Auch diese Monsunzeit geht allmählich zu Ende, und dementsprechend leben die Aktivitäten somalischer Piraten wieder deutlich auf. Für große Teile des Indik gilt bereits die Bedrohungsstufe „rot“ (siehe Karte). Lediglich vor der somalischen Küste sowie im südlichen Somaliabecken und im südlichen Indik (östlich Madagaskar) werden Kaperfahrten noch durch Wind und Wellen beeinträchtigt.
Piratenbedrohung (Karte: gcaptain.com) |
So wurden in der abgelaufenen Woche denn auch eine ganze Reihe versuchte Überfälle gemeldet. Am 25. Februar griffen Piraten im Arabischen Meer vor der omanischen Küste das kleine singapursche Containerschiff KOTA ARIF an. Ein eingeschifftes bewaffnetes Sicherheitsteam konnte den Angriff abwehren. Als die sofort ins Gebiet beorderte italienische Fregatte GRECALE (NATO) vor Ort eintraf, fand sich von den Piraten keine Spur mehr.
Am gleichen Tag will die iranische Marine (eingeschifftes Sicherheitsteam?) im südlichen Roten Meer knapp nördlich der Meerenge des Bab el Mandeb einen Überfall auf einen iranischen Tanker vereitelt haben. Gleich sechs Skiffs seien „in die Flucht geschlagen“ worden. Möglicherweise waren es nur harmlose Fischer, die auf dem Kurs des Tankers ihrer Arbeit nachgingen. Piraten sind aber definitiv in der Region auch am Werk, denn drei Tage später griffen im gleichen Seegebiet zwei Skiffs ein anderes Handelsschiff an, beschossen dieses auch, konnten aber nicht an Bord gelangen.
Am 27. Februar waren Piraten im äußersten nördlichen Golf von Oman aktiv, fast schon im Südeingang zur Straße von Hormuz. Drei Skiffs verfolgten ein Containerschiff, gaben nach Warnschüssen eines eingeschifftes bewaffnetes Sicherheitsteam ihr Vorhaben aber schnell auf. 120 sm südöstlich von Salalah (Oman) näherten sich mutmaßliche Piraten mit einem Skiff (Enterleitern an Bord) einem Frachter, drehten dann aber unvermutet wieder ab.
BERLIN Boarding Team bringt Skiff auf (Foto: EU NavFor) |
In Medienmeldungen der abgelaufenen Woche findet sich gleich mehrmals auch der deutsche Einsatzgruppenversorger BERLIN (EU NavFor). Das Schiff hat nicht nur zur bloßen Unterstützung der in Operation „Atalanta“ eingesetzten Zerstörer und Fregatten an das Horn von Afrika verlegt, sondern führt (mit seinen zwei Bordhubschraubern Sea King) Aufgaben eines „vollwertigen Kampfschiffes“ durch. Schon in der Vorwoche hatte die BERLIN nach dem Angriff auf den Tanker NORTH STAR (22 Feb) ein Skiff gestellt und acht mutmaßliche Piraten in Gewahrsam genommen. Für eine Strafverfolgung reichten die Beweise allerdings nicht aus, und so mussten die Männer am 25. Februar wieder an der somalischen Küste abgesetzt werden.
Drei Tage später griffen im Golf von Aden Piraten mit einem Skiff den Frachter SPILIANI (Flagge: Marshall Islands) an, wurden durch ein eingeschifftes bewaffnetes Sicherheitsteam aber erfolgreich abgewehrt. Frustriert kaperten sie daraufhin die zufällig in der Nähe fahrende kleine Frachtdhau ALASMA. Nach Notrufen nahm die BERLIN Kurs auf den Ort des Geschehens. Ein Bordhubschrauber entdeckte die gekaperte Dhau und ein Skiff, musste aber Abstand halten, als die Piraten die Ermordung der Besatzung der ALASMA androhten. Ein Boarding verbot sich also, aber die BERLIN blieb nun in unmittelbarer Nähe der gekaperten Dhau, die damit für die Piraten nicht zu weiteren Überfällen genutzt werden konnte. Immer eng beschattet von der BERLIN steuerten sie die somalische Küste an, wo sie am 2. März an Land gingen und die ALASMA samt Besatzung wieder frei gaben.
