Update Piraterie — Stand 03.12.2011

Soma­lis­che Pirat­en haben am 1. Dezem­ber den im April östlich von Tansa­nia gekaperten sin­ga­purschen Chemikalien­tanker GEMINI frei gegeben. Kurz zuvor hat­te ein Flugzeug Lösegeld über dem vor der soma­lis­chen Küste ver­ankerten Schiff abge­wor­fen. Möglicher­weise blieb dieses aber hin­ter den Erwartun­gen der Pirat­en zurück, denn es sollen nicht auch alle 25 Mann Besatzung frei gelassen wor­den sein. Vier Süd­ko­re­an­er, darunter der Kapitän der GEMINI, sollen an Land gebracht wor­den sein und dort weit­er als Geiseln fest­ge­hal­ten werden. 

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Karte: gcaptain.com

Auch in diesem Bericht­szeitraum kon­nten soma­lis­che Pirat­en keine neue Beute machen, obwohl zahlre­iche „Pirate Action Groups“ (PAG) in der Region unter­wegs sind und auch eine ganze Rei­he ver­suchte Über­fälle gemeldet wur­den. So grif­f­en Pirat­en am 26. Novem­ber zwis­chen Kenia und den Sey­chellen einen Frachter an, dreht­en aber ab, als ein eingeschifftes bewaffnetes Sicher­heit­steam (VPD – Ves­sel Pro­tec­tion Detach­ment) Warn­schüsse abgab. Am 29. Novem­ber ver­sucht­en Pirat­en vor dem Ostaus­gang des Golfs von Aden den Frachter CHRISTINA IV zu kapern, beschossen diesen auch mit Panz­er­faust­granat­en, gaben dann aber doch auf, als ein eingeschifftes bewaffnetes VPD ihr Feuer erwiderte und der Frachter erratis­che Auswe­ich­manöver fuhr. Eben­falls an einem VPD scheit­erte am 30. Novem­ber ein Über­fall auf den Mas­sen­gut­frachter FANEROMENI. Hier kon­nte das eingeschiffte Sicher­heit­steam gle­ich zwei Skiffs erfol­gre­ich auf Dis­tanz halten. 

Glück­los blieb auch eine Gruppe Pirat­en weit­er südlich im Soma­li­abeck­en. In der Nähe der Sey­chellen hat­te eine PAG mit einem Mut­ter­boot (Whaler) und zwei Skiffs ein spanis­ches Fis­chereifahrzeug ange­grif­f­en. Als der Bor­d­hub­schrauber des in der Nähe operieren­den britis­chen Ver­sorg­ers FORT VICTORIA (NATO) am Schau­platz des Geschehens auf­tauchte, brachen sie ihr Vorhaben ab, aber für eine Flucht war es zu spät; eines der Skiffs ver­suchte dies, wurde aber schnell durch Schüsse vom Hub­schrauber gestoppt. Die ins­ge­samt sieben Pirat­en wur­den auf der FORT VICTORIA interniert, die auch den Whaler und Pirate­naus­rüs­tung als Beweis­mit­tel an Bord nahm. Die bei­den Skiffs wur­den ver­mut­lich an Ort und Stelle versenkt. 

Marineforum - FORT VICTORIA fängt Piraten ab (Foto: NATO)
FORT VICTORIA fängt Pirat­en ab (Foto: NATO

Im Juli 2009 hat­ten Großbri­tan­nien und die Sey­chellen ein bilat­erales Abkom­men zur Strafver­fol­gung festgenommen­er Pirat­en geschlossen, und diese Vere­in­barung wird nun erst­mals in die Prax­is umge­set­zt. Nach Rück­sprache mit der dor­ti­gen Regierung wur­den die sieben Soma­lier samt Beweis­ma­te­r­i­al auf die Sey­chellen gebracht und den Behör­den übergeben. 

