Ein Zwischenfall in der Straße von Hormuz lässt auch nach einer Woche noch zahlreiche Fragen unbeantwortet.
Am Sonntag, 7. Januar, früh um 08:00 Uhr hatten drei US-Kriegsschiffe auf dem Weg in den Persischen Golf die Straße von Hormuz fast passiert. Der Kreuzer PORT ROYAL, der Zerstörer HOPPER und die Fregatte INGRAHAM fuhren bei Tageslicht und guter Sicht in Formation in internationalen Gewässern auf dem Schifffahrtsweg, als sich plötzlich fünf mit hoher Geschwindigkeit kleine Speedboote der iranischen Revolutionsgarde (IRGC — Pasdaran See) näherten.
Nach dem üblichen Verfahren forderten sie die US-Kriegsschiffe zur Identifizierung auf, was auch über Funk erfolgte. Dennoch hielten die Boote — so der Bericht der US-Navy — weiter auf den Verband zu, teilten sich in zwei Gruppen, führten weniger als 500 Meter entfernt mit Höchstgeschwindigkeit „aggressive“ Fahrmanöver durch und warfen schließlich sogar „weiße Pakete“ direkt in den Kurs der INGRAHAM. Zugleich wurde ein Funkspruch empfangen, in dem in englischer Sprache angedroht wurde, die US-Schiffe würden „in wenigen Minuten explodieren“.
Das Verhalten der Pasdaran-Boote wurde an Bord der US-Einheiten als „möglicherweise feindliche Absicht“ kategorisiert. Dennoch beschränkte man sich auf Sirenensignale, Ausweichmanöver, Funksprüche und eine Erhöhung der Gefechtsbereitschaft an Bord und sah zu weiteren Maßnahmen wie z.B. Warnschüssen keine Veranlassung. Nach etwa 15–20 Minuten drehten die Pasdaran-Boote ab und kehrten in iranische Gewässer zurück.
Während das iranische Außenministerium von „normalem Verhalten“ sprach und ein Pasdaran-Sprecher das gesamte Ereignis zunächst schlichtweg dementierte, nannte US-Verteidigungsminister Gates den Vorfall als den gravierendsten seit Jahren.
Ein am nächsten Tag von der US-Navy veröffentlichter 4‑minütiger Ausschnitt aus einem von der HOPPER aufgezeichneten, insgesamt 36-minütigen Video sollte die US-Darstellung bestätigen. Tatsächlich sind in unmittelbarer Nähe der US-Kriegsschiffe manövrierende Pasdaran-Boote deutlich zu erkennen, denen man durchaus aggressives Verhalten unterstellen kann. Der Iran behauptet allerdings, dabei handele es sich um eine Fälschung, um ältere (zusammengeschnittene) Aufnahmen, und veröffentlichte seinerseits ein Video, das ein von gegenseitigem Respekt und international üblichen Verfahren gekennzeichnetes Treffen von Pasdaran mit US-Kriegsschiffen wieder gibt.
Das von der US-Navy behauptete Abwerfen verdächtiger Pakete vor den Bug der INGRAHAM ist im US-Video nicht dokumentiert. Im veröffentlichten Teil der Aufnahmen ist auch nicht erkennbar, dass eines der Pasdaran-Boote überhaupt den Kurs der Fregatte kreuzt. Fotos der Pakete wurden bis zum 12. Januar nicht veröffentlicht, und offenbar wurde auch keines der Pakete zur näheren Untersuchung oder als Beweisstück geborgen. Vermutlich auf Nachfrage, erklärte ein Marinesprecher am 11. Januar, man habe sie von der Brücke aus in Augenschein genommen. Sie seien sehr leicht gewesen, hätten an der Oberfläche getrieben, und man sei auch sicher gewesen, dass sie keine Gefahr (für andere Schiffe auf dem Schifffahrtsweg) darstellten. Daher habe man sie einfach ignoriert.
Die über Funk aufgefangene Warnung vor einer „Explosion“ stammt ganz offensichtlich nicht von den Iranern. Mehrere Tage nach dem Zwischenfall scheint man sich einig, dass Urheber eine Funkstation irgendwo an Land ist, über die ein bereits als „Philippine Monkey“ berüchtigter Unbekannter sich des Öfteren auf internationalen Frequenzen in den Funkverkehr in der Straße von Hormuz einmischt.
In den USA wird vor allem hinterfragt, warum man den Pasdaran zwar ein „possibly hostile intent“ attestierte, aber keine drastischeren Maßnahmen traf, die Boote auf Distanz zu halten. Erst am 19. Dezember hatte das Docklandungsschiff WHIDBEY ISLAND in der Straße von Hormuz auf eine ähnliche Annäherung eines Pasdaran-Bootes mit Warnschüssen reagiert – damals hab es keinerlei Pressemitteilung zum Zwischenfall. So mehren sich in internationalen (und auch US-) Medien inzwischen Stimmen, nach denen die US-Regierung ein in der Straße von Hormuz durchaus „übliches“ Verhalten im Nachhinein — weil zeitlich passend — bewusst überzogen darstellt, um es im Zusammenhang mit der derzeitigen Nahostreise von Präsident Bush für politische Zwecke (Festigung einer Anti-Iran Koalition) zu instrumentalisieren.
Im Iran geht man noch einen Schritt weiter und erinnert an den Tonkin-Zwischenfall aus dem August 1964. Damals hatte US-Präsident Johnson einen angeblichen (später nie bewiesenen) Angriff nordvietnamesischer Schnellboote auf einen US-Zerstörer als Vorwand zum Eintritt der USA in den Vietnamkrieg genutzt.
In Kooperation mit “MarineForum — Zeitschrift für maritime Fragen”
Alle Informationen entstammen frei zugänglichen Quellen. Bildquelle: US-Navy