Update Piraterie — Stand 13. Mai 2012

Eine Serie von Über­fällen macht deut­lich, dass das Prob­lem „Pira­terie am Horn von Afri­ka“ weit von ein­er Lösung ent­fer­nt bleibt, und sie zeigt überdies, dass die Pirat­en vor allem dort Beute suchen, wo sie nur geringes Risiko einge­hen, auf patrouil­lierende Kriegss­chiffe zu tre­f­fen.

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VAN AMSTEL befre­it iranis­che Dhau (Foto: niederl. Marine) 

Ein solch­es Gebi­et ist das offene Ara­bis­che Meer bis in das nördliche Soma­li­abeck­en. Etwa 250 sm südöstlich des Oman bis südlich von Soco­tra sind zur Zeit offen­bar gle­ich mehrere Piraten­grup­pen aktiv. Am 7. Mai griff eine Gruppe südlich von Soco­tra ein Han­delss­chiff an, das sich mit Auswe­ich­manövern jedoch ret­ten kon­nte. Am 9. Mai wurde der näch­ste ver­suchte Über­fall gemeldet: 250 sm südöstlich von Salalah (Oman) grif­f­en Pirat­en mit zwei Skiffs einen Tanker an, beschossen diesen dabei auch schon mit Panz­er­fäusten und Gewehren. Mehrere Geschosse trafen (und beschädigten) den Brück­e­nauf­bau des Tankers, aber die Enter­ver­suche der Pirat­en blieben erfol­g­los, und das Schiff kon­nte sich ret­ten. Später meldete der Tankerkapitän, er habe in der Nähe ein möglich­es Piraten­mut­ter­schiff mit weit­eren bis zu acht Skiffs gesichtet. 

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Im gle­ichen Gebi­et waren die ver­mut­lich gle­ichen Pirat­en einen Tag später dann erfol­gre­ich. Am 10. Mai kaperten sie den griechis­chen (Flagge: Liberia) Tanker SMIRNY. Mit 26 Mann Besatzung und ein­er Ladung von 135.000t (fast 1 Mio. Bar­rel) Rohöl war das Schiff der „Suez­max-Klasse“ in der Türkei ges­tartet und hat­te den „gefährlichen“ Golf von Aden (in einem begleit­eten Kon­voi?) auch schon sich­er passiert. Trotz der Höch­st­geschwindigkeit von nur 9 Knoten hat­te die Reed­erei auf die Ein­schif­fung eines bewaffneten Sicher­heit­steams verzichtet, obwohl Flaggen­staat Liberia dies aus­drück­lich ges­tat­tet. Auswe­ich­manöver kon­nten den schw­er­fäl­li­gen Tanker nicht ret­ten. Die Pirat­en enterten die SMYRNI und steuern sie nun in Rich­tung soma­lis­che Küste. Die multi­na­tionale Ein­satz­gruppe CTF-151 hat Kriegss­chiffe beordert, den Tanker auf seinem Kurs abz­u­fan­gen und zunächst eng zu beschatten. 

In der Region ist noch min­destens eine zweite Piraten­gruppe unter­wegs, denn fast zeit­gle­ich mit der Kape­rung der SMIRNY wurde etwa 150 sm weit­er südlich ein weit­er­er Tanker von einem mit sechs Pirat­en beset­zten Skiff ange­grif­f­en und beschossen. Hier brachen die Ver­brech­er ihren Über­fall aber sofort ab, als ein eingeschifftes bewaffnetes Sicher­heit­steam ihr Feuer erwiderte. Der Ver­gle­ich zwis­chen der Kape­rung der SMYRNI und dem fast zeit­gle­ich abge­brochen Über­fall auf den anderen Tanker unter­stre­icht ein­mal mehr die Wirk­samkeit eingeschiffter bewaffneter Sicher­heit­steams. Nach wie vor gilt: noch nie (!) kon­nten soma­lis­che Pirat­en ein solcher­maßen geschütztes Schiff ent­führen. Nicht von unge­fähr fordert der Bun­desver­band der Sicher­heitswirtschaft (BDSW) in der abge­laufe­nen Woche denn auch nach­drück­lich die Schaf­fung klar­er dies­bezüglich­er Rechts­grund­la­gen für deutsche Sicher­heit­sun­ternehmen, die bish­er „in ein­er Grau­zone“ arbeit­eten. Die Bun­desregierung hat es damit aber offen­bar nicht son­der­lich eilig. 

