In einem aktuellen Bericht gibt das Office of Drugs and Crime der Vereinten Nationen die Anzahl somalischer Piraten mit insgesamt etwa 3.500 an. In den meisten anderen Quellen war bisher von etwa 2.000 die Rede. Man mag nun darüber diskutieren, ob die bisherigen Zahlen schlichtweg falsch waren, oder aber die somalischen Piraten mit ihrem „lukrativen Geschäftsmodell“ in der jüngsten Vergangenheit regen Zulauf hatten. In jedem Fall wird deutlich, dass zu einer nachhaltigen Lösung des “Problems Piraterie” in dem ostafrikanischen Land weit mehr notwendig ist als bloße Patrouillen von Seestreitkräften mit gelegentlichen Festnahmen einiger weniger Verbrecher. Auf der in der abgelaufenen Woche in London (Großbritannien) durchgeführten internationalen Somalia Conference wurde dies zwar ähnlich gesehen, aber reale Beschlüsse zur Umsetzung dieser Erkenntnis gab es nicht. Meldungen britischer Medien, die britische Regierung überlege, den Hubschrauberträger OCEAN mit Kampfhubschraubern und Royal Marines zur direkten Bekämpfung somalischer Piraten (und radikal-islamischer al-Shabaab Milizen) in ihren Landbasen vor die somalische Küste zu beordern, sind wohl erst einmal nicht mehr als bloße Gerüchte.
LEILA (Quelle: gcaptain.com) |
In der Region konnten somalische Piraten wieder einmal mindestens ein Schiff entführen. Am 16. Februar kaperten sie im Arabischen Meer, nahe der omanischen Küste, den in den Vereinigten Arabischen Emiraten registrierten kleinen Ro-/Ro-Frachter LEILA. Das Schiff mit seiner gemischt indisch/pakistanisch/somalischen Besatzung ist regelmäßig in der Region unterwegs. Es ist klein, alt (Bj. 1973) und wenig wert. Experten erwarten denn auch keine Lösegeldforderung und vermuten eine Nutzung der LEILA als Mutterschiff für weitere Raubzüge.
Möglicherweise wurde noch ein weiteres, ähnliches Schiff entführt, denn zum ebenfalls in den VAE registrierten kleinen Frachter SAVINA-FAHAD ging „im Indischen Ozean“ der Funkkontakt verloren. Das Schiff hatte in Kismayo (Somalia) eine Ladung Holzkohle an Bord genommen.
In der gesamten Region sind mehrere Piratengruppen in See unterwegs, und es wurden auch einige versuchte Überfälle gemeldet. Dabei deutet sich möglicherweise eine neue Taktik an, denn in zumindest einem Fall sollen Piraten mit ihrem Mutterschiff einen Maschinenschaden simuliert und einen vorbeifahrenden Frachter „um Hilfe gebeten“ haben.
Am 18. Februar griffen Piraten mit einem Skiff im Somaliabecken, etwa 500 sm östlich der Seychellen, einen Chemikalientanker an, brachen nach Warnschüssen eines eingeschifften ziviles bewaffneten Sicherheitsteams den Überfall aber schnell wieder ab. Am 22. Februar wurde im Ostteil des Golfs von Aden der Tanker NORTH STAR (Flagge: Singapur) angegriffen. Auch hier konnte ein eingeschifftes ziviles bewaffnetes Sicherheitsteam die Piraten nach kurzem Feuergefecht zum Abdrehen veranlassen.
Boardingteam der BERLIN stoppt mutmaßliche Piraten (Foto: EU NavFor) |
SOMERSET (Foto: Deutsche Marine) |
Der in der Nähe operierende Einsatzgruppenversorger BERLIN (EU NavFor) der Deutschen Marine nahm sofort Kurs auf den Schauplatz des Geschehens. Bordhubschrauber konnten das flüchtende Skiff stellen; ein Boardingteam nahm die acht Insassen in Gewahrsam. Über ihr weiteres Schicksal ist noch nicht entschieden. Strafverfolgung in Deutschland kommt sicher nicht in Frage, und wenn die mutmaßlichen Piraten nicht einem regionalen Staat übergeben werden können, dürften sie schon bald wieder frei gelassen (an der somalischen Küste abgesetzt) werden. Ihr mutmaßliches Mutterschiff – eine Dhau – wird indes durch ein anderes Kriegsschiff der EU NavFor aufmerksam beobachtet.
Ein in der letzten Woche an dieser Stelle dargestellter Zwischenfall sorgt weiter für Schlagzeilen. An Bord des italienischen Tanker ENRICA LEXIE als Sicherheitsteam eingeschiffte Marineinfanteristen des San Marco Regimentes der italienischen Marine hatten vor der südindischen Küste bei einem „angenommenen“ Überfall vermutlich zwei indische Fischer erschossen. Die indische Küstenwache fing den Tanker ab und „geleitete“ ihn nach Kochi. Zwei Marineinfanteristen wurden festgenommen; auf sie wartet indischen Medien zufolge eine Mordanklage. Die italienische Marine behauptet, die Männer hätten lediglich Warnschüsse in die Luft und ins Wasser abgegeben; das Skiff sei dabei gar nicht getroffen worden. Klarheit kann hier nur eine Untersuchung der Waffen (ballistischer Vergleich) bringen, die bei einer gerichtlich angeordneten Durchsuchung der ENRICA LEXIE inzwischen von den indischen Behörden sichergestellt wurden.
Eine erste Konsequenz aus dem Vorfall gibt es bereits. Indiens Seeschifffahrtsbehörde fordert für alle fremden Schiffe, die mit bewaffneten Sicherheitsteams an Bord indische Gewässer befahren, ein so genanntes „Flag-State Endorsement’. Damit würde die Regierung eines Staates, unter dessen Flagge ein Schiff fährt, direkt verantwortlich für jede von dem eingeschifften Sicherheitsteam durchgeführte Aktion.
Aktuelle Entwicklungen bei Einsatzkräften
Die japanische Marine hat die Ablösung ihrer im Golf von Aden mit Geleitschutzaufgaben operierenden Einheiten vollzogen. Im Einsatz sind nun die Zerstörer MURASAME und HARUSAME, während die in den letzten Monaten eingesetzten Zerstörer TAKANAMI und OONAMI in Richtung Heimat abgelaufen sind. Auf dem Weg dorthin trafen sie am 22. Februar zu einem kurzen Hafenbesuch in Colombo (Sri Lanka) ein.
Am 24. Februar erreichte die britische Fregatte WESTMINSTER (TYPE 23) den Golf von Aden. Hauptauftrag ist die Teilnahme an der Anti-Terror Operation „Enduring Freedom“, aber erst einmal schloss sich das Schiff der multinationalen CTF-151 im Anti-Piraterieeinsatz an.
Für Schwesterschiff SOMERSET ging am gleichen Tag mit dem Einlaufen in der heimischen Naval Base Devonport eine im August 2011 begonnene Einsatzfahrt in der Mittelost-Region („East of Suez Deployment“) zu Ende. Auch die SOMERSET war dabei zeitweilig in Anti-Piraterieeinsätze eingebunden.
In Kooperation mit “MarineForum — Zeitschrift für maritime Fragen”
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