Auch wenn der Direktor der International Maritime Organization (IMO) den somalischen Piraten inzwischen grundsätzlich die Fähigkeit zubilligt, „allwetterfähig“ das ganze Jahr hindurch auf Beutezüge zu gehen, setzt der Südwest-Monsun den Verbrechern in der ganzen Region derzeit offenbar doch deutliche Grenzen. Im Arabischen Meer, im Somaliabecken und bis in den östlichen Golf von Aden werden Windstärke 7–8 bei drei Meter Wellenhöhe gemeldet – zu viel für die kleinen Angriffs-Skiffs. Das schwere Wetter soll auch in den kommenden Tagen andauern, und Handelsschiffskapitäne und Reeder können so erst einmal durchatmen, auch wenn Vorsicht allerdings trotzdem angesagt bleibt. Kleine Gebiete im südlichen Somaliabecken und in der Straße von Mosambik, im inneren Golf von Aden und im Bab el Mandeb, dem Südeingang zum Roten Meer, liegen so geschützt, dass Piraten hier noch gute Bedingungen finden.
Karte: gcaptain.com |
So werden in der abgelaufenen Woche denn auch nur wenige Überfälle gemeldet, die allerdings sämtlich erfolglos blieben. Im südlichen Roten Meer, unmittelbar nördlich der Meerenge des Bab el Mandeb, griffen Piraten in zwei Skiffs am 29. Mai den Massengutfrachter HAWK I an, drehten nach Warnschüssen eines eingeschifften Sicherheitsteams aber sofort wieder ab. Zwei Tage später versuchte im gleichen Gebiet möglicherweise die gleiche Piratengruppe zunächst den Produktentanker ASTIR LADY, wenige Stunden später dann den Massengutfrachter ATLAS zu kapern. Beide Schiffe konnten sich mit Ausweichmanövern retten.
Zwei weitere versuchte Kaperungen will die iranische Marine im Golf von Aden vereitelt haben. Zunächst hätten Piraten am 29. Mai dicht unter der jemenitischen Küste den Tanker DAMAVAND angegriffen. „Iranische Kriegsschiffe“ hätten das Skiff vertrieben. Zwei Tage später sollen Piraten mit drei Skiffs dann den Massengutfrachter FIRST OCEAN angegriffen haben; auch sie seien „nach einem Feuergefecht“ von der iranischen Marine vertrieben worden. Beide Zwischenfälle werden nur in staatlichen iranischen Medien erwähnt und von anderen Quellen nicht bestätigt. Sie reihen sich in eine ganze Serie iranischer Medienberichten über regelrechte „Seeschlachten“ mit Piraten ein (zwölf Zwischenfälle allein in den letzten acht Wochen), bei denen bisher allerdings kein einziges Skiff als versenkt und kein einiger Pirat als festgesetzt gemeldet wird. Dies lässt den vorsichtigen Schluss zu, dass in vielen Fällen gar keine iranischen Kriegsschiffe an den berichteten „Gefechten“ beteiligt waren, sondern vielmehr (routinemäßig) auf den Golf von Aden passierenden iranischen Schiffen eingeschiffte Sicherheitsteams der iranischen Marine zu nahe kommende Skiffs mit Warnschüssen vertrieben bzw. auf Distanz gehalten haben.
Die strafrechtliche Verfolgung festgesetzter mutmaßlicher Piraten bereitet vielen an Anti-Piraterie Operationen beteiligten Nationen unverändert Probleme, vor allem wenn eigene nationale Belange nicht berührt sind. So hatte das dänische Meerzweckschiff ESBERN SNARE (NATO) am 12. Mai direkt vor der somalischen Küste eine von Piraten gekaperte und anschließend als Mutterschiff missbrauchte iranische Dhau aufgebracht, 16 Geiseln befreit und 24 mutmaßliche Piraten an Bord in Gewahrsam genommen. Seit drei Wochen wird nun beratschlagt, ob bzw. wo diese vor Gericht gestellt werden könnten. Eine Entscheidung ist nicht absehbar; die ESBERN SNARE, die ihren Einsatz im Rahmen der NATO-Operation „Ocean Shield“ eigentlich schon abschließen und in die Heimat zurück kehren wollte, wurde angewiesen, vorerst in der Region zu bleiben. Am 27. Mai hat Dänemark mit den Seychellen ein bilaterales Abkommen zur Überstellung festgesetzter mutmaßlicher somalischer Piraten geschlossen; im vorliegenden Fall scheint dieses aber noch nicht zur Anwendung zu kommen.
Solche Probleme gab es in Südkorea nicht. Hier verurteilte ein Gericht am 31. Mai vier somalische Piraten zur Haftstrafen von 13 Jahren bis lebenslänglich. Sie waren am 21. Januar nach der Kaperung des südkoreanischen Tankers SAMHO JEWELRY von Spezialeinsatzkräften der südkoreanischen Marine festgenommen worden. In diesem Fall ist die Kette rein nationaler Interessen und Zuständigkeiten lückenlos geschlossen.
Aktuelle Entwicklungen bei Einsatzkräften
Die neue russische Einsatzgruppe hat am 2. Juni den Suezkanal passiert und ist inzwischen im Golf von Aden eingetroffen. Zu ihr gehören Einheiten aus drei Flotten: der Zerstörer SEVEROMORSK (UDALOY-Klasse, Nordflotte), der Tanker YELNIYA (ALTAY-Klasse, Baltische Flotte), sowie der Bergeschlepper SB-304 (SORUM-Klasse, Schwarzmeerflotte).
Im Februar hatte die südafrikanische Marine ihre Fregatte MENDI (VALOUR-Klasse) im Rahmen einer Vereinbarung mit Mosambik für etwa vier Wochen zur Patrouillen in die Straße von Mosambik verlegt. Einiges spricht dafür, dass dort nun erneut ein südafrikanisches Kriegsschiff im Einsatz ist. Nähere Angaben oder eine offizielle Bestätigung gibt es allerdings bisher nicht.
In Kooperation mit “MarineForum — Zeitschrift für maritime Fragen”
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