Zwei nach Somalia entführte Schiffe sind wieder frei. Am 26. Februar entließen somalische Piraten den im Oktober im südlichen Somaliabecken vor der Küste Kenias gekaperten japanischen (Flagge: Panama) Frachter IZUMI, und am 3. März kam der deutsche (Flagge: Antigua & Barbuda) Frachter EMS RIVER frei. Das Schiff war am 27. Dezember im Arabischen Meer in die Hände einer Piratengruppe gefallen. Für beide Schiffe und ihre Besatzungen ist wahrscheinlich Lösegeld gezahlt worden, auch wenn die Reeder dazu wie üblich keine Auskunft geben.
EMS RIVER Bildquelle: EU NavFor |
DOVER Bildquelle: marinetraffic.com |
MARSHAL‑5 Bildquelle: naval guards ltd |
Noch ein drittes Schiff befindet sich nicht mehr in den Händen somalischer Piraten. Im November hatte eine Piratengruppe weit im Süden des Somaliabeckens die unter der Flagge der Komoren fahrende, kleine (43m) Fähre ALY ZOULFECAR gekapert. Das Fahrzeug diente ihnen seitdem offenbar als Mutterschiff für weitere Aktionen, auch wenn keine Meldungen auf „Erfolge“ schließen lassen. Nun hat die Odyssee der Fähre ein jähes Ende gefunden. Vor Madagaskar fiel der Antriebsmotor aus. Die Piraten konnten das Fahrzeug noch an die Küste steuern, aber als sie dann an Land gingen und Hilfe suchten, griff die örtliche Polizei zu. 12 Piraten warten nun in einem Gefängnis auf Madagaskar auf ihr weiteres Schicksal.
Die „frei gewordenen“ Liegeplätze an der somalischen Küste konnten sofort wieder neu besetzt werden. Bereits am 24. Februar wurde im Indischen Ozean eine weitere Segelyacht entführt. Das dänische Boot mit insgesamt sieben Insassen, darunter drei Kinder, wurde inzwischen an die somalische Küste gesteuert, wo die Piraten zur Erschwerung einer möglichen Rettungsoperation die Geiseln auf andere gekaperte Schiffe verteilt haben. Am 28. Februar kaperten Piraten im Arabischen Meer (etwa 260 sm nordöstlich von Salalah, Oman) den griechischen (Flagge: Panama) Massengutfrachter DOVER mit 23 Mann Besatzung, meist Filipinos. Auch dieses Schiff hat inzwischen wahrscheinlich die somalische Küste erreicht.
Drei weitere gemeldete Überfälle scheiterten. Am 26. Februar griffen Piraten im Golf von Aden den von iranischen Soldaten gesicherten Tanker IRAN SIFA an, brachen nach Warnschüssen ihr Vorhaben aber sofort ab. Ebenfalls im Golf von Aden, 25 sm vor der jemenitischen Küste, versuchten Piraten am 3. März den dänischen (Flagge: Singapur) Frachter BRATTINGBORG zu kapern, beschossen diesen auch schon. Als dann allerdings ein eingeschifftes ziviles Sicherheitsteam das Feuer erwiderte, drehten die Skiffs schnell ab. Der dänische Eigner zeigte sich erleichtert: „Zum ersten Mal haben wir für eines unserer Schiffe ein bewaffnetes Sicherheitsteam angeheuert, und das war offenbar genau die richtige Entscheidung“. Auch der dritte Überfall scheiterte am Eingreifen eines Sicherheitsteams. Der Besitzer der niederländischen Motorjacht CAPRICORN hatte zur Absicherung der Fahrt von Dschibuti durch das Arabische Meer die zivile Sicherheitsfirma Naval Guards Ltd verpflichtet. Die Firma setzte zum Schutz der Jacht ihr „Sicherheitsboot“ MARSHAL‑5 ein. Am 3. März griffen Piraten Jacht und Sicherheitsboot an, gaben ihr Vorhaben allerdings nach „kurzem aber intensiven“ Feuergefecht auf. Verletzte waren nicht zu beklagen; es entstanden geringe Sachschäden.
