Die anhaltende Großwetterlage mit Wellenhöhen von etwa drei Metern und der Gefahr sich spontan entwickelnder tropischer Stürme macht den Piraten weiterhin ausgedehnte Kaperfahrten auf die hohe See (Somaliabecken) unmöglich. So suchen sie bis zur Wetterbesserung, die saisonbedingt ab Mitte August erwartet wird, ihre Beute vorerst in Küstennähe. Die Erfolgsaussichten sind dabei gering, denn natürlich umfährt die internationale Schifffahrt weiträumig die somalischen Küstengewässer, und im Golf von Aden werden die meisten Handelsschiffe durch Kriegsschiffe gesichert. Die meisten …, aber nicht alle!
GOLDEN BLESSING Bildquelle: EU NavFor |
So hatte der Kapitän des Chemikalientankers GOLDEN BLESSING (14.000 dwt, Flagge Singapur, Besatzung 19 Chinesen) sein Schiff zwar zur Passage durch den Golf von Aden beim Maritime Security Centre Horn of Africa (MSCHOA) angemeldet, sah dann aber offenbar keine Notwendigkeit, sich einem gesicherten Konvoi anzuschließen. Vermutlich war er der Meinung, auf dem Internationally Recommended Transit Corridor (IRTC) sei die Passage des Golfs von Aden auch ohne Geleit sicher. 90 sm südöstlich von Mukallah (Jemen) machten Piraten am 28. Juni unmissverständlich klar, dass dies nicht so ist. Hilferufe kamen zu spät. Die deutsche Fregatte SCHLESWIG-HOLSTEIN (EU NavFor) konnte nur noch die erfolgte Kaperung bestätigen und den Tanker auf seinem Weg an die somalische Küste aus der Ferne beobachten.
Weitere (mögliche) Angriffe werden weiter westlich gemeldet. Es scheint, dass Piraten zunehmend in den nicht international patrouillierten Gewässern der Meerenge des Bab el Mandeb (Südeingang zum Roten Meer) und unmittelbar nördlich davon ihre Beute suchen. Hier melden jemenitische Behörden in den letzten Wochen vermehrt versuchte Überfälle, die bisher aber meist durch eingeschiffte Sicherheitsteams der jemenitischen Streitkräfte abgewehrt werden.
Sat-Bild: Google Earth |
Beobachter argwöhnen, dass nicht alle gemeldeten Zwischenfälle tatsächlich auch versuchte Überfälle durch Piraten sind. Zum einen sind im Gebiet sehr viele Fischer mit ihren kleinen Skiffs unterwegs – und werden von übervorsichtigen Handelsschiffskapitänen oft voreilig als mögliche Piraten gemeldet. Zum anderen beschert die Abstellung von Sicherheitsteams den jemenitischen Streitkräften willkommene Nebeneinkünfte, und es ist nicht auszuschließen, dass die Meldung „zunehmender Überfälle“ mehr Reedereien dazu bewegen soll, diesen „Service“ zu abonnieren.
Im November 2009 hatten die EU Verteidigungsminister beschlossen, eine insgesamt etwa 2.000 Mann starke somalische Truppe durch EU Militärexperten für die Piratenbekämpfung auszubilden. Dahinter stand die „Erkenntnis, dass Seestreitkräfte allein das Problem nicht lösen“ könnten. Piraten müssten „zwingend an Land bekämpft werden“. Eine direkte militärische Intervention an Land kam für die EU aber nicht in Frage. Abseits der Medien hat schon im Februar in Uganda die Ausbildung der Truppe begonnen. Bei einem genannten Zeitbedarf von „sechs Monaten“ sollte sie für ein erstes Kontingent in diesen Wochen abgeschlossen sein. Wie es dann weiter geht, wo die Truppe zum Einsatz kommen soll und wer sie führt, bleibt allerdings vorerst offen. Bei ihrem Beschluss im November hatten die EU Minister erklärt, sich auf die bloße Ausbildung beschränken zu wollen. Man werde keinerlei Waffen zur Verfügung stellen und auch nicht für die Besoldung der Truppe aufkommen. Ob dies heute noch gilt, ist nicht bekannt.
Aktuelle Entwicklungen bei Einsatzkräften
Bei den vor Somalia eingesetzten Marinen und Einsatzgruppen gehen die Wachablösungen weiter. Im südchinesischen Zhanjiang hat sich die 6. Einsatzgruppe der chinesischen Marine auf den Weg ans Horn von Afrika gemacht. Sie wird von der Südflotte gestellt und besteht aus dem Zerstörer LANZHOU (LUJANG-II-Klasse) und dem Docklandungsschiff KUNLUN SHAN; für letzteres (2008 in Dienst gestellt, bisher Einzelschiff) hat damit die erste Auslandsreise überhaupt begonnen. Vor Ort wird der schon bei der derzeit noch im Golf von Aden operierenden 5. Gruppe eingesetzte Flottenversorger WEISHAN HU auch die nun anreisende Ablösung unterstützen.
Chinesischer Zerstörer LANZHOU Bildquelle: China Defense Forum |
Der zur Zeit im Rahmen der NATO Anti-Piraterie Operation „Ocean Shield“ vor Somalia eingesetzte ständige NATO-Verband SNMG‑2 hat am 30. Juni im ägyptischen Safaga (Rotes Meer) einen Führungswechsel vollzogen, bei dem die niederländische Fregatte DE ZEVEN PROVENCIEN die britische Fregatte CHATHAM für die kommenden sechs Monate als Flaggschiff ablöste. Während nun die Fregatte im Kampf gegen die Piraterie „die niederländische Flagge hoch hält“, hat sich das niederländische Docklandungsschiff JOHAN DE WITT (EU NavFor) auf den Heimweg gemacht. An Bord befindet sich auch ein Kontingent der Streitkräfte Maltas, das in den letzten Wochen bei mehreren Boardings und Durchsuchungen zum Einsatz kam. Sie sollen von der JOHAN DE WITT auf dem Rückweg in Valetta (Malta) abgesetzt werden.
Am 3. Juli ist die neue russische Einsatzgruppe (diesmal gestellt von der Nordflotte) im Golf von Aden eingetroffen und hat sofort mit dem Geleit von Handelsschiffen begonnen. Zur Gruppe gehören der Zerstörer ADMIRAL LEVCHENKO (UDALOY-Klasse), der Flottentanker OLEKMA sowie der Bergeschlepper GORYN SB-36 der Schwarzmeerflotte.
In Kooperation mit “MarineForum — Zeitschrift für maritime Fragen”
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