Eine Serie von Überfällen macht deutlich, dass das Problem „Piraterie am Horn von Afrika“ weit von einer Lösung entfernt bleibt, und sie zeigt überdies, dass die Piraten vor allem dort Beute suchen, wo sie nur geringes Risiko eingehen, auf patrouillierende Kriegsschiffe zu treffen.
VAN AMSTEL befreit iranische Dhau (Foto: niederl. Marine) |
Ein solches Gebiet ist das offene Arabische Meer bis in das nördliche Somaliabecken. Etwa 250 sm südöstlich des Oman bis südlich von Socotra sind zur Zeit offenbar gleich mehrere Piratengruppen aktiv. Am 7. Mai griff eine Gruppe südlich von Socotra ein Handelsschiff an, das sich mit Ausweichmanövern jedoch retten konnte. Am 9. Mai wurde der nächste versuchte Überfall gemeldet: 250 sm südöstlich von Salalah (Oman) griffen Piraten mit zwei Skiffs einen Tanker an, beschossen diesen dabei auch schon mit Panzerfäusten und Gewehren. Mehrere Geschosse trafen (und beschädigten) den Brückenaufbau des Tankers, aber die Enterversuche der Piraten blieben erfolglos, und das Schiff konnte sich retten. Später meldete der Tankerkapitän, er habe in der Nähe ein mögliches Piratenmutterschiff mit weiteren bis zu acht Skiffs gesichtet.
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Im gleichen Gebiet waren die vermutlich gleichen Piraten einen Tag später dann erfolgreich. Am 10. Mai kaperten sie den griechischen (Flagge: Liberia) Tanker SMIRNY. Mit 26 Mann Besatzung und einer Ladung von 135.000t (fast 1 Mio. Barrel) Rohöl war das Schiff der „Suezmax-Klasse“ in der Türkei gestartet und hatte den „gefährlichen“ Golf von Aden (in einem begleiteten Konvoi?) auch schon sicher passiert. Trotz der Höchstgeschwindigkeit von nur 9 Knoten hatte die Reederei auf die Einschiffung eines bewaffneten Sicherheitsteams verzichtet, obwohl Flaggenstaat Liberia dies ausdrücklich gestattet. Ausweichmanöver konnten den schwerfälligen Tanker nicht retten. Die Piraten enterten die SMYRNI und steuern sie nun in Richtung somalische Küste. Die multinationale Einsatzgruppe CTF-151 hat Kriegsschiffe beordert, den Tanker auf seinem Kurs abzufangen und zunächst eng zu beschatten.
In der Region ist noch mindestens eine zweite Piratengruppe unterwegs, denn fast zeitgleich mit der Kaperung der SMIRNY wurde etwa 150 sm weiter südlich ein weiterer Tanker von einem mit sechs Piraten besetzten Skiff angegriffen und beschossen. Hier brachen die Verbrecher ihren Überfall aber sofort ab, als ein eingeschifftes bewaffnetes Sicherheitsteam ihr Feuer erwiderte. Der Vergleich zwischen der Kaperung der SMYRNI und dem fast zeitgleich abgebrochen Überfall auf den anderen Tanker unterstreicht einmal mehr die Wirksamkeit eingeschiffter bewaffneter Sicherheitsteams. Nach wie vor gilt: noch nie (!) konnten somalische Piraten ein solchermaßen geschütztes Schiff entführen. Nicht von ungefähr fordert der Bundesverband der Sicherheitswirtschaft (BDSW) in der abgelaufenen Woche denn auch nachdrücklich die Schaffung klarer diesbezüglicher Rechtsgrundlagen für deutsche Sicherheitsunternehmen, die bisher „in einer Grauzone“ arbeiteten. Die Bundesregierung hat es damit aber offenbar nicht sonderlich eilig.
