Ob nun Patrouillen von Kriegsschiffen unmittelbar vor den Piratenbasen an der somalischen Küste oder vorübergehend wieder schlechteres Wetter die Piraten am Auslaufen hindern: Tatsache ist, dass es im Somaliabecken in der abgelaufenen Woche weder Meldungen zu Überfällen noch zu aufgebrachten Piratenbooten gab. Die gemeldete Entführung eines taiwanesischen Fischereifahrzeuges erwies sich glücklicherweise als falsch. Das Boot hatte am 4. Oktober wegen Ausfalls seiner Funkanlagen den Kontakt zu seinem Eigner verloren, meldete sich aber am 8. Oktober wieder.
Aktiv bleiben Piraten aber im Golf von Aden, und hier versuchen sie ungeachtet der Präsenz von Kriegsschiffen ihr Glück weiterhin auch direkt auf dem gesicherten Schifffahrtsweg (IRTC — International Recommended Transit Corridor). Am 1. Oktober meldete der nordkoreanische Frachter MI RAE die Annäherung eines verdächtigen Skiffs. Vom Bordhubschrauber der alarmierten britischen Fregatte MONTROSE (NATO) wurde noch beobachtet, wie Waffen und Gerät über Bord geworfen wurden. Das wenig später eintreffende Boardingteam der Fregatte fand keinerlei Beweismaterial mehr, und die mutmaßlichen Piraten durften unbehelligt ihres Weges ziehen.
MONTROSE bringt ein Skiff auf Bildquelle: NATO |
Zwei Tage später reagierte die deutsche Fregatte KÖLN (EU NavFor) auf den Hilferuf des liberianischen Handelsschiffes STAR II, das ebenfalls auf dem IRTC im Golf von Aden von einem Skiff angegriffen und auch bereits beschossen wurde. Der Bordhubschrauber der Fregatte konnte die Piraten mit Warnschüssen zum Abbruch ihres Vorhabens zwingen. Auch hier wurden sofort sämtliche Beweismittel über Bord geworfen, so dass auch diese Piraten nach kurzer Durchsuchung wieder frei gelassen werden mussten. Nationale Gesetze erlauben (nicht nur in Deutschland) ohne handfeste Beweise noch immer keine strafrechtliche Verfolgung von in internationalen Gewässern bei Angriffen auf Schiffe anderer Nationen ergriffenen Piraten, und die für die eingesetzten Kriegsschiffe geltenden Rules of Engagement sind denn auch nur „sehr weich“ formuliert.
Die Piraten verhalten sich dementsprechend. Größtes Risiko war für sie bisher eine Überstellung nach Kenia, das mit einigen Staaten und auch mit der EU (März 2009) bilaterale Abkommen zur Überstellung ergriffener Piraten zwecks Aburteilung geschlossen hatte. Dieses Risiko scheint nun erst einmal wieder zu entfallen. Völlig überraschend hat Kenia zum 1. Oktober sämtliche diesbezüglichen Vereinbarungen gekündigt. Dabei hatte gerade erst in den letzten Wochen die Strafverfolgung von Piraten in dem ostafrikanischen Land mit mehreren Urteilsverkündungen an Fahrt gewonnen und allgemein für Optimismus gesorgt. Als Begründung für den überraschenden Schritt nannte Kenia eine Überlastung seine Gerichte, wenngleich die internationale Gemeinschaft durch tatkräftige finanzielle Unterstützung gerade erst in den letzten Monaten speziell dafür gesorgt hatte, dass kenianische Gerichte die Belastungen durch die Verfahren gegen mutmaßliche Piraten tragen konnten.
Die meisten vor Somalia eingesetzten Kriegsschiffe können festgesetzte Piraten nun vorerst nur noch auf den Seychellen abliefern, mit denen es vergleichbare Vereinbarungen gibt. Frankreich hat darüber hinaus ein bilaterales Abkommen mit der abtrünnigen somalischen Republik Puntland und hat dort auch schon mehrfach Piraten übergeben. Gerade in Puntland hat nun aber in der vergangenen Woche ein Gericht einen Piraten wegen Mordes am Kapitän eines gekaperten pakistanischen Schiffes zum Tode verurteilt. Damit ist zweifelsfrei klar, dass Piraten (zumindest bei Mord) in Puntland die Todesstrafe droht, und dies dürfte Überlegungen anderer EU Staaten — vor allem auch Deutschlands — zum Abschluss einer Strafverfolgungsvereinbarung mit Puntland einen Riegel vorschieben. Bleibt zu hoffen, dass die kenianische Kündigung nun die seit langem angedachte aber bisher politisch immer wieder „verschleppte“ Einrichtung eines internationalen Piraten-Tribunals beschleunigt — oder aber dass Kenia vielleicht nach einer noch zu verhandelnden „Erhöhung der finanziellen Aufwandsentschädigung“ die Abkommen wieder in Kraft setzt.
LOUISE MARIE Bildquelle: F. Findler |
Der Verband Deutscher Reeder (VDR) hat noch einmal seine Forderung nach Marineteams an Bord von Frachtschiffen zum Schutz vor Piratenüberfällen bekräftigt. Alle internationalen Experten — auch die von Deutscher Marine und Bundespolizei – seien sich darin einig, dass so genannte Vessel Protection Teams der wirksamste Schutz gegen Piratenübergriffe seien. Diesen Schutz müsse auch die deutsche Handelsschifffahrt in den Bedrohungsgebieten haben. Es sei nicht zu vermitteln, dass die Marine einen solchen Schutz bieten könne, rechtlich aber nicht dürfe, während die Bundespolizei rechtlich dürfe, aber allein nicht könne.
Aktuelle Entwicklungen bei Einsatzkräften
In Zeebrügge hat sich am 4. Oktober die belgische Fregatte LOUISE MARIE (ex-niederländische WILLEM VAN DER ZAAN der KAREL DOORMAN-Klasse) auf den Weg ans Horn von Afrika gemacht. Das Schiff soll sich vom 20. Oktober 2010 bis zum 20. Januar 2011 der EU NavFor in „Operation Atalanta“ anschließen. Am 7. Februar 2011 wird die LOUISE MARIE in ihrem Heimathafen zurück erwartet
In Kooperation mit “MarineForum — Zeitschrift für maritime Fragen”
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