Etwas weniger als zwei Wochen nach seiner Kaperung im Golf von Aden haben somalische Piraten den Tanker JUBBA XX (Flagge/Eigner VAE) wieder frei gegeben. Lösegeld soll nicht gezahlt worden sein. In einer offiziellen Erklärung heißt es, allein die traditionell guten Beziehungen mit den Vereinigten Arabischen Emiraten hätten die Piraten bewogen, das Schiff frei zu lassen. Bleibt natürlich die Frage, welche „Beziehungen“ die VAE mit somalischen Piraten pflegen.
Grafik: US Navy |
Der saisonale Monsun dauert vorerst an, und starker Wind und Seegang schränken die Aktivitäten somalischer Piraten unverändert stark ein. Eine vom ozeanographischen Amt der US Navy erstellte Gefährdungskarte zeigt, wo Piraten ihrem Gewerbe derzeit praktisch nicht nachgehen können (grün = keine Gefahr) bzw. in welchen Gebieten die Bedingungen Überfälle begünstigen (rot = hohe Gefahr). Die Ausdehnung einer in der Vorwoche noch auf die unmittelbare Umgebung der Malediven begrenzten „orange/roten Zone“ bis nun zu den Seychellen macht aber auch deutlich, dass sich die Monsunzeit allmählich ihrem Ende nähert. Spätestens im September dürften die Aktivitäten von Piraten in der ganzen Region wieder stark aufleben.
Die wenigen in den letzten zehn Tagen gemeldeten Überfälle konzentrieren sich noch immer auf den inneren Golf von Aden und die Meerenge von Bab el Mandeb, bis in das von internationalen Seestreitkräften kaum patrouillierte südliche Rote Meer. Nördlich des Bab el Mandeb kann man allerdings auch davon ausgehen, dass hier weniger somalische Piraten gehen als vielmehr eritreische Banden aktiv sind.
Im Bab el Mandeb hat die iranische Marine nach Berichten staatlicher Medien (und nur dieser) mehrere Überfälle auf iranische Schiffe vereitelt. Zunächst hätten am 20. Juli „sieben Skiffs“ im Golf von Aden den Tanker ABADEH angegriffen. Einen Tag später habe es im Bab el Mandeb gleich zwei Angriffe auf den Frachter DANDLE gegeben. Zunächst hätten sieben Skiffs vergeblich versucht, das Schiff zu entern; weniger als zwei Stunden später sei dann eine zweite Gruppe von Piraten mit 16 (!) Skiffs erschienen. In einem „heftigen Gefecht“ mit einem iranischen Kriegsschiff sei „ein Pirat getötet“ worden. Ob Skiffs beschädigt oder zerstört wurden, lässt die offizielle Presseerklärung offen. Wahrscheinlich konnten sie sich sämtlich absetzen. Am 29. Juli wurde dann ein weiterer Überfall im Bab el Mandeb gemeldet. Diesmal soll der iranische Frachter HODA das Ziel gewesen sein. Erneut habe die Marine eingegriffen; ein Pirat sei getötet worden, die anderen seien daraufhin geflohen.
Laut iranischen Medien war dies bereits der 18. von der iranischen Marine vereitelte Versuch somalischer Piraten, ein iranisches Handelsschiff zu kapern. Obwohl regelmäßig von „schweren Gefechten“ die Rede war, wurde bislang in keiner einzigen Meldung auch von einem Aufbringen von Piraten, ihrer Entwaffnung, der Zerstörung von Booten oder gar einer Gefangennahme berichtet. Daraus kann man nur schließen, dass die iranische Marine bzw. die iranische Regierung keinerlei Interesse hat, Piraten aus dem Verkehr zu ziehen oder ihnen zumindest vorübergehend die materielle Grundlage für Überfälle zu entziehen, sondern sich mit bloßer Vertreibung begnügt. Dass solchermaßen abgewehrte Piraten sich dann seelenruhig einem nächsten Opfer widmen können, scheint in Teheran niemanden zu stören.
Am 22. Juli hat im Golf von Aden der US-Kreuzer ANZIO (CTF-151) in Zusammenarbeit mit einem japanischen Zerstörer und einem japanischen Aufklärungsflugzeug ein Skiff gestellt, mit dem kurz zuvor ein Angriff auf ein Handelsschiff (Details werden nicht genannt) versucht worden sein soll. Ein Boardingteam stellte Waffen und Piratenausrüstung sicher, musste die mutmaßlichen Piraten dann aber mit ihrem Boot ziehen lassen. Für ein tatsächlich begangenes, spezifisches Verbrechen gab es keine Beweise. Die Verbrecher werden sich nun an der somalischen Küste schnell neu ausrüsten.