Unverändert sind am Horn von Afrika eingesetzte Kriegsschiffe auch bemüht, Kaperfahrten schon im Ansatz zu unterbinden und mutmaßliche Piraten möglichst schon beim Verlassen der somalischen Küste abzufangen. Am 28. Februar entdeckte das dänische Mehrzweckschiff ABSALON (NATO) eine Dhau, die gerade von der Küste ablegte und Kurs auf die offene See nahm. Funkanrufe blieben unbeantwortet, auch auf Warnschüsse reagierte das Fahrzeug nicht. Nach Genehmigung durch den zuständigen Kommandeur wurde die Dhau schließlich durch gezielte Schüsse gestoppt und durch ein Boardingteam unter Kontrolle gebracht. Erst jetzt stellte sich heraus, dass es sich um ein gekapertes Fahrzeug handelte, dessen 18 Mann Besatzung (Iraner, Pakistani) als Geiseln mit an Bord waren. Zwei dieser Geiseln waren so schwer verletzt (Ursache unklar), dass sie wenig später verstarben; die anderen 16 waren unversehrt. Insgesamt 17 mutmaßliche Piraten wurden an Bord der ABSALON festgesetzt. Nach dänischem Recht können sie nicht strafrechtlich belangt werden. So beginnt denn einmal mehr die Suche nach einem regionalen Land, das bereit ist, sie vor Gericht zu stellen. Sollte dies nicht gelingen, müssen die Verbrecher unbeschadet wieder frei gelassen werden.
Westafrika
Zwei Überfälle wurden am 29. Februar vor der Küste Nigerias gemeldet. Auf See, etwa 80 sm vor der Küste des Nigerdeltas, verfolgten mutmaßliche Piraten einen nigerianischen Tanker, der durch Ausweichmanöver aber einer Kaperung entgehen konnte. Direkt an der Küste enterte eine bewaffnete Gang einen vor Port Harcourt ankernden Frachter, raubte Wertsachen und setzte sich dann mit drei Besatzungsmitgliedern als Geiseln schnell wieder ab. Die drei Geiseln wurden wenig später der Rebellengruppe MEND (Movement for the Emancipation of the Niger Delta) „angeboten“.
Der Vorfall verdeutlicht einmal mehr die Unterschiede zur Piraterie am Horn von Afrika. Vor Westafrika geht es in der Regel „nur“ um Raubüberfälle. Mit ganz wenigen Ausnahmen sind vor der Küste oder auf Reede ankernde Schiffe Ziel von Banden, die es nur auf Wertsachen an Bord abgesehen haben. Schiffe werden nur sehr selten entführt, und dann auch nicht zur Erpressung von Lösegeld, sondern um ihre Ladung zu stehlen. In der Regel kommen sie nach wenigen Tagen wieder frei. Es gibt an der westafrikanischen Küste kein „Sanktuarium“, wo Piraten unbehelligt durch regionale Sicherheitskräften von ihnen gekaperte Schiffe weithin sichtbar monatelang fest halten können. Dies ist – weltweit – derzeit nur vor Somalia möglich.
Salisbury Island im Hafen von Durban (Quelle: Google Earth) |
Kurzmeldungen
- Die Außenminister der EU haben eine Verlängerung der Operation „Atalanta“ bis 2014 beschlossen. Forderungen zur Ausweitung der Operation auch auf aktive Bekämpfung der Piraten in ihren Landstützpunkten an der somalischen Küste blieben einmal mehr unberücksichtigt, auch wenn Resolutionen des UN Sicherheitsrates dies ausdrücklich zulassen.
