Update Piraterie — Stand 15.01.2012

Zwei von soma­lis­chen Pirat­en ent­führte Schiffe und ihre Besatzun­gen kamen in der abge­laufe­nen Woche nach Zahlung von jew­eils mehreren Mil­lio­nen US-Dol­lar Lösegeld wieder frei.

Marineforum - FAIRCHEM BOGEY (Quelle: EUNavFor)
FAIRCHEM BOGEY (Quelle: EUNavFor) 

Zunächst wurde am 8. Jan­u­ar der schon im Sep­tem­ber 2010 im Golf von Aden gekaperte mal­te­sis­che Tanker OLIB G ent­lassen; 15 geor­gis­che Besatzungsmit­glieder wur­den inzwis­chen in die Heimat zurück geflogen. 

Am 13. Jan­u­ar durfte dann auch der Pro­duk­ten­tanker FAIRCHEM BOGEY seinen Anker­platz vor der soma­lis­chen Küste ver­lassen und Kurs auf einen sicheren Hafen nehmen. Das Schiff hat­te im August 2011 Schlagzeilen gemacht, als es direkt vor dem oman­is­chen Hafen Salalah auf Reede liegend gekapert wor­den war. 

Unklar ist, ob die Ver­brech­er in den let­zten Tagen neue Beute machen kon­nten. Eine einzelne Medi­en­mel­dung, nach der soma­lis­che Pirat­en am 10. Jan­u­ar im Golf von Aden einen mit 30.000 t petro­chemis­chen Pro­duk­ten belade­nen iranis­chen Tanker ent­führten, wird aus anderen Quellen (noch) nicht bestätigt. Ganz auszuschließen ist die Kape­rung allerd­ings nicht. Die iranis­che Führung ist vor allem bemüht, über die staatlichen Medi­en den „durch­schla­gen­den Erfolg“ des Anti-Pira­terieein­satzes der iranis­chen Marine her­auszustellen; gelun­gene Kape­run­gen passen hier sich­er nicht ins Bild. Möglich ist überdies, dass sich derzeit über­haupt keine iranis­chen Kriegss­chiffe im Ein­satz befind­en. Die 16. Ein­satz­gruppe war am 18. Dezem­ber nach Ban­dar Abbas zurück gekehrt; zu ein­er möglichen Ablö­sung gibt es bish­er keine Infor­ma­tio­nen. So kön­nte der Staats­führung in Teheran dur­chaus daran gele­gen sein, die „pein­liche“ Ent­führung eines Schiffes aus­gerech­net während ein­er Ein­satz­pause der Marine (nach zwei Jahren erfol­gre­ich­er fast Dauer­präsenz) aus den Medi­en her­aus zu hal­ten – und ein iranis­ch­er Reed­er wird sich hier sich­er nicht kon­trapro­duk­tiv verhalten. 

Anson­sten wird aber der Gegen­wind für die soma­lis­chen Pirat­en zuse­hends stärk­er. Immer häu­figer wer­den ihre Mut­ter­schiffe nach gemelde­ten Angrif­f­en gezielt gesucht und „neu­tral­isiert“ oder auch schon kurz nach dem Able­gen vom Strand vor den Lagern an der soma­lis­chen Küste abge­fan­gen. Zu ein­er solchen „Neu­tral­isierung“ hat­ten wir vor ein­er Woche an dieser Stelle berichtet; nun liegen dazu auch Details vor. Dem­nach hat das dänis­che Mehrzweckschiff ABSALON (NATO) am 6. Jan­u­ar im Golf von Aden die kurz zuvor als Mut­ter­schiff bei einem Angriff gemeldete Dhau AL-QASHMI abge­fan­gen. Die von ein­er pak­istanisch-iranis­chen Crew gefahrene Fracht-Dhau war einige Wochen zuvor gekapert und anschließend als Mut­ter­schiff für weit­ere Raubzüge genutzt wor­den. 25 mut­maßliche soma­lis­che Pirat­en wur­den an Bord der ABSALON interniert, ihre Aus­rüs­tung kon­fisziert. Ob (und wo) ihnen der Prozess gemacht wer­den kann, ist allerd­ings fraglich. Wie fast immer in solchen Fällen müssen sie wahrschein­lich schon bald wieder an der soma­lis­chen Küste abge­set­zt werden. 