Nach einem Treffen mit ihrem tansanischen Amtskollegen äußerte sich die südafrikanische Verteidigungsministerin Sisulu besorgt über die zunehmend nach Süden ausgedehnten Aktivitäten somalischer Piraten. Die kürzliche Entdeckung von Öl- und Gasvorkommen vor der tansanischen Küste gebe dem Problem Piraterie eine neue Dimension, denn mögliche Störungen von Exploration und Förderung könnten sich zu einer realen Bedrohung für die Volkswirtschaft der südostafrikanischen Staaten entwickeln. Ihre Aussage „South Africa is worried!“ könnte auf schon bald beginnende erweiterte (bis in das Somaliabecken reichende) Anti-Piraterieoperationen der südafrikanischen Marine deuten. Bisher waren südafrikanische Kriegsschiffe nur gelegentlich für einige wenige Wochen vor der Küste des Regionalnachbarn Mosambik in der Straße von Mosambik im Einsatz.
RBD ANEMA E CORE Bildquelle: marinetraffic.com |
Ein neues Piratengebiet scheint sich vor der westafrikanischen Küste, im Golf von Guinea, zu entwickeln. Piraterie hat es hier zwar schon immer gegeben, allerdings meist in Form von „Hit-and-Run“ Raubüberfällen. Vor allem vor Nigeria werden regelmäßig Schiffe, bevorzugt Ankerlieger (notorisch ist hier die Reede von Lagos), nachts kurz geentert, die Besatzungen ausgeraubt, Wertsachen gestohlen – dann sind die Piraten auch schon wieder von Bord. Schiffsentführungen zur Lösegelderpressung sind ausgesprochen selten. Nun scheint sich dies zu ändern. Vor Cotonou (Benin) haben Piraten am 24. Juli den italienischen Tanker RBD ANEMA E CORE (108.000 dwt Aframax, 23 Mann Besatzung) entführt, offenbar um Lösegeld zu fordern. Am 29. Juli gaben sie das Schiff wieder frei, verließen es „sehr eilig“. Ob Lösegeld gezahlt wurde, ist noch unbekannt. Während das Seegebiet vor der Küste Benins in der Vergangenheit weitgehend frei von Piraterie war, hat es hier im letzten Jahr bereits Angriffe auf 12 passierende Tanker gegeben.
Offenbar spricht sich in Westafrika herum, dass Piraterie ein lukratives Geschäft sein kann. Die westafrikanischen Piraten werden allerdings sehr schnell merken, dass sie bei funktionierenden Sicherheitskräften, Marinen und Küstenwachen der Regionalstaaten ein deutlich höheres persönliches Risiko eingehen als ihre „Kollegen“ am Horn von Afrika, die in ihren Rückzugsgebieten an der somalischen Küste nahezu völlig unbehelligt bleiben und dort ein entführtes Schiff monatelang und weithin sichtbar vor Anker legen können.
Aktuelle Entwicklungen bei Einsatzkräften
Internationale Seestreitkräfte nutzen die gegenwärtigen Monsun-bedingte „Pause“ bei den somalischen Piraten zu Ablösungen und Übungen. So führten am 22. und 23. Juli die derzeit der CTF-151 angegliederte australische Fregatte TOOWOOMBA, die türkische Fregatte BARBAROS und der türkische Flottentanker YARBAY KUDRET GÜNGÖR in der Meerenge des Bab el Mandeb und im südlichen Roten Meer die Maritime Security/Anti-Piraterie Übung „Scimitar Exocet“ durch. Beteiligt waren auch in Dschibuti stationierte Jagdbomber Mirage der französischen Luftwaffe.
Im Golf von Aden hat die 9. chinesische Einsatzgruppe mit dem Zerstörer WUHAN, der Fregatte YULIN und dem Flottenversorger QINGHAIHU am 25. Juli nach zwei Tagen gemeinsamer Operationen mit der 8. Einsatzgruppe ihre Geleitaufgaben begonnen. Die 8. Einsatzgruppe (Fregatten WENZHOU und MA’ANSHAN sowie Flottenversorger QIANDAOHU) dürfte nun aus dem Operationsgebiet ablaufen und den Rückmarsch in die Heimat antreten, dabei aber vermutlich noch den einen oder anderen Hafenbesuch durchführen.
thailändischer Versorger SIMILAN Bildquelle: china-defense.com |
Zwei auf dem Marsch ans Horn von Afrika befindliche Einsatzgruppen haben sich kurzzeitig in Colombo (Sri Lanka) getroffen. Zunächst trafen dort am 22. Juli die thailändische Korvette NARATHIWAT und der Flottenversorger SIMILAN zu einem geplanten Hafenbesuch ein. Nur einen Tag später liefen die japanischen Zerstörer INAZUMA und SAZANAMI zur Zwischenversorgung ebenfalls in Colombo ein.
In Kooperation mit “MarineForum — Zeitschrift für maritime Fragen”
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