Somalische Piraten haben am 1. Dezember den im April östlich von Tansania gekaperten singapurschen Chemikalientanker GEMINI frei gegeben. Kurz zuvor hatte ein Flugzeug Lösegeld über dem vor der somalischen Küste verankerten Schiff abgeworfen. Möglicherweise blieb dieses aber hinter den Erwartungen der Piraten zurück, denn es sollen nicht auch alle 25 Mann Besatzung frei gelassen worden sein. Vier Südkoreaner, darunter der Kapitän der GEMINI, sollen an Land gebracht worden sein und dort weiter als Geiseln festgehalten werden.
Karte: gcaptain.com |
Auch in diesem Berichtszeitraum konnten somalische Piraten keine neue Beute machen, obwohl zahlreiche „Pirate Action Groups“ (PAG) in der Region unterwegs sind und auch eine ganze Reihe versuchte Überfälle gemeldet wurden. So griffen Piraten am 26. November zwischen Kenia und den Seychellen einen Frachter an, drehten aber ab, als ein eingeschifftes bewaffnetes Sicherheitsteam (VPD – Vessel Protection Detachment) Warnschüsse abgab. Am 29. November versuchten Piraten vor dem Ostausgang des Golfs von Aden den Frachter CHRISTINA IV zu kapern, beschossen diesen auch mit Panzerfaustgranaten, gaben dann aber doch auf, als ein eingeschifftes bewaffnetes VPD ihr Feuer erwiderte und der Frachter erratische Ausweichmanöver fuhr. Ebenfalls an einem VPD scheiterte am 30. November ein Überfall auf den Massengutfrachter FANEROMENI. Hier konnte das eingeschiffte Sicherheitsteam gleich zwei Skiffs erfolgreich auf Distanz halten.
Glücklos blieb auch eine Gruppe Piraten weiter südlich im Somaliabecken. In der Nähe der Seychellen hatte eine PAG mit einem Mutterboot (Whaler) und zwei Skiffs ein spanisches Fischereifahrzeug angegriffen. Als der Bordhubschrauber des in der Nähe operierenden britischen Versorgers FORT VICTORIA (NATO) am Schauplatz des Geschehens auftauchte, brachen sie ihr Vorhaben ab, aber für eine Flucht war es zu spät; eines der Skiffs versuchte dies, wurde aber schnell durch Schüsse vom Hubschrauber gestoppt. Die insgesamt sieben Piraten wurden auf der FORT VICTORIA interniert, die auch den Whaler und Piratenausrüstung als Beweismittel an Bord nahm. Die beiden Skiffs wurden vermutlich an Ort und Stelle versenkt.
FORT VICTORIA fängt Piraten ab (Foto: NATO) |
Im Juli 2009 hatten Großbritannien und die Seychellen ein bilaterales Abkommen zur Strafverfolgung festgenommener Piraten geschlossen, und diese Vereinbarung wird nun erstmals in die Praxis umgesetzt. Nach Rücksprache mit der dortigen Regierung wurden die sieben Somalier samt Beweismaterial auf die Seychellen gebracht und den Behörden übergeben.
Nun haben somalische Piraten schon seit einigen Wochen keine neue Beute machen können, auch wenn Statistiken belegen, dass sie aktiver denn je sind. Der Gegenwind für sie wird offenbar zusehends stärker. Dafür gibt es mehrere Gründe. Zum einen haben immer mehr Schiffe ein bewaffnetes Sicherheitsteam an Bord, und bisher konnten Piraten tatsächlich noch kein einziges solchermaßen geschütztes Handelsschiff kapern. Zum anderen zeigen aber auch die zunehmend koordinierten Operationen internationaler Streitkräfte Wirkung. Immer mehr Handelsschiffskapitäne melden verdächtige Boote unmittelbar an ein zentrales Lagezentrum, das dann sofortige Aufklärung durch Flugzeuge oder in der Nähe befindliche Kriegsschiffe veranlasst. Andere Handelsschiffe können so punktgenau gewarnt werden, verdächtige Fahrzeuge gezielt abgefangen und überprüft werden. In der Folge entsteht so ein zusehends genaueres und aktuelleres Lagebild, dessen Informationen (z.B. die ”Alert Details” des NATO Shipping Centre) auch Handelsschiffe in See nutzen können, und das ihnen die Vermeidung von möglichen PAG ermöglicht, ohne sie gleich zu großen Umwegen zu zwingen. Dieser „Service“ wird dankend angenommen. Daneben wird auch der Schutz von Konvois im Golf von Aden zunehmend koordinierter, und schließlich wird die Überwachung der Piratenlager an der somalischen Küste immer effektiver. Zu Kaperfahrten aufbrechende PAG werden häufig schon beim Verlassen der somalischen Küste erkannt und dann entweder sofort abgefangen und neutralisiert, oder zumindest „getrackt“.
