Noch immer hindert der saisonale Monsun somalische Piraten an ausgedehnten Kaperfahrten. In den offenen Seegebieten des Indik herrschen durchweg Windstärken um 6–7 mit Wellenhöhen um drei Meter – noch zu viel für kleine Skiffs. Prognosen sehen in den kommenden Tagen aber eine allmähliche Wetterbesserung. Im nördlichen Arabischen Meer und in Teilen des Somaliabeckens soll sich die Wellenhöhe dann auf teils sogar unter ein Meter vermindern. Vor der somalischen Küste und im Seegebiet um die Seychellen erhöht sich die Piraten-Bedrohung schon jetzt auf Stufe „Gelb“. „Rot“ (höchste Bedrohung) oder „Orange“ gelten zur Zeit aber nur für Teile des Golfs von Aden, die nördliche Straße von Mosambik und den nördlichen Golf von Oman. Weite Seegebiete sind immer noch „Grün“, d.h. ohne signifikante Bedrohung.
Piracy Threat Level Forecast Grafik: US Navy |
Dementsprechend gab es in der abgelaufenen Woche nur wenige Meldungen zu versuchten Überfällen. Schon am 6. August griffen Piraten mit insgesamt 12 Skiffs im südlichen Roten Meer, nördlich der Meerenge des Bab el Mandeb, einen Massengutfrachter an. Ein eingeschifftes bewaffnetes Sicherheitsteam konnte die Piraten auf Distanz halten; nach einem 30-minütigen Schusswechsel brachen sie den Überfall schließlich ab. Aus diesem Gebiet werden in jüngster Vergangenheit mehrfach „koordinierte Angriffe“ einer größeren Anzahl Skiffs gemeldet. Vermutlich verspricht sich eine dort aktive Bande von der „Schwarmtaktik“ bessere Aussichten auf Erfolg. Eine weitere versuchte Kaperung gab es im Golf von Aden. 90 sm südwestlich von Mukallah (Jemen) griffen Piraten mit einem Skiff den Frachter GRETA der deutschen Reederei Nimmrich & Prahm (Leer) an, drehten aber ab, als ein in Muskat (Oman) an Bord genommenes, bewaffnetes Sicherheitsteam (drei Briten) Warnschüsse abgab. Die Besatzung hatte sich während des Zwischenfalls in einem Sicherheitsraum eingeschlossen; niemand wurde verletzt.
Beide Zwischenfälle belegen einmal mehr, dass eingeschiffte bewaffnete Sicherheitsteams derzeit den besten Schutz für Handelsschiffe bieten. Tatsächlich wurde bisher noch kein einziges Schiff mit einem solchen „Vessel Protection Team“ (VPD) an Bord gekapert. Nach längerem Zögern zieht die indische Regierung jetzt die einzig logische Konsequenz. Sie kündigte eine gesetzliche Regelung an, die den Schifffahrtsgesellschaften das Anheuern bewaffneter Zivilisten oder ehemaliger Soldaten erlaubt, wobei sich die Stärke des VPD an der Größe des zu schützenden Schiffes orientieren soll: zwei Männer für einen kleinen Frachter, vier für einen Großtanker. Die zahlenmäßige Beschränkung birgt allerdings Risiken. Gerade bei der im südlichen Roten Meer beobachteten „Schwarmtaktik“ könnten bei einem Angriff auf ein kleineres Schiff nur zwei Mann schnell überfordert sein.
Deutsches Recht verbietet noch immer die Einschiffung bewaffneter Zivilisten. Durchaus mögliche Gesetzesanpassungen oder auch nur pragmatische Zwischenlösungen werden in ergebnislosen Debatten verschleppt. Der Bericht zum Überfall auf die GRETA lässt erahnen, dass einige deutsche Reeder nicht länger gewillt sind, auf eine wie auch immer geartete offizielle Erlaubnis zu warten. Unter ausländischer Flagge sehen sie sich nicht zwingend an deutsches Recht gebunden. Besonders verständlich wird dies bei der Reederei aus Leer. Erst im April war deren Frachter SUSAN K von somalischen Piraten entführt worden; die Freilassung zwei Monate später soll angeblich 5,7 Mio. US-Dollar Lösegeld gekostet haben. Sicher gilt für die nunmehrige Einschiffung eines VPD auf der GRETA aber auch der Spruch „wo kein Kläger, da kein Richter“. Deutsche Politiker dürften sich hüten, das durch ihr eigenes Zögern und parteipolitisches Gezänk seit nun schon einigen Jahren verschleppte Problem durch Einleiten eines Verfahrens gegen den Reeder über Gebühr in das Bewusstsein der Öffentlichkeit zu rücken.
Mit dem Ende der Monsunzeit beginnt in den kommenden Wochen die „Piraten-Saison“. Nach mehrmonatiger Zwangspause werden die Banden dann bestrebt sein, möglichst schnell möglichst viel Beute zu machen. Für die am Horn von Afrika von Afrika operierenden internationalen Seestreitkräfte ist damit die derzeitige relative Ruhe vorbei. Konvois durch den Golf von Aden werden noch enger und aufmerksamer zu begleiten sein; möglicherweise wird sogar eine Erweiterung der Konvoirouten durch den Bab el Mandeb bis in das südliche Rote Meer unausweichlich. Die Überwachung der offenen Seegebiete des Arabischen Meeres und des Somalischen Beckens durch Aufklärungsflugzeuge wird deutlich zu intensivieren sein. Kriegsschiffe müssen bereit stehen, hier entdeckte Piratenmutterschiffe oder „Pirate Action Groups“ schnell zu neutralisieren (entwaffnen). Nicht zuletzt wird es aber auch darauf ankommen, Piraten möglichst schon beim Verlassen der somalischen Küste zu stellen, bevor ihre Boote im offenen Indik zur „Nadel im Heuhaufen“ werden. NATO und EU NavFor werden ganz sicher einige ihrer Einheiten zu permanenten Patrouillen unmittelbar vor die bekannten Piratenbasen beordern.
Am 13. August gaben somalische Piraten (wahrscheinlich nach Zahlung eines Lösegeldes) den im Februar vor der Küste des Oman gekaperten maltesischen Massengutfrachter SINIM frei.
Ein niederländisches Gericht hat am 12. August fünf nach einem Überfall von einem niederländischen Kriegsschiff festgesetzte somalische Piraten zu Haftstrafen zwischen 4 ½ und 7 Jahren verurteilt.
Aktuelle Entwicklungen bei Einsatzkräften
SURCOUF Bildquelle: DCNS |
Am 5. August haben die griechische Fregatte NIKIFOROS FOKAS und die deutsche Fregatte NIEDERSACHSEN ihre Operationen im Verband der EU NavFor beendet und die Heimreise angetreten.
Am 9. August ist die französische Fregatte SURCOUF (LA FAYETTE-Klasse) zur EU NavFor gestoßen. Sie ersetzt in der EU Operation „Atalanta“ das zehn Tage zuvor abgelaufene Schwesterschiff COURBET.
Am 13. August fand im Hafen von Dschibuti der routinemäßige Wechsel der Verbandsführung für die EU NavFor statt. Der deutsche FtltAdm Thomas Jugel übernahm bis Dezember das Kommando vom portugiesischen Cdre Alberto Manuel Silvestre Correia. Zugleich wechselt die Funktion des Flaggschiffes der EU NavFor von der portugiesischen Fregatte VASCO DA GAMA auf die deutsche Fregatte BAYERN.
In Kooperation mit “MarineForum — Zeitschrift für maritime Fragen”
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