Marineforum - Royal Marines stoppen Piraten-Dhau (Foto: Royal Navy)
Roy­al Marines stop­pen Pirat­en-Dhau (Foto: Roy­al Navy) 

Eine weit­ere Pirat­en-Dhau wurde am 7. Jan­u­ar von einem NATO-Kriegss­chiff direkt nach dem Ver­lassen der soma­lis­chen Küste südlich der Piraten­hochburg Hobyo abge­fan­gen. Auch der Ver­such soma­lis­ch­er Pirat­en, den im Okto­ber gekaperten Pro­duk­ten­tanker LIQUID VELVET als Mut­ter­schiff zu nutzen, hat­te keinen Erfolg. Knapp 100 sm vor der soma­lis­chen Küste fing der britis­che Flot­ten­ver­sorg­er FORT VICTORIA (NATO) das Schiff ab. Zwar ver­bot sich wegen der an Bord gehal­te­nen Geiseln ein gewalt­sames Stop­pen und Board­ing. Allein die enge Begleitung durch die FORT VICTORIA mit geziel­ter War­nung aller auch nur in die Nähe kom­menden Han­delss­chiffe genügte aber schon. Frus­tri­ert been­de­ten die Pirat­en ihre geplante Kaper­fahrt und kehrten mit dem Tanker an die soma­lis­che Küste zurück. 

Im Ostein­gang des Golfs von Aden, südöstlich von Salalah (Oman), fand eine weit­ere Kaper­fahrt ihr vorzeit­iges Ende. Nach­dem am 12. Jan­u­ar ein Han­delss­chiff gle­ich zwei ver­suchte Kape­run­gen durch zwei Skiffs gemeldet hat­te, macht­en sich der britis­che Ver­sorg­er FORT VICTORIA und der US-Zer­stör­er CARNEY (bei­de NATO) auf die Suche nach der Piraten­gruppe – und wur­den schnell fündig. Eine verdächtige Dhau reagierte nicht auf Funkan­rufe, set­zte auch nach Warn­schüssen eines britis­chen Bor­d­hub­schraubers unbeir­rt ihre Fahrt fort. Der Ein­satz von Speed­booten mit einem Ein­satzkom­man­do der Roy­al Marines set­zte der Flucht ein Ende. 

Durch­suchung der Dhau förderte Waf­fen und Pirate­naus­rüs­tung zutage; alle 13 an Bord befind­lichen mut­maßlichen Pirat­en wur­den an Bord der FORT VICTORIA in Gewahrsam genom­men. Ihr Raubzug ist damit been­det, aber auch bei ihnen dürfte die Beweis­lage für eine Strafver­fol­gung nicht aus­re­ichen. Ihre baldige Freilas­sung ste­ht zu erwarten. 

Ein­deutig sind dage­gen aber die Beweise bei ein­er am 12. Jan­u­ar direkt vor Mogadis­chu festgenomme­nen Gruppe von Pirat­en. Der spanis­che Ver­sorg­er PATINO (Flag­gschiff der EU Nav­For) hat­te ger­ade einen Frachter des World Food Pro­gram mit ein­er Hil­f­s­liefer­ung bis vor den Hafen der soma­lis­chen Haupt­stadt begleit­et. In der Mor­gendäm­merung hiel­ten Pirat­en das spanis­che Mari­neschiff offen­bar für leichte Beute. Sie grif­f­en mit einem Skiff an und beschossen den „zivilen Frachter“ auch bere­its mit Handwaffen. 

Marineforum - Piraten werden nach Angriff auf PATINO gestellt (Foto: EUNavFor)
Pirat­en wer­den nach Angriff auf PATINO gestellt (Foto: EUNavFor) 

Als ihr Feuer erwidert wurde und auch noch ein Hub­schrauber von der PATINO startete, erkan­nten sie schnell ihren Irrtum und gaben auf. Sechs Pirat­en (fünf davon mit Schuss­wun­den) wur­den festgenom­men; ein siebter soll bei dem kurzen Gefecht getötet wor­den sein (über Bord gefall­en). Die ver­hin­derten Ent­führer wer­den sehr wahrschein­lich schon bald vor Gericht stehen. 