Angesichts der offensichtlichen Effektivität eingeschiffter Sicherheitsteams geben immer mehr Reedereien ihre anfänglichen diesbezüglichen Vorbehalte auf. Verwundern kann dies nicht, denn wirkliche Alternativen gibt es nicht. Ein effektiver Schutz von Handelsschiffen durch patrouillierende Kriegsschiffe ist in den riesigen Seegebiete des Indik — vom nördlichen Arabischen Meer bis ins südliche Somaliabecken – unmöglich. Piraten benötigen nur kurze Zeit, um ein Schiff zu kapern, und wenn sich nicht zufällig ein Kriegsschiff in unmittelbarer Nähe befindet, verbieten die durch Geiselnahme geschaffenen Fakten in der Regel ein Eingreifen. Auch der anfängliche Zeitvorteil durch Verbarrikadieren der Besatzung in einer „Zitadelle“ dürfte schon bald schwinden. Die Piraten sind inzwischen meist auch für das Aufbrechen von Stahlschotten ausgerüstet. Ein Umfahren der gesamten Region — wie von manchen Politikern als „Lösung“ vorgeschlagen – ist kaum möglich; schon ein kurzer Blick in einen Atlas zeigt dies. So unterstützt nun auch die United Arab Emirate Shipping Association die Anheuerung privater bewaffneter Sicherheitsteams als „beste Möglichkeit, der somalischen Piraterie zu begegnen, so lange keine internationale Lösung zur Beseitigung des Machtvakuums in Somalia gefunden ist“.
In den USA zeigt die Ermordung der vier US-Segler (am 22. Februar) durch somalische Piraten die erwartete Wirkung. Immer mehr Politiker fordern lautstark harte Maßnahmen zur nachhaltigen Beseitigung der „Plage“. Ein Senator schlug die Einrichtung einer “Pirate Exclusion Zone” vor der somalischen Küste vor. Kein noch so kleines Boot dürfe mehr ohne Erlaubnis in See gehen. Bekannte Piratenstandorte wie Hobyo oder Haradhere seien komplett zu blockieren. Der enorme Kräfteaufwand für die an einer solchen Aktion (mit zeitlich offenem Ende) beteiligten Marinen und die damit verbundenen Kosten spielen bei derartigen, doch sehr populistischen Forderungen offenbar keine Rolle.
Die US Regierung mag denn auch nicht ganz so weit gehen. Außenministerin Hillary Clinton gesteht am 4. März allerdings vor einem Kongressausschuss ein, dass die bisherigen Maßnahmen das Problem Piraterie nicht beseitigen könnten und beklagte, die meisten Nationen seien nicht zu wirklich effektiven Rules of Engagement bereit. Politiker würden sich durchweg damit begnügen, bloße Patrouillen ihrer Seestreitkräfte selbstgefällig als „aktives Bekämpfen der Piraterie“ darzustellen. Clinton hat sicher recht; allerdings gelten die sehr „weichen“ Rules of Engagement auch für Einheiten der US Navy. Auch diese müssen sich in der Regel (noch) damit begnügen, in See angetroffene Piraten lediglich zu entwaffnen und dann unbeschadet ihres Weges ziehen zu lassen – zur schnellen Wiederausrüstung für eine neue Kaperfahrt.
In ihren weiteren Aussagen vor dem Ausschuss ließ die US Außenministerin allerdings keinen Zweifel daran, dass man die Stützpunkte der Piraten an der Küste ins Visier nehmen müsse – wenngleich ein militärisches Eingreifen mit Bodentruppen („boots on the ground“) in Somalia keine Lösung sei. Die Formulierung könnte auf begonnene Überlegungen zu gezielten Schlägen von See her (Kommandounternehmen) hinweisen. Die Geiselsituation dürfte solchen Vorhaben allerdings deutliche Grenzen setzen.
Aktuelle Entwicklungen bei Einsatzkräften
Das spanische Wachschiff INFANTA ELENA hat sich am 26. Februar der EU NavFor in Operation Atalanta angeschlossen. Das Schiff der DESCUBIERTA-Klasse dürfte – wie zuvor bereits Schwesterschiffe – vornehmlich beim Geleit von Schiffen des World Food Program mit Hilfslieferungen für Somalia (unverändert Hauptauftrag der EU Operation Atalanta) zum Einsatz kommen.
ESPERO Bildquelle: ital. Marine |
Die italienische Fregatte ESPERO (MAESTRALE-Klasse) hat am 28. Februar Schwesterschiff ZEFFIRO in der EU NavFor abgelöst. Weitere Verstärkung für den EU-Verband kommt aus südlicher Richtung. Die französische Marine hat am 28. Februar ihre in La Reunion (östlich Madagaskar) stationierte Fregatte NIVOSE in Marsch gesetzt.
In Malaysia beraten Reedereien und Marine über die mögliche Entsendung einer zweiten Marineeinheit zur Begleitung von Schiffen der malaysischen MISC Shipping Company durch die piratengefährdete Region. Im Vordergrund dürften dabei finanzielle Fragen stehen.
Die iranische Fregatte ALVAND und Versorger KHARG sind nach einem viel beachteten „Ausflug“ ins Mittelmeer mit einem Hafenbesuch in Syrien wieder auf dem Weg in den Golf von Aden. Vor ihrer endgültigen Heimreise sollen sie dort vermutlich zunächst noch weitere Anti-Piraterie Operationen durchführen.
In Kooperation mit “MarineForum — Zeitschrift für maritime Fragen”
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