Am 7. September gaben somalische Piraten das am 10. Dezember von Tansania gekaperte Containerschiff MSC PANAMA frei. Zu wahrscheinlichen Lösegeldzahlungen schweigt sich die Reederei aus. Am gleichen Tag kamen nach Zahlung von 3 Mio. US-Dollar Lösegeld auch sieben Dänen frei. Die fünfköpfige Familie und zwei Mann Besatzung waren am 24. Februar mitten im Indischen Ozean, 600 sm von der somalischen Küste entfernt, mit ihrer Segelyacht ING nach Somalia entführt worden.
TRIBAL KAT (Foto: nn / Internet) |
Am 8. September wurde die Besatzung einer anderen Segelyacht Opfer eines Piratenüberfalls. Der französische Katamaran TRIBAL KAT hatte vor der jemenitischen Küste einen Notruf abgegeben. Die in der Nähe operierende deutsche Fregatte BAYERN fand die Yacht wenig später treibend und verlassen vor; von der Besatzung (ein Ehepaar) fehlte jede Spur.
Zwei Tage später entdeckte das vor der somalischen Küste operierende spanische Docklandungsschiff ein verdächtiges Skiff. Bordhubschrauber und Boardingteam stoppten das flüchtende Boot durch Schüsse in den Außenbordmotor. An Bord fanden sie eine der Geiseln des Katamarans (die Frau). Sie konnte unversehrt geborgen werden; ihr Ehemann bleibt vorerst verschwunden; er soll von den Piraten getötet worden sein. Die Entführer wurden auf der GALICIA in Gewahrsam genommen, ihr Skiff versenkt.
Omanisches FK-Schnellboot der PROVINCE-Klasse (Foto: Deutsche Marine) |
Am 9. oder 10. September näherten sich nahe der Insel Abu Ali in der Meerenge des Bab-el-Mandeb Piraten insgesamt acht Skiffs einem iranischen Frachter. Schüsse eines eingeschifften Sicherheitsteams der iranischen Marine zwangen die mutmaßlichen Piraten zum Abdrehen.
Die Kaperung des unmittelbar vor Salalah (Oman) auf Reede liegenden Chemikalientankers FAIRCHEM BOGEY (20. August) scheint sich für die somalischen Piraten im Nachhinein als schwerer Fehler zu erweisen … sie hat nämlich offenbar die omanischen Behörden „geweckt“. Deutlich verstärkte Seepatrouillen und Aufklärungsflüge im Küstenvorfeld haben schon in der vorletzten Woche einen Überfall verhindert, und die omanische Küstenwache konnte auch eine entführte und anschließend als Mutterschiff genutzte Dhau aufbringen.
Am 6. September entdeckte ein Aufklärungsflugzeug vor Salalah ein weiteres Piratenmutterschiff. Die indische Dhau THAYIBA‑2 / HALIMA war mit einer Ladung Ziegen vor der omanischen Küste unterwegs gewesen, als sie am 1. September von somalischen Piraten gekapert wurde. Bevor die Piraten mit ihr wirklich aktiv werden konnten, wurden sie auch schon entdeckt. Das FK-Schnellboot MUSSANDAM (von der britischen Vosper gebaute PROVINCE-Klasse) wurde an die Dhau heran geführt, die Befreiungsaktion lief allerdings nicht so wie geplant. Schüsse sollten die Dhau fahruntüchtig machen, mündeten aber in ein Feuergefecht, an dessen Ende zwei der zwölf indischen Besatzungsmitglieder tot und weitere acht verletzt waren. Auch ein Pirat wurde getötet, die anderen festgenommen und in Salalah der omanischen Polizei übergeben.
Der saisonale Südwest-Monsun dauert in diesem Jahr offenbar länger als üblich. Noch immer lassen die Wetterbedingungen in den offenen Seegebiete des Arabischen Meeres und des Somaliabeckens Überfälle mit kleinen Skiffs nicht zu – und verlängern so die „Schonzeit“ für die internationale Handelsschifffahrt. Somalische Piraten müssen sich vorerst weiterhin mit gelegentlichen Aktionen in geschützten Gebieten des Golfs von Aden oder in unmittelbarer Küstennähe begnügen. Da diese Gebiete relativ begrenzt und damit auch gut zu sichern sind, sind die Erfolgsaussichten vergleichsweise gering. Die gegenwärtige Ruhe darf allerdings nicht darüber hinweg täuschen, dass die Piraten direkt nach Wetterberuhigung „ihre Saison einläuten“ werden. Schon bald wird die offene See vor Ostafrika auch wieder für zahlreiche kleinere Fracht-Dhaus befahrbar, und die Piraten werden alles daran setzen, hier Mutterschiffe für weit von Somalia entfernte Kaperfahrten in ihre Gewalt zu bringen.
EH-101 auf ANDREA DORIA (Foto: ital. Marine) |
Die vor Somalia operierenden internationalen Seestreitkräfte beobachten die Entwicklung sehr aufmerksam. Ein in der abgelaufenen Woche gemeldeter Zwischenfall deutet darauf hin, dass die NATO — wie schon im Vorjahr – vor allem auch darauf setzt, Kaperfahrten möglichst schon im Ansatz zu unterbinden. Im Rahmen der Operation „Ocean Shield“ eingesetzte Kriegsschiffe patrouillieren unmittelbar vor Piratencamps an der somalischen Küste und beobachten die dortigen Aktivitäten. Ziel ist