Somalische Piraten werden immer skrupelloser, und es mehren sich Berichte über Folterungen von Besatzungsmitgliedern entführter Schiffe. Experten sehen klare Hinweise darauf, dass die früher meist von verarmten Fischern als „zum Lebensunterhalt notwendige Nebenbeschäftigung“ betriebene Piraterie inzwischen vollends von großen organisierten Banden (Clans) übernommen wurde, die teils auch aus dem Ausland unterstützt bzw. geführt werden. Der immer wieder zu hörenden Idee einer Beendigung der Piraterie durch ein soziales Programm zur Unterstützung Not leidender Fischer (Rückführung in ihren eigentlichen Beruf) dürfte so nur wenig Aussicht auf Erfolg beschieden sein.
Bei den Vereinten Nationen macht man sich keine Illusionen über die Wirksamkeit der bisher von der internationalen Gemeinschaft getroffenen Maßnahmen — die übrigens weit hinter dem zurück bleiben, was der UN Sicherheitsrat in mehreren Resolutionen sanktioniert hat. „Wir sind weder stolz noch zufrieden mit dem bisher Erreichten“, so wörtlich der zuständige UN Beauftragte. Nun soll ein neuer „Action Plan“ kommen, und man fordert deutlich größere Unterstützung von den am Horn von Afrika operierenden Marinen. Leider können diese auch weiterhin nur im Rahmen ihrer jeweils national (politisch) genehmigten Rules of Engagement aktiv werden, und die sind bisher völlig ungeeignet, die Piraterie wirklich einzudämmen. Fast immer wird in See angetroffenen Piraten nur ihre Ausrüstung abgenommen, sie selbst dürfen dann unbehelligt an die somalische Küste zurück kehren, um sich dort neu zu bewaffnen und sofort zu neuen Kaperfahrten aufzubrechen.
Ein Beispiel dafür liefert ein Vorfall vom 2. Februar. Im Golf von Oman versuchten zwei Skiffs den unter der Flagge Panamas fahrenden Frachter DUQM zu kapern. Zwei zufällig in der Nähe operierende US-Kriegsschiffe (der Kreuzer BUNKER HILL und der Zerstörer MOMSEN) reagierten sofort auf den eingehenden Notruf. Bei ihrem Erscheinen brachen die Piraten, die bereits mit Enterleitern längsseits lagen, den Überfall ab und flüchteten. Die Verfolgung der Skiffs führte die US-Kriegsschiffe zum Mutterschiff, einer Dhau, die bei ihrem Eintreffen die beiden Skiffs bereits in Schlepp genommen hatte.
MOMSEN beschießt geschleppte Skiffs Bildquelle: US Navy |
Offenbar wurde nicht einmal der Versuch unternommen, die Dhau zu stoppen, sondern man begnügte sich damit, die beiden geschleppten Skiffs durch gezielten Beschuss zu versenken. Stolz wurde anschließend gemeldet, nun ginge vom Mutterschiff keine Gefahr mehr aus. Die Piraten dürften schon sehr bald wieder aktiv sein .…
Boarding Team sichert NEW YORK STAR Bildquelle: NATO |
Die abgelaufene Woche brachte noch mehrere weitere versuchte Überfälle; bis Redaktionsschluss konnten Piraten glücklicherweise aber kein Schiff in ihre Gewalt bringen. Fast erfolgreich waren sie am 28. Januar, als sie im Arabischen Meer den deutschen (Flagge: Liberia) Produktentanker NEW YORK STAR enterten. Die Besatzung konnte sich in einer „Zitadelle“ verbarrikadieren und einen Notruf absetzen. Ein australischer Seefernaufklärer P‑3C Orion überflog daraufhin das Schiff und informierte die Piraten über Funk, ein „Kriegsschiff sei auf dem Weg“. Nur kurz versuchten diese daraufhin noch, die „Zitadelle“ aufzubrechen, verließen dann aber schnell den Tanker und setzten sich ab. Als die zum Zeitpunkt des Überfalls 600 sm entfernte niederländische Fregatte DE RUYTER (NATO) nach 22 Stunden eintraf und die NEW YORK STAR mit einem Boarding Team sicherte, waren Skiffs und Mutterschiff bereits spurlos verschwunden.
