Aus allen Seegebieten am Horn von Afrika und im Indik, von der Meerenge des Bab el Mandeb bis ins Arabische Meer und weit nach Süden zur Straße von Mosambik, werden versuchte Überfälle und verdächtige Annäherungen von Skiffs an Handelsschiffe gemeldet, aber neue Beute konnten Piraten offenbar nicht machen.
Karte: gcaptain.com |
So wurde am 15. November vor dem Ostausgang des Golfs von Aden der singapursche Produktentanker BW DANUBE von zwei Skiffs angegriffen. Der Kapitän befahl die Besatzung bis auf das Brückenteam in einen Schutzraum und fuhr dann scharfe Ausweichmanöver. Ein bewaffnetes Sicherheitsteam war nicht an Bord, aber als Signalmunition abgefeuert wurde, drehten die Piraten dennoch ab und kehrten zu ihrem wartenden Mutterschiff zurück.
Weiter südlich, im Somaliabecken 450 sm östlich von Kenia, hatten Piraten mit einem Skiff einige Tage zuvor das Containerschiff ER COPENHAGEN angegriffen. Auch hier war kein bewaffnetes Sicherheitsteam an Bord, der Kapitän befahl die Besatzung in einen Schutzraum und fuhr dann Ausweichmanöver – bis die Piraten schließlich aufgaben. Am Schiff und einigen Containern entstanden Schäden durch Beschuss mit Handwaffen und Panzerfaustgranaten. Im Nordteil der Straße von Mosambik meldete ein Handelsschiff am 14. November die „verdächtige Annäherung“ von drei Skiffs, konnte sich aber einem möglichen Angriff entziehen. Weitere Überfälle scheiterten am 16. November knapp nördlich der Komoren sowie am 17. November östlich von Kenia. In diesen beiden Fällen brachen die Piraten ihre Angriffe nach Warnschüssen eingeschiffter Sicherheitsteams sofort ab.
Während die an diesen Überfällen beteiligten Piraten nun auf neue Beute warten, konnten Kriegsschiffe zwei Piratengruppen aus dem Verkehr ziehen – wenn auch sicher nur vorübergehend. Am 12. November sichtete ein japanisches Aufklärungsflugzeug im Golf von Aden, nahe dem besonders beobachteten und teils auch gesicherten Seeverkehrsweg (IRTC – International Recommended Transit Corridor), ein verdächtiges Skiff. Das herangeführte dänische Mehrzweckschiff ABSALON (NATO) konnte das Boot abfangen. Ein Boardingteam entdeckte „Piratenausrüstung“, die konfisziert wurde. An Bord wurde genug Kraftstoff, Wasser und Lebensmittel gelassen; die sieben mutmaßlichen Piraten durften dann Kurs auf Somalia nehmen. Ein bereits begangenes Verbrechen war ihnen nicht nachzuweisen.
Drei Tage später stieß das spanische Wachschiff INFANTA CRISTINA (EU NavFor) ebenfalls im Golf von Aden auf die pakistanische Dhau AL TALAL. Das unter der Flagge der Komoren fahrende kleine Frachtschiff war zwölf Tage zuvor von somalischen Piraten gekapert und seitdem als Mutterschiff genutzt worden. Als das Kriegsschiff sich näherte, warfen die Piraten sofort alle Waffen über Bord. Die bis dahin als Geiseln gehaltene Besatzung der Dhau nutzte die Gelegenheit und überwältigte ihre Entführer. Das spanische Boardingteam stieß auf keinen Widerstand mehr.
Boardingteams der INFANTA CRISTINA an der Dhau (Foto: span. Marine) |
Die Piraten waren allerdings schon bald wieder auf freien Fuß. Der Kapitän der Dhau hatte offenbar kein Interesse daran, als möglicher Zeuge in einem Gerichtsverfahren (in einem fremden Land) wertvolle Zeit zu verlieren, und ohne seine Aussage bestand keine Möglichkeit einer Strafverfolgung. Während die Dhau mit Kraftstoff, Wasser und Lebensmitteln für die Weiterfahrt in einen sicheren omanischen Hafen versorgt wurde, musste die INFANTA CRISTINA die Piraten an die somalische Küste bringen und dort absetzen. Sie werden sich schnell zum Lager ihrer Kumpane durchschlagen, dort neu ausrüsten und zu einer weiteren Kaperfahrt aufbrechen.
Kurzmeldungen
70 sm vor dem Nigerdelta, in einem Ölfeld des Chevron Konzerns, haben Bewaffnete am 18. November das Offshore-Versorgungsschiff C‑ENDEAVOUR geentert und drei Besatzungsmitglieder als Geiseln genommen. Hier sind allerdings weniger „normale“ Piraten zu vermuten, sondern eher eine militante Gruppe der im Nigerdelta aktiven MEND-Rebellen.
