Am 14. Juli hat das International Maritime Bureau die Piraterie-Statistik für das erste Halbjahr 2011 veröffentlicht. Demnach hat es im Golf von Aden / Indischen Ozean in den ersten sechs Monaten dieses Jahres insgesamt 266 somalischen Piraten zugeschriebene versuchte Überfälle gegeben — 70 mehr als im Vorjahreszeitraum. Zugleich ging die prozentuale Erfolgsquote der Piraten aber deutlich zurück.
Die Zahlen belegen, dass die somalischen Piraten sich durch die hohe Präsenz internationaler Seestreitkräfte nicht abschrecken lassen. Angesichts der für die meisten Marinen politisch „verordneten“ Rules of Engagement gehen sie auch kaum persönliche Risiken ein. Fast immer werden sie nur entwaffnet, gelegentlich auch „überzählige“ Skiffs oder ihr Mutterschiff versenkt, aber sie selbst dürfen meist völlig unbehelligt an die somalische Küste zurück kehren – und sich dort für eine neue Kaperfahrt wieder ausrüsten. Die zurück gehende Erfolgsquote ist vor allem auf Maßnahmen an Bord angegriffener Handelsschiffe zurück zu führen. Immer mehr Reeder heuern bewaffnete Sicherheitsteams an, oder die Besatzung kann sich in einer „Zitadelle“ verbarrikadieren und so Zeit bis zum Eintreffen eines Kriegsschiffes gewinnen. Dessen ungeachtet befinden sich nach Angaben von ECOTERRA zur Zeit 35 größere und 17 kleinere Schiffe und Boote in den Händen somalischer Piraten, und 585 Menschen werden von ihnen als Geiseln gehalten. Dies zeigt, dass die höhere Anzahl von Überfällen durchaus geeignet ist, die „zunehmend geringen Erfolgsaussichten“ zu kompensieren.
Momentan herrscht am Horn von Afrika allerdings weitgehend Ruhe. Unverändert sind derzeit nur der innerste Golf von Aden, die Straße von Mosambik und die Seegebiete um die Malediven für die „Operationen“ der somalischen Piraten geeignet. Ansonsten setzt der saisonale Monsun mit Windstärke acht und drei bis vier Meter hohen Wellen in der gesamten Region noch immer enge Grenzen, und dies wird auch noch einige Wochen andauern. Erst im August dürfte sich das Wetter allmählich bessern.
So wurden denn auch nur sehr wenige Überfälle gemeldet. Am 10. Juli soll nach Angaben staatlicher iranischer Medien „ein vor der Südostküste Somalias patrouillierendes iranisches Kriegsschiff“ einen Überfall auf einen iranischen Massengutfrachter vereitelt haben. Die Piraten hätten „nach ausgedehntem Schusswechsel“ den Versuch einer Kaperung abgebrochen. Wie üblich endet die Berichterstattung damit. Folgt man iranischen Medien, dann haben seit Beginn iranischer Anti-Piraterieeinsätze im Dezember 2008 zahlreiche „heroische Gefechte“ iranischer Kriegsschiffe (mit bis zu 20 Piratenbooten) stattgefunden, die ausnahmslos „siegreich“ beendet wurden. Von einer Zerstörung von Skiffs, Festnahme von Piraten oder auch nur einem (versuchten) Boarding zu Entwaffnung war noch nie die Rede. Regelmäßig heißt es nur, die Piraten seien in die Flucht geschlagen worden.
Am 13. Juli verfolgten Piraten in zwei Skiffs im Westeingang zum Golf von Aden (Meerenge von Bab el Mandeb) einen Chemikalientanker, brachen den Überfall aber sofort ab, als ein bewaffnetes Sicherheitsteam an Deck erschien. Am 15. Juli kaperten Piraten im inneren Golf von Aden, unmittelbar vor der Küste der somalischen semiautonomen Republik Puntland, einen Viehtransporter, der sich mit einer Ladung Ziegen gerade auf den Weg von Bosasso in die Vereinigten Arabischen Emirate gemacht hatte. Lösegeld dürfte hier kaum der Grund für die Entführung gewesen sein. Wahrscheinlich werden die Piraten das Fahrzeug als Mutterschiff für weitere Kaperfahrten nutzen. Die örtlichen Behörden wollen nun „gemeinsam mit fremden Marinen“ eine Truppe zur Befreiung des Schiffes in Marsch setzen.
Wissenschaftler haben die US Navy um Hilfe gebeten. In einem Forschungsprojekt zum Klimawandel sollen zivile Forschungsschiffe im Indik zahlreiche kleine „robotic devices“ zur Ermittlung von Temperaturen, Salzgehalt und Meeresströmungen aussetzen. Vor der somalischen Küste und im Somaliabecken ist dies wegen der derzeitigen Bedrohung durch Piraten allerdings nicht durchführbar. Nun hofft man darauf, dass Kriegsschiffe zumindest einen Teil der kleinen Drohnen ins Wasser setzen.
Aktuelle Entwicklungen bei Einsatzkräften
Am 12. Juli hat sich in Thailand eine neue Einsatzgruppe der thailändischen Marine auf den Weg in den Golf von Aden gemacht. Die Fregatte NARATHIWAT (ein in China gebautes, modernes Offshore Patrol Vessel) und der Flottentanker SIMILAN sollen in den kommenden Monaten thailändische Schiffe bei der Passage piratengefährdeter Gewässer schützen. Mit an Bord befinden sich 60 Kampfschwimmer und Marineinfanteristen, die in Gruppen zu je vier als Sicherheitsteams an Bord der die Region durchfahrenden Handelsschiffe gehen sollen. Am 28. November werden die beiden Kriegsschiffe in der Heimat zurück erwartet. Einen ähnlichen, ersten Einsatz hatte die thailändische Marine Ende 2010 durchgeführt, an dem die Fregatte PATTANI (Schwesterschiff der NARATHIWAT) und ebenfalls auch schon der Tanker SIMILAN beteiligt waren.
NARATHIWAT Bildquelle: chinadefense.com |
Die taiwanesische Regierung prüft Möglichkeiten zur Entsendung eines Marineverbandes, um vor der somalischen Küste und im Somaliabecken arbeitende taiwanesische Fischer zu schützen. In den letzten Jahren waren diese des Öfteren Opfer von Überfällen geworden, wobei die Piraten die Schiffe anschließend meist als Mutterschiffe nutzten. Für einen möglichen Marineeinsatz gibt allerdings erhebliche diplomatische Hindernisse. Um Spannungen mit China aus dem Weg zu gehen, erlauben derzeit nur wenige Staaten auf der Welt taiwanesischen Kriegsschiffen ein Anlaufen ihrer Häfen zur Nachversorgung; und ohne eine solche ist ein Einsatz fern der Heimat schlichtweg unmöglich. So ist man derzeit auch nicht sehr optimistisch, die taiwanesische Marine zum Schutz der Fischer einsetzen zu können.
In Kooperation mit “MarineForum — Zeitschrift für maritime Fragen”
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