Kurzmeldungen 

  • Zwölf am 5. Jan­u­ar von der US Navy bei der Befreiung ein­er gekaperten und als Mut­ter­schiff genutzten iranis­chen Fis­ch­er-Dhau fest­ge­set­zte soma­lis­che Pirat­en wur­den nach Aus­bleiben eines iranis­chen Aus­liefer­ungser­suchens im Jemen an Land geset­zt. Eben­falls ohne Hand­habe für eine Strafver­fol­gung schoben die dor­ti­gen Behör­den die Män­ner über den Golf von Aden in die semi-autonome soma­lis­che Prov­inz Punt­land ab. In ihrer dor­ti­gen Heimat wur­den sie allerd­ings sofort festgenom­men und warten nun in einem örtlichen Gefäng­nis auf ihren Prozess.
  • Jemeni­tis­che Behör­den haben sieben mut­maßliche soma­lis­che Pirat­en festgenom­men. Die Män­ner — vier von ihnen mit Schuss­wun­den — waren vor der jemeni­tis­chen Küste in ihrem treiben­den Skiff von örtlichen Fis­ch­ern gefun­den wor­den. Ange­blich waren sie beim Ver­such ein Han­delss­chiff zu entern von einem auf diesem eingeschifften bewaffneten Sicher­heit­steam unter Beschuss genom­men worden.
  • Vor West­afri­ka sind üblicher­weise nur vor Anker liegende Schiffe Ziel von örtlichen Pirat­en, die es vor allem auf Ladung und Wert­ge­gen­stände abge­se­hen haben. Ein am 9. Jan­u­ar gemelde­ter Über­fall passt allerd­ings nicht in dieses Schema. Im Golf von Guinea, etwa 90 sm südlich der nige­ri­an­is­chen Insel Bon­ny, grif­f­en Pirat­en mit einem Skiff das nor­wegis­che Con­tain­er­schiff SPAR RIGEL an, belegten dieses auch mit Gewehrfeuer. Zuvor war beobachtet wor­den, wie das Skiff von einem Fis­chtrawler aus­ge­set­zt wor­den war. Während sich der Großteil der Besatzung des Frachters in einem Schutzraum ver­bar­rikadierte, kon­nte das Brück­en­team die Pirat­en ausmanövrieren.
  • Der Ablauf des Über­falls ist für die Region völ­lig untyp­isch, gle­icht vielmehr dem Vorge­hen soma­lis­ch­er Pirat­en. So sehen einige Medi­en hier denn auch soma­lis­che Pirat­en am Werk. Sollte dies stim­men, sind in der Region in den kom­menden Tagen weit­ere ähn­liche Über­fälle zu erwarten. Dies wäre dann auch ein Hin­weis, dass vor ihrer eige­nen Küste zunehmend unter Druck ger­a­tende soma­lis­che Pirat­en angesichts möglich­er „Mil­lio­nen-Ren­diten“ ihre Aktio­nen weit­er über­re­gion­al ausweit­en. In diesem Fall dürften poli­tis­che Vorstöße zu ein­er Bekämp­fung der Pirat­en an ihrer Basis an Land in Soma­lia neues Gewicht bekommen.
Marineforum - ADMIRAL TRIBUTS (Foto: Deutsche Marine)
ADMIRAL TRIBUTS (Foto: Deutsche Marine) 

Aktuelle Entwick­lun­gen bei Ein­satzkräften

Die 7. Ein­satz­gruppe der rus­sis­chen Paz­i­fik­flotte — mit dem Zer­stör­er ADMIRAL TRIBUTS, dem Flot­ten­tanker PECHENGA und dem Hochsee­bergeschlep­per SORUM MB-37 hat am 12. Jan­u­ar den Golf von Aden erre­icht und sich mit den Schif­f­en der 6. Ein­satz­gruppe getroffen. 

Nach kurz­er Über­gabe und vielle­icht eini­gen Tagen gemein­samer Oper­a­tio­nen wird die ADMIRAL TRIBUTS mit ihren bei­den Hil­f­ss­chif­f­en dann mit Kon­voi-Geleit­fahrten begin­nen – so wie sie es 2009 schon ein­mal getan hat­te. Die seit Sep­tem­ber einge­set­zte ADMIRAL PANTELEYEV wird sich gemein­sam mit dem zu ihrem Ver­band gehören­den Flot­ten­tanker BORIS BUTOMA und dem Bergeschlep­per FOTIY KRYLOV auf den Rück­weg in die Heimat machen. 

In Koop­er­a­tion mit “Marine­Fo­rum — Zeitschrift für mar­itime Fra­gen

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