Die Verteidigungsminister Südafrikas und Mosambiks haben eine Vereinbarung (Memorandum of Intent) zur gemeinsamen „signifikanten Reduzierung der Bedrohung durch somalische Piraten in der Straße von Mosambik“ geschlossen.
Indien und die Malediven wollen die Seeverkehrswege nahe der Inselgruppe in gemeinsamen, koordinierten See- und Luftpatrouillen schützen.
In Frankreich hat der erste Prozess gegen mutmaßliche somalische Piraten begonnen. Die sechs Männer waren 2008 festgenommen worden, als ein Spezialeinsatzkommando der französischen Marine eine von ihnen entführte französische Segeljacht befreite.
Die niederländische Regierung hat nationale Reeder gewarnt, auf eigene Faust bewaffnete Sicherheitsteams anzuheuern. Man werde für besonders gefährdete Schiffe ausreichend militärische Sicherheitsteams (in 2012 zunächst 50) bereit stellen, und dies sei „völlig ausreichend“; private Aktionen blieben verboten.
Vor der Küste Benins hat eine gemeinsam von den Marinen Benins und Nigerias aufgestellte Einsatzgruppe acht mutmaßliche Piraten festgenommen. Die näheren Umstände wurden nicht gemeldet, aber die Piraten „brüderlich geteilt“: je vier wurden zur Strafverfolgung an die Behörden Benins und Nigerias überstellt.
Aktuelle Entwicklungen bei Einsatzkräften
Die japanischen Zerstörer SAMIDARE und UMIGIRI haben nach Ablösung durch zwei andere Zerstörer ihren Einsatz am Horn von Afrika beendet und die Heimreise angetreten. Am 12. November liefen sie zu einem mehrtägigen Hafenbesuch in Colombo (Sri Lanka) ein. Die portugiesische Fregatte FRANCISCO DE ALMEIDA (ex-niederländische KAREL DOORMAN-Klasse) hat mit Einlaufen in Lissabon ihren mehrmonatigen Einsatz zur Unterstützung der NATO Operation „Ocean Shield“ beendet.
Die 10. Einsatzgruppe der chinesischen Marine (Zerstörer HAIKOU, Fregatte YUNZHENG und Versorger POYANG HU) hat nach 13 Tagen Marschfahrt den östlichen Golf von Aden erreicht und sich dort mit der 9. Einsatzgruppe (Zerstörer WUHAN, Fregatte YULIN, Versorger QINGHAIHU) getroffen. Beide Verbände werden im Zuge der Übergabe einige Tage gemeinsam operieren (Konvois begleiten), bevor die 9. Gruppe dann die Heimreise nach China antritt.
Chinesen üben im Golf von Aden (Foto: offz) |
Die deutsche Fregatte LÜBECK hat am 18. November ihren Heimathafen Wilhelmshaven mit Kurs auf das Horn von Afrika verlassen. Das Schiff soll sich in den kommenden Monaten der EU NavFor in Operation „Atalanta“ anschließen und die Fregatte BAYERN in dieser Aufgabe ablösen. Rückkehr nach Deutschland ist im April 2012 geplant.
Taiwan überlegt angeblich die Entsendung eines Marineverbandes „mit mindestens einem Kriegsschiff und einem Versorger” ans Horn von Afrika. Sie sollten die zahlreichen vor der somalischen Küste fahrenden taiwanesischen Fischer vor Piraten schützen. Medien melden, der Verband solle evtl. schon an diesem Wochenende auslaufen. Offizielle Dienststellen wollen die Berichte weder bestätigen noch dementieren. Ähnliche Überlegungen hatte es schon vor zwei Jahren gegeben; sie waren aber offenbar wieder ad acta gelegt worden. Taiwan hat zu keinem Land in der Region diplomatische Beziehungen, und taiwanesische Kriegsschiffe könnten sich in einem Einsatz dort auch in keinem Hafen logistisch abstützen. Die Entsendung eines Marineverbandes wäre so mit „enormen Herausforderungen“ verbunden. Deutlich einfacher und sicher auch effektiver wäre die Einschiffung bewaffneter (militärischer) Sicherheitsteams auf den taiwanesischen Fischereifahrzeugen. Kriegsschiffe können ohnehin nur punktuell operieren, d.h. nur Fischer in unmittelbarer Nähe schützen.
In Kooperation mit “MarineForum — Zeitschrift für maritime Fragen”
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