Am 8. Juni entließen somalische Piraten den im November im Arabischen Meer gekaperten chinesischen Frachter YUAN XIANG, wahrscheinlich nach Zahlung eines Lösegeldes.
Karte: gcaptain.com |
Neue Beute machten sie auch in dieser Woche nicht. Hauptgrund dafür bleibt die regionale Wetterlage. Saisonbedingt sorgt der Südwestmonsun derzeit vom nördlichen Arabischen Meer bis ins Somaliabecken bei Windstärke sieben bis acht für bis zu vier Meter hohe Wellen. Ruhigere Bedingungen finden sich nur im von internationalen Seestreitkräften dicht patrouillierten Golf von Aden und in den Territorialgewässern unmittelbar vor Kenia und Tansania. Die Wetterlage bleibt auch in der kommenden Woche unverändert.
Ungeachtet der Präsenz von Kriegsschiffen im Golf von Aden versuchen Piraten aber unverändert dort ihr Glück. Am 6. Juni wurde im Osteingang des Golfs der Massengutfrachter EMPEROR von zwei Skiffs angegriffen. Die Besatzung flüchtete sich in einen Schutzraum, das Schiff startete Ausweichmanöver, und als dann noch ein eingeschifftes Sicherheitsteam Schüsse abgab, brachen die Piraten ihr Vorhaben ab. Einen Tag später versuchten im gleichen Seegebiet (möglicherweise die gleichen) Piraten, den Massengutfrachter ACHILLEAS zu kapern. Auch hier brachen sie den Überfall ab, als ein eingeschifftes bewaffnetes Sicherheitsteam Warnschüsse abgab.
Immer mehr Reedereien sehen inzwischen in solchen „Vessel Protection Teams“ (VPD) die bei Weitem effektivste Möglichkeit eine Kaperung ihrer Schiffe zu verhindern. Immerhin ist es unbestreitbare Tatsache, dass bisher kein einziges Schiff entführt wurde, das ein solches bewaffnetes VPD an Bord hatte. Bei einigen Nationen stellen die regulären Streitkräfte bzw. staatliche Sicherheitskräfte routinemäßig Personal für unter ihrer Flagge fahrende Schiffe ab; andere Nationen erlauben den Reedern die Anheuerung ziviler Teams. Es gibt allerdings nach wie vor einige Länder — darunter auch Deutschland -, die ihren Handelsschiffen unter Verweis auf nationale Gesetze die Einschiffung ziviler bewaffneter VPD rigoros verbieten, sich zugleich aber ebenso strikt weigern, den zwingend notwendigen Schutz durch Abstellung staatlicher Kräfte (Militär, Küstenwache, Polizei) zu gewähren. In den Niederlanden hat nun die für ihre hochwertigen Spezialtransporte weltweit bekannte niederländische Reederei Dockwise gedroht, ihre Schiffe auszuflaggen, falls die Regierung weiterhin einen Schutz durch VPD verweigert.
NIEDERSACHSEN Bildquelle: Michael Nitz |
Am 10. Juni traf die deutsche Fregatte NIEDERSACHSEN (EU NavFor) im südlichen Somaliabecken vor der Küste Tansanias auf die JELBUT 31, ein von Piraten entführtes und dann mit der Besatzung als Geiseln genutztes Fahrzeug. Aufforderungen zum Stoppen wurden abgelehnt; die Piraten gaben sich „unkooperativ und aggressiv“, präsentierten Geiseln an Deck. Mit Blick auf diese wurde auf ein Boarding verzichtet. In der „Pattsituation“ konnte die NIEDERSACHSEN die Piraten jedoch überreden, zwei geschleppte Skiffs loszuwerfen. Diese wurden dann durch Schüsse von der Fregatte und ihrem Bordhubschrauber versenkt.
Ohne Angriffsskiffs können Piraten kaum Beute machen (wobei allerdings unklar bleibt, ob sich an Bord der JELBUT 31 nicht weitere Skiffs befinden). Bleibt zu hoffen, dass das Piraten-Mutterschiff nun kontinuierlich beschattet wird und Handelsschiffe gezielt gewarnt werden, seine Position zu meiden.
An dieser Stelle sei einmal darauf hingewiesen, dass Piraterie natürlich keinesfalls auf die Gewässer vor der somalischen Küste (und im Indik) beschränkt ist. Piraten treiben weltweit ihr Unwesen, meist allerdings in Form von „Seeräuberei“, d.h. Schiffe vor Anker (auf Reede) oder bei langsamer Fahrt in engen Seeverkehrswegen werden geentert, ausgeraubt und dann schnell wieder verlassen. Die Entführung von Schiffen und Besatzungen mit anschließender Lösegelderpressung ist dagegen fast nur vor Somalia zu finden. Wegen des völligen Fehlens staatlicher Strukturen und Sicherheitsorganen haben Piraten nur hier die Möglichkeit, ein Schiff weithin sichtbar monatelang vor ihren Stützpunkten vor Anker zu legen, ohne Befreiungsaktionen befürchten zu müssen. Ein weiteres Seegebiet, das Entführungen begünstigt, ist das Südchinesische Meer. Hier bieten zahlreiche Inseln und abgelegene Buchten Piraten gute Möglichkeiten, ihre Beute zumindest vorübergehend zu verstecken. Lösegelderpressung ist aber auch hier die Ausnahme. In der Regel werden Besatzungen ausgesetzt – oder auch kurzerhand ermordet, die Schiffe optisch verändert (neuer Farbanstrich, leichter Umbau), umbenannt und dann auf dem Schwarzmarkt verkauft. Nachdem so in den letzten Wochen drei Schlepper und eine Schute „spurlos verschwunden“ sind, hat das Piracy Reporting Centre des International Maritime Bureau für das Südchinesische Meer nun die Piratenwarnstufe deutlich erhöht.
Aktuelle Entwicklungen bei Einsatzkräften
Die spanische Fregatte INFANTA ELENA (DESCUBIERTA-Klasse) hat am 4. Juni mit Einlaufen im Heimathafen ihren mehrmonatigen Anti-Piraterie Einsatz bei der EU NavFor abgeschlossen.
ESBERN SNARE stoppt eine Dhau Bildquelle: NATO |
Am 9. Juni hat auch das dänische Mehrzweckschiff ESBERN SNARE offiziell seinen Einsatz im Rahmen der NATO-Operation „Ocean Shield“ beendet, kann aber noch nicht die eigentlich geplante Heimreise antreten. Das Schiff hatte am 12. Mai eine von Piraten gekaperte und anschließend als Mutterschiff genutzte iranische Dhau befreit und dabei 24 Piraten in Gewahrsam genommen. Seit nunmehr vier Wochen diskutieren dänische Politiker und Behörden über das Schicksal der Piraten. Da eine Strafverfolgung unter dänischem Recht offenbar nicht möglich ist, wird nach Möglichkeiten gesucht, sie an eine andere Nation zu überstellen – bisher ergebnislos. Bis zu einer Entscheidung muss die ESBERN SNARE mit ihren Gefangenen an Bord nun erst einmal weiter in der Region bleiben. Man darf wohl damit rechnen, dass die 24 Verbrecher ungeachtet der eindeutigen Beweislage demnächst wohlbehalten an der somalischen Küste abgesetzt werden müssen.
In Kooperation mit “MarineForum — Zeitschrift für maritime Fragen”
Alle Informationen entstammen frei zugänglichen Quellen.