Nun haben soma­lis­che Pirat­en schon seit eini­gen Wochen keine neue Beute machen kön­nen, auch wenn Sta­tis­tiken bele­gen, dass sie aktiv­er denn je sind. Der Gegen­wind für sie wird offen­bar zuse­hends stärk­er. Dafür gibt es mehrere Gründe. Zum einen haben immer mehr Schiffe ein bewaffnetes Sicher­heit­steam an Bord, und bish­er kon­nten Pirat­en tat­säch­lich noch kein einziges solcher­maßen geschütztes Han­delss­chiff kapern. Zum anderen zeigen aber auch die zunehmend koor­dinierten Oper­a­tio­nen inter­na­tionaler Stre­itkräfte Wirkung. Immer mehr Han­delss­chiff­skapitäne melden verdächtige Boote unmit­tel­bar an ein zen­trales Lagezen­trum, das dann sofor­tige Aufk­lärung durch Flugzeuge oder in der Nähe befind­liche Kriegss­chiffe ver­an­lasst. Andere Han­delss­chiffe kön­nen so punk­t­ge­nau gewarnt wer­den, verdächtige Fahrzeuge gezielt abge­fan­gen und über­prüft wer­den. In der Folge entste­ht so ein zuse­hends genaueres und aktuelleres Lage­bild, dessen Infor­ma­tio­nen (z.B. die ”Alert Details” des NATO Ship­ping Cen­tre) auch Han­delss­chiffe in See nutzen kön­nen, und das ihnen die Ver­mei­dung von möglichen PAG ermöglicht, ohne sie gle­ich zu großen Umwe­gen zu zwin­gen. Dieser „Ser­vice“ wird dank­end angenom­men. Daneben wird auch der Schutz von Kon­vois im Golf von Aden zunehmend koor­diniert­er, und schließlich wird die Überwachung der Piraten­lager an der soma­lis­chen Küste immer effek­tiv­er. Zu Kaper­fahrten auf­brechende PAG wer­den häu­fig schon beim Ver­lassen der soma­lis­chen Küste erkan­nt und dann entwed­er sofort abge­fan­gen und neu­tral­isiert, oder zumin­d­est „getrackt“.

Poli­tik­er soll­ten sich allerd­ings hüten, die derzeit­i­gen Erfolge zum Anlass zu nehmen, mit Blick auf finanzielle Kosten die Ein­sätze von See- und Seeluft­stre­itkräften zurück zu fahren. Ver­min­dertes Engage­ment wird den soma­lis­chen Pirat­en sofort wieder eine bessere Erfol­gsquote bescheren. Bloße Bekämp­fung der Symp­tome kann die „Krankheit Pira­terie“ nicht heilen. Die Ein­sätze von Kriegss­chif­f­en und Flugzeu­gen wer­den so lange notwendig bleiben, bis den Ver­brech­ern auch an Land und in ihren inter­na­tionalen finanziellen Ver­flech­tun­gen die Basis ent­zo­gen wird. Hier gibt es auf inter­na­tionaler poli­tis­ch­er Ebene noch sehr viel zu tun (z.B. Schaf­fung inter­na­tionaler Mech­a­nis­men zur Strafverfolgung). 

In eini­gen Regio­nen Soma­lia selb­st gibt es dur­chaus Ansätze, das Übel zu beseit­i­gen. So hat Ende Novem­ber eine Gruppe von neun Pirat­en von ständi­gen Kriegss­chiff-Patrouillen vor der Küste frus­tri­ert ihr Lage bei Hobyo aufgegeben und sich weit­er nördlich in der Region Eyl (Punt­land) einen neuen Stützpunkt gesucht. Erfol­gre­ich war dieser Schritt nicht, denn an ihrem neuen Lager wur­den die Pirat­en post­wen­dend von örtlichen Sicher­heit­skräften der semi-autonomen Prov­inz Punt­land festgenommen. 

