergehend dürfte auch das militärische Interesse an der Region wieder deutlich zunehmen. Hier gilt es, effektiven operativen Einsätzen hinderliche Wissenslücken möglichst schnell zu schließen.
Zivile Forschungseinrichtungen haben in den letzten Jahren bereits umfangreiche Daten über Schneefälle, Oberflächentemperaturen an Land, Rückgang der Permafrostzonen sowie die arktische Fauna gesammelt. Nun sollen bisher nicht zugängliche Daten unter der Eisdecke das Bild komplettieren. Dazu wird die zivile Forschung auf routinemäßige Arktiseinsätze der US Navy aufsatteln. Wissenschaftler haben eine Prioritäten-Liste gewünschter Daten erstellt, die — ohne ihre persönliche Anwesenheit — sämtlich mit bereits an Bord von US U‑Booten installierten Geräten ermittelt werden können: Eisdicke, Strömung, Beschaffenheit des Meeresbodens, Wasserchemie, Unterwasserflora und –fauna. Wann immer sich dazu Freiräume und Möglichkeiten bieten, werden die U‑Bootsbesatzungen bei Tauchfahrten in der Arktis – die weiterhin strenger Geheimhaltung unterliegen – diese Liste abarbeiten und die Ergebnisse jeweils nach Rückkehr an die zivilen Forschungseinrichtungen übermitteln. Neben normalen Untereisfahrten (z.B. bloßen Passagen) sollen so auch die weiterhin durchgeführten „Icex“ künftig in Teilen dem Vorhaben „Scicex“ zuarbeiten.
In Kooperation mit “MarineForum — Zeitschrift für maritime Fragen”
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