Dabei zeigt die Überfallserie in den Seegebieten östlich von Socotra doch sehr deutlich auch die nur begrenzten Möglichkeiten von Seestreitkräften zu einer effektiven Eindämmung der Piraterie. Natürlich hat man bei NATO und EU NavFor schon die Überfälle am 7. und 9. Mai registriert und auch entsprechende Gebietswarnungen herausgegeben. Eine zeitnahe Reaktion ist allerdings kaum möglich. Die Verlegung eines z.B. im Golf von Aden stehenden Kriegsschiffes in das gut 1.000 km entfernte Gebiet dauert gut zwei Tage, und dann müssten die Piraten zwischen zahlreichen Fischern und kleinen Fracht-Dhaus ja auch erst einmal gefunden und identifiziert werden. Auch Aufklärungseinsätze von Flugzeugen können hier nur begrenzt (Tageslicht) helfen. Reaktion auf erfolgte Überfälle kommt so meist zu spät; nur in Ausnahmefällen können Piratengruppen noch in der Nähe des Tatortes gestellt und „neutralisiert“ werden. Zu permanenter Präsenz mit effektiver Abdeckung eines in der Größe etwa Mitteleuropa vergleichbaren Gebietes oder gar Erweiterung der Konvoigeleits über den im Golf von Aden eingerichteten IRTC (Internationally Recommended Transit Corridor) hinaus reichen die Kräfte bei Weitem nicht.
Trotzdem gibt es auch Erfolge zu vermelden. Am 6. Mai konnte die jemenitische Küstenwache in der Nähe von Socotra eine Gruppe mutmaßlicher Piraten stellen und 14 Somalis in Gewahrsam nehmen. Am 12. Mai entdeckte der Bordhubschrauber der niederländischen Fregatte VAN AMSTEL (EU NavFor) bei einem routinemäßigen Aufklärungsflug vor der Küste Somalias eine Dhau mit zwei Skiffs im Schlepp.
Die herangeführte niederländische Fregatte fing das Fahrzeug — eine iranische Fischerdhau — ab. Es war vor zehn Tagen von somalischen Piraten entführt und seitdem als Mutterschiff genutzt worden. 17 Iranische Fischer wurden befreit und konnten mit ihrer Dhau Kurs auf die Heimat nehmen; 11 mutmaßliche Piraten wurden an Bord der Fregatte festgesetzt. Für sie wird nun ein regionales Land gesucht, das sie vor Gericht stellt.
Aktuelle Entwicklungen bei Einsatzkräften
Die frühere 10. chinesische Einsatzgruppe mit dem Zerstörer HAIKOU, der Fregatte YUNCHENG und dem Versorger QINGHAI HU hat am 5. Mai mit Einlaufen in den Heimathafen Zhanjiang ihren am 2. November begonnenen Einsatz beendet.
Am 7. Mai hat sich die deutsche Fregatte BREMEN in Wilhelmshaven auf den Weg ans Horn von Afrika gemacht; sie soll den Einsatzgruppenversorger BERLIN in der EU NavFor ablösen. Auf dem Weg in die Region ist auch die niederländische Fregatte EVERTSEN. Das Schiff lief am 10. Mai aus Den Helder aus und soll im Juni als dann Flaggschiff des NATO-Einsatzverbandes SNMG‑1 die örtliche Führung der NATO-Operation „Ocean Shield“ übernehmen.
NIVOSE (Foto: EU NavFor) |
Die dauerhaft in Reunion stationierte französische Fregatte NIVOSE hat erneut für mehrere Wochen nach Dschibuti verlegt. Seit dem 10. Mai unterstützt das Schiff der FLOREAL-Klasse in der EU NavFor die EU Operation „Atalanta“.
Britischen Medien zufolge haben Einschnitte im Verteidigungshaushalt die Möglichkeiten der Royal Navy zur Beteiligung an Anti-Piraterieoperationen erheblich eingeschränkt. Eigentlich sollten vier Fregatten eine dauerhafte Präsenz (mit Rotation) ermöglichen, aber genau diese Schiffe (TYPE-22) seien nach dem Strategic Defence & Security Review (Okt 2010) sämtlich kurzfristig ausgemustert worden. Für Operationen „East of Suez“ seien derzeit generell nur noch jeweils zwei Kampfschiffe verfügbar, für die aber andere regionale Aufgaben höhere Priorität hätten. Auch sei unklar, ob der Versorger FORT VICTORIA seinen Einsatz fortsetzen könne.
In Kooperation mit “MarineForum — Zeitschrift für maritime Fragen”
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