Dabei zeigt die Über­fallserie in den Seege­bi­eten östlich von Soco­tra doch sehr deut­lich auch die nur begren­zten Möglichkeit­en von Seestre­itkräften zu ein­er effek­tiv­en Eindäm­mung der Pira­terie. Natür­lich hat man bei NATO und EU Nav­For schon die Über­fälle am 7. und 9. Mai reg­istri­ert und auch entsprechende Gebi­etswar­nun­gen her­aus­gegeben. Eine zeit­na­he Reak­tion ist allerd­ings kaum möglich. Die Ver­legung eines z.B. im Golf von Aden ste­hen­den Kriegss­chiffes in das gut 1.000 km ent­fer­nte Gebi­et dauert gut zwei Tage, und dann müssten die Pirat­en zwis­chen zahlre­ichen Fis­ch­ern und kleinen Fracht-Dhaus ja auch erst ein­mal gefun­den und iden­ti­fiziert wer­den. Auch Aufk­lärung­sein­sätze von Flugzeu­gen kön­nen hier nur begren­zt (Tages­licht) helfen. Reak­tion auf erfol­gte Über­fälle kommt so meist zu spät; nur in Aus­nah­me­fällen kön­nen Piraten­grup­pen noch in der Nähe des Tatortes gestellt und „neu­tral­isiert“ wer­den. Zu per­ma­nen­ter Präsenz mit effek­tiv­er Abdeck­ung eines in der Größe etwa Mit­teleu­ropa ver­gle­ich­baren Gebi­etes oder gar Erweiterung der Kon­voigeleits über den im Golf von Aden ein­gerichteten IRTC (Inter­na­tion­al­ly Rec­om­mend­ed Tran­sit Cor­ri­dor) hin­aus reichen die Kräfte bei Weit­em nicht. 

Trotz­dem gibt es auch Erfolge zu ver­melden. Am 6. Mai kon­nte die jemeni­tis­che Küstenwache in der Nähe von Soco­tra eine Gruppe mut­maßlich­er Pirat­en stellen und 14 Soma­lis in Gewahrsam nehmen. Am 12. Mai ent­deck­te der Bor­d­hub­schrauber der nieder­ländis­chen Fre­gat­te VAN AMSTEL (EU Nav­For) bei einem rou­tinemäßi­gen Aufk­lärungs­flug vor der Küste Soma­lias eine Dhau mit zwei Skiffs im Schlepp. 

Die herange­führte nieder­ländis­che Fre­gat­te fing das Fahrzeug — eine iranis­che Fis­cherd­hau — ab. Es war vor zehn Tagen von soma­lis­chen Pirat­en ent­führt und seit­dem als Mut­ter­schiff genutzt wor­den. 17 Iranis­che Fis­ch­er wur­den befre­it und kon­nten mit ihrer Dhau Kurs auf die Heimat nehmen; 11 mut­maßliche Pirat­en wur­den an Bord der Fre­gat­te fest­ge­set­zt. Für sie wird nun ein regionales Land gesucht, das sie vor Gericht stellt. 

Aktuelle Entwick­lun­gen bei Ein­satzkräften

Die frühere 10. chi­ne­sis­che Ein­satz­gruppe mit dem Zer­stör­er HAIKOU, der Fre­gat­te YUNCHENG und dem Ver­sorg­er QINGHAI HU hat am 5. Mai mit Ein­laufen in den Heimath­afen Zhan­jiang ihren am 2. Novem­ber begonnenen Ein­satz beendet. 

Am 7. Mai hat sich die deutsche Fre­gat­te BREMEN in Wil­helmshaven auf den Weg ans Horn von Afri­ka gemacht; sie soll den Ein­satz­grup­pen­ver­sorg­er BERLIN in der EU Nav­For ablösen. Auf dem Weg in die Region ist auch die nieder­ländis­che Fre­gat­te EVERTSEN. Das Schiff lief am 10. Mai aus Den Helder aus und soll im Juni als dann Flag­gschiff des NATO-Ein­satzver­ban­des SNMG‑1 die örtliche Führung der NATO-Oper­a­tion „Ocean Shield“ übernehmen. 

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NIVOSE (Foto: EU NavFor) 

Die dauer­haft in Reunion sta­tion­ierte franzö­sis­che Fre­gat­te NIVOSE hat erneut für mehrere Wochen nach Dschibu­ti ver­legt. Seit dem 10. Mai unter­stützt das Schiff der FLO­RE­AL-Klasse in der EU Nav­For die EU Oper­a­tion „Ata­lan­ta“.

Britis­chen Medi­en zufolge haben Ein­schnitte im Vertei­di­gung­shaushalt die Möglichkeit­en der Roy­al Navy zur Beteili­gung an Anti-Pira­terieop­er­a­tio­nen erhe­blich eingeschränkt. Eigentlich soll­ten vier Fre­gat­ten eine dauer­hafte Präsenz (mit Rota­tion) ermöglichen, aber genau diese Schiffe (TYPE-22) seien nach dem Strate­gic Defence & Secu­ri­ty Review (Okt 2010) sämtlich kurzfristig aus­ge­mustert wor­den. Für Oper­a­tio­nen „East of Suez“ seien derzeit generell nur noch jew­eils zwei Kampf­schiffe ver­füg­bar, für die aber andere regionale Auf­gaben höhere Pri­or­ität hät­ten. Auch sei unklar, ob der Ver­sorg­er FORT VICTORIA seinen Ein­satz fort­set­zen könne. 

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