Kurzmel­dun­gen

Griechen­land will mit einem neuen Gesetz unter griechis­ch­er Flagge fahren­den Han­delss­chif­f­en die Ein­schif­fung zivil­er bewaffneter Sicher­heit­steams erlauben. Bis zu sechs Bewaffnete sollen ein Schiff bei der Pas­sage piratenge­fährde­ter Gebi­ete schützen dür­fen. Im ersten in Frankre­ich durchge­führten Prozess gegen soma­lis­che Pirat­en hat ein Gericht in Paris fünf Pirat­en zu Haft­strafen zwis­chen vier und acht Jahren verurteilt; ein sech­ster Soma­lier wurde freige­sprochen. Die Män­ner waren vor drei Jahren bei der Befreiung ein­er von ihnen im Golf von Aden ent­führten franzö­sis­chen Segely­acht ergrif­f­en wor­den. Ein vor den indis­chen Lakkadi­v­en ankern­des iranis­ches Schiff sorgt für diplo­ma­tis­che Ver­stim­mung. Der (bewaffnete) zivile Frachter dient als Basis für auf iranis­chen Han­delss­chif­f­en vor Pas­sage piratenge­fährde­ter Gebi­ete einzuschif­f­end­en bewaffneten Sicher­heit­steams. Indi­en hat gegen die „nicht angemeldete und nicht genehmigte Anwe­sen­heit eines bewaffneten Schiffes ein­er frem­den Nation in sein­er Wirtschaft­szone“ diplo­ma­tis­chen Protest in Teheran ein­gelegt. Man könne einen solchen „Präze­den­z­fall“ nicht hin­nehmen. Der Iran will das Schiff nun abziehen. 

Aktuelle Entwick­lun­gen bei Ein­satzkräften

Die deutsche Fre­gat­te KÖLN hat am 24. Novem­ber ihren Ein­satz bei der EU Nav­For been­det und den Rück­marsch in die Heimat ange­treten. Rechtzeit­ig vor Wei­h­nacht­en wird das Schiff in Wil­helmshaven zurück erwartet. Für die KÖLN war die Unter­stützung der EU Oper­a­tion „Ata­lan­ta“ am Horn von Afri­ka der voraus­sichtlich let­zte Ein­satz; sie soll im kom­menden Som­mer außer Dienst gestellt werden. 

Marineforum - KÖLN (Foto: Deutsche Marine)
KÖLN (Foto: Deutsche Marine) 

Auch für den nieder­ländis­chen Ver­sorg­er ZUIDERKRUIS war die Unter­stützung der EU Nav­For der let­zte Ein­satz. Das Schiff trat am 29. Novem­ber die Heim­reise nach Den Helder an, wo es am 15. Dezem­ber zurück erwartet wird. Im Feb­ru­ar wird die ZUIDERKRUIS dann außer Dienst gestellt. Mit dem Ablaufen ihres Ver­sorg­ers ist die nieder­ländis­che Marine vor­erst nicht mehr in der EU Nav­For vertreten. Erst im April soll mit der Fre­gat­te VAN AMSTEL wieder ein Schiff ans Horn von Afri­ka verlegen. 

Marineforum - TRISHUL (Foto: Michael Nitz)
TRISHUL (Foto: Michael Nitz) 

Die 9. chi­ne­sis­che Ein­satz­gruppe hat nach Über­gabe ihrer Auf­gaben an die 10. Gruppe das Oper­a­tions­ge­bi­et im Golf von Aden ver­lassen. Vor Beginn der eigentlichen Heim­reise machen der Zer­stör­er WUHAN und die Fre­gat­te YULIN noch einen Abstech­er in den Per­sis­chen Golf. Am 27. Novem­ber liefen bei­de Ein­heit­en zum ersten Besuch chi­ne­sis­ch­er Kriegss­chiffe in Kuwait ein. Ein weit­er­er Besuch ist dann noch in einem oman­is­chen Hafen geplant; danach wird dann Kurs auf die Heimat genommen. 

Am 29. Novem­ber erre­ichte die indis­che Fre­gat­te TRISHUL (TAL­WAR-Klasse) den Golf von Aden. Unter nationaler Führung soll die Fre­gat­te indis­che Han­delss­chiffe bei der Pas­sage des Golfs von Aden schützen. 

Am 30. Novem­ber ver­legte die dänis­che Luft­waffe ein Aufk­lärungs­flugzeug Chal­lenger auf die Sey­chellen. Es soll bis zum 31. Jan­u­ar die NATO-Oper­a­tion „Ocean Shield“ unterstützen. 

Deutsch­land, Chi­na und Rus­s­land haben die bis Jahre­sende befris­teten Anti-Pira­terie Ein­sätze von Seestre­itkräften am Horn von Afri­ka um jew­eils ein Jahr bis Ende 2012 verlängert. 

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