- Die hohe Präsenz internationaler Seestreitkräfte veranlasst die somalischen Piraten zunehmend zum Ausweichen in bisher nicht patrouillierte Seegebiete. Ein solches Ausweichgebiet sind die Küstenregionen vor Tansania und Mosambik, bis hinein in die Straße von Mosambik. Diese Entwicklung veranlasst die südafrikanische Marine, über eine Reaktivierung ihres in den letzten Jahren weitgehend ungenutzten, kleinen Stützpunkt Salisbury Island im Hafen von Durban nachzudenken. Abstützung auf diese Basis würde die Anmarschwege der bisher von Simon’s Town (bei Kapstadt) zu Patrouillen in die Straße von Mosambik verlegenden Kriegsschiffe um immerhin fast 1.500 km verkürzen.
- Großbritannien und die Niederlande wollen gemeinsam den Aufbau eines regionalen Nachrichtenzentrums finanzieren. Das „Regional Anti-Piracy Prosecutions Intelligence Coordination Centre“ (RAPPICC) soll auf den Seychellen eingerichtet werden. Es soll Aufklärungsergebnisse und nachrichtendienstliche Erkenntnisse bündeln und koordinieren und vor allem dabei helfen, gerichtlich verwertbare Beweise zu sammeln und den regionalen Strafverfolgungsbehörden verfügbar zu machen.
Aktuelle Entwicklungen bei Einsatzkräften
Am 26. Februar hat sich die spanische Korvette INFANTA ELENA (DESCUBIERTA-Klasse) in Dschibuti der EU NavFor bei der Operation “Atalanta” angeschlossen. Die französische Fregatte LA MOTTE PICQUET hat dagegen mit Rückkehr in den Heimathafen Brest am 28. Februar ihre viermonatige Einsatzfahrt im Indik beendet. Zeitweise war das Schiff auch der EU NavFor angegliedert.
In Qingdao hat sich am 28. Februar die 11. Einsatzgruppe der chinesischen Marine auf den Weg ans Horn von Afrika gemacht. Zu ihr gehören der Zerstörer QINGDAO (LUHU-Klasse), die Fregatte YANTAI (JIANGKAI-II-Klasse) sowie der Flottenversorger WEISHAN HU. Die drei Schiffe werden für die Verlegung ins Einsatzgebiet mehrere Wochen benötigen. Ebenfalls mehrere Wochen unterwegs sein wird der US-Zerstörer McFAUL. Das Schiff der ARLEIGH BURKE-Klasse lief am 26. Februar aus seinem Heimathafen Norfolk an der US Atlantikküste aus und wird sich wahrscheinlich der multinationalen Einsatzgruppe CTF-151 anschließen.
Die deutsche Fregatte LÜBECK hat sich vorübergehend aus der EU NavFor abgemeldet. Das Schiff verlegt nach Südafrika, wo die bilaterale Übung „Good Hope“ mit der südafrikanischen Marine auf dem Programm steht. Die erste Phase (bis 10. März) findet gemeinsam mit der südafrikanischen Fregatte ISANDLWANA in der Straße von Mosambik statt; Schwerpunkt sind hier Anti-Piraterie Operationen. Diese Übungsphase sollte eigentlich schon am 29. Februar beginnen, scheint sich aber etwas zu verzögern. Bei einem Zwischenstopp in Mombasa (Kenia) kam es zu einer leichten Kollision der LÜBECK mit einer Fähre. Personen kamen nicht zu Schaden.
LÜBECK (Foto: Michael Nitz) |
In der zweiten Übungsphase (11.–25. März) wird sich die LÜBECK dann vor der südafrikanischen Küste gemeinsam mit der südafrikanischen Fregatte AMATOLA und dem U‑Boot QUEEN MODJADJI traditionellen Seekriegsszenarien widmen. Neben den Übungen in See plant die LÜBECK noch Hafenbesuche in Simon’s Town und Durban, bevor sie dann wieder zur EU NavFor vor die somalische Küste zurück kehrt.
In Kooperation mit “MarineForum — Zeitschrift für maritime Fragen”
Alle Informationen entstammen frei zugänglichen Quellen.