Politiker sollten sich allerdings hüten, die derzeitigen Erfolge zum Anlass zu nehmen, mit Blick auf finanzielle Kosten die Einsätze von See- und Seeluftstreitkräften zurück zu fahren. Vermindertes Engagement wird den somalischen Piraten sofort wieder eine bessere Erfolgsquote bescheren. Bloße Bekämpfung der Symptome kann die „Krankheit Piraterie“ nicht heilen. Die Einsätze von Kriegsschiffen und Flugzeugen werden so lange notwendig bleiben, bis den Verbrechern auch an Land und in ihren internationalen finanziellen Verflechtungen die Basis entzogen wird. Hier gibt es auf internationaler politischer Ebene noch sehr viel zu tun (z.B. Schaffung internationaler Mechanismen zur Strafverfolgung).
In einigen Regionen Somalia selbst gibt es durchaus Ansätze, das Übel zu beseitigen. So hat Ende November eine Gruppe von neun Piraten von ständigen Kriegsschiff-Patrouillen vor der Küste frustriert ihr Lage bei Hobyo aufgegeben und sich weiter nördlich in der Region Eyl (Puntland) einen neuen Stützpunkt gesucht. Erfolgreich war dieser Schritt nicht, denn an ihrem neuen Lager wurden die Piraten postwendend von örtlichen Sicherheitskräften der semi-autonomen Provinz Puntland festgenommen.
Kurzmeldungen
Griechenland will mit einem neuen Gesetz unter griechischer Flagge fahrenden Handelsschiffen die Einschiffung ziviler bewaffneter Sicherheitsteams erlauben. Bis zu sechs Bewaffnete sollen ein Schiff bei der Passage piratengefährdeter Gebiete schützen dürfen. Im ersten in Frankreich durchgeführten Prozess gegen somalische Piraten hat ein Gericht in Paris fünf Piraten zu Haftstrafen zwischen vier und acht Jahren verurteilt; ein sechster Somalier wurde freigesprochen. Die Männer waren vor drei Jahren bei der Befreiung einer von ihnen im Golf von Aden entführten französischen Segelyacht ergriffen worden. Ein vor den indischen Lakkadiven ankerndes iranisches Schiff sorgt für diplomatische Verstimmung. Der (bewaffnete) zivile Frachter dient als Basis für auf iranischen Handelsschiffen vor Passage piratengefährdeter Gebiete einzuschiffenden bewaffneten Sicherheitsteams. Indien hat gegen die „nicht angemeldete und nicht genehmigte Anwesenheit eines bewaffneten Schiffes einer fremden Nation in seiner Wirtschaftszone“ diplomatischen Protest in Teheran eingelegt. Man könne einen solchen „Präzedenzfall“ nicht hinnehmen. Der Iran will das Schiff nun abziehen.
Aktuelle Entwicklungen bei Einsatzkräften
Die deutsche Fregatte KÖLN hat am 24. November ihren Einsatz bei der EU NavFor beendet und den Rückmarsch in die Heimat angetreten. Rechtzeitig vor Weihnachten wird das Schiff in Wilhelmshaven zurück erwartet. Für die KÖLN war die Unterstützung der EU Operation „Atalanta“ am Horn von Afrika der voraussichtlich letzte Einsatz; sie soll im kommenden Sommer außer Dienst gestellt werden.
KÖLN (Foto: Deutsche Marine) |
Auch für den niederländischen Versorger ZUIDERKRUIS war die Unterstützung der EU NavFor der letzte Einsatz. Das Schiff trat am 29. November die Heimreise nach Den Helder an, wo es am 15. Dezember zurück erwartet wird. Im Februar wird die ZUIDERKRUIS dann außer Dienst gestellt. Mit dem Ablaufen ihres Versorgers ist die niederländische Marine vorerst nicht mehr in der EU NavFor vertreten. Erst im April soll mit der Fregatte VAN AMSTEL wieder ein Schiff ans Horn von Afrika verlegen.
TRISHUL (Foto: Michael Nitz) |
Die 9. chinesische Einsatzgruppe hat nach Übergabe ihrer Aufgaben an die 10. Gruppe das Operationsgebiet im Golf von Aden verlassen. Vor Beginn der eigentlichen Heimreise machen der Zerstörer WUHAN und die Fregatte YULIN noch einen Abstecher in den Persischen Golf. Am 27. November liefen beide Einheiten zum ersten Besuch chinesischer Kriegsschiffe in Kuwait ein. Ein weiterer Besuch ist dann noch in einem omanischen Hafen geplant; danach wird dann Kurs auf die Heimat genommen.
Am 29. November erreichte die indische Fregatte TRISHUL (TALWAR-Klasse) den Golf von Aden. Unter nationaler Führung soll die Fregatte indische Handelsschiffe bei der Passage des Golfs von Aden schützen.
Am 30. November verlegte die dänische Luftwaffe ein Aufklärungsflugzeug Challenger auf die Seychellen. Es soll bis zum 31. Januar die NATO-Operation „Ocean Shield“ unterstützen.
Deutschland, China und Russland haben die bis Jahresende befristeten Anti-Piraterie Einsätze von Seestreitkräften am Horn von Afrika um jeweils ein Jahr bis Ende 2012 verlängert.
In Kooperation mit “MarineForum — Zeitschrift für maritime Fragen”
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