Einmal mehr hat sich die „Zitadelle“ als wirksamer Schutz erwiesen. Wenn die Piraten die Besatzung nicht als Geiseln nehmen können, und das Schiff überdies auch noch aus der „Zitadelle“ heraus gesteuert wird (oder die Antriebsanlagen abgeschaltet werden), bleibt den Verbrechern nur der frustrierte Abzug – zumindest, wenn sie das baldige Eintreffen eines Kriegsschiffes befürchten müssen. Die Kaperung der BELUGA NOMINATION (hier war auch mehr als zwei Tage nach der Kaperung noch kein Kriegsschiff vor Ort) zeigt jedoch, wo die „Zitadelle“ an die Grenzen ihrer Wirksamkeit stößt. Kernproblem für die Piraten ist der Zeitfaktor. Je schneller es ihnen gelingt, die „Zitadelle“ aufzubrechen, desto größer sind ihre Chancen auf Erfolg. Jüngste Meldungen lassen erkennen, dass die Verbrecher sich allmählich auf die für sie zunächst überraschende Situation einer verbarrikadierten Besatzung einstellen. So mehren sich Berichte über Versuche, das Schott einer „Zitadelle“ durch Beschuss mit Panzerfäusten, Einsatz von Plastiksprengstoff oder „mitgebrachtem professionellen (Schweiß-)gerät“ aufzubrechen. Es dürfte nur eine Frage der Zeit sein, wann die „Zitadelle“ als Schutzmaßnahme ausgedient hat.
Als bislang wirksamste Maßnahme gegen Piratenabgriffe (einmal abgesehen von der direkten Sicherung durch ein begleitendes Kriegsschiff, wie z.B. bei den Schiffen des World Food Program) erweist sich dagegen immer wieder das Einschiffen bewaffneter Sicherheitsteams. Ein solches Team konnte am 1. Februar im Somaliabecken den Angriff auf einen singapurschen Frachter schon im Ansatz allein durch Abfeuern von Leuchtmunition unterbinden.
Leider lassen die zuständigen deutschen Politiker unverändert keinerlei Willen erkennen, einen solchen effektiven Schutz auch deutschen Schiffen zu ermöglichen. Dagegen entwickeln sie immer abstrusere Ideen. So fordert der maritime Koordinator der Bundesregierung, Hans-Joachim Otto (FDP), sich vor Piratenangriffen durch “Umfahrung besonders gefährdeter Gebiete” zu schützen, also nicht die Route durch den Suezkanal, sondern um das Kap der Guten Hoffnung wählen. Das Außenministerium solle überdies prüfen, ob eine “vorübergehende generelle Sperrung des Seewegs” entlang der ostafrikanischen Küste “zulässig und zweckdienlich sein könnte”. Der Mann hat offenbar noch immer nicht begriffen, dass es schon längst nicht mehr um die Suezkanal-Route durch den Golf von Aden geht, sondern die Piraten die Schifffahrt im gesamten Gebiet zwischen Indien und dem Horn von Afrika, zwischen dem Persischen Golf und Madagaskar ins Visier genommen haben. Ein wenig maritimes Grundverständnis sollte man von einem „maritimen Koordinator“ eigentlich erwarten dürfen.
Aktuelle Entwicklungen bei Einsatzkräften
Die EU NavFor kommt nach dem Jahreswechsel allmählich wieder auf volle Stärke. Am 31. Januar trafen der finnische Minenleger POHJANMAA und die britische Fregatte RICHMOND (TYPE 23) am Horn von Afrika ein und schlossen sich dem Einsatzverband an.
Iranische Korvette BAYANDOR Bildquelle: ISNA |
Die iranische Korvette BAYANDOR (Typ US PF 103) hat ihren 36-tägigen Einsatz im Golf von Aden beendet (Ablösung durch 12. Einsatzgruppe). Am 31. Januar wurde das Schiff zurück in der Heimat begrüßt.
Nun zeichnet sich auch für die südafrikanische Marine ein Anti-Piraterie Einsatz ab. Im Rahmen eines bilateralen Abkommens mit Mosambik sollen eine Fregatte und ein Unterstützungsschiff für zunächst etwa vier Wochen die Straße von Mosambik patrouillieren. Hier — weit südlich von Somalia und abseits der Operationsgebiete bisher eingesetzter Seestreitkräfte — hatten Piraten in den vergangenen Monaten mehrere Schiffe überfallen. Im Vorfeld des geplanten Einsatzes, der in etwa zwei Wochen beginnen soll, hat die südafrikanische Marine bereits die Fregatte MENDI (VALOUR-Klasse, Typ MEKO A 200 SAN) nach Durban verlegt.
In Kooperation mit “MarineForum — Zeitschrift für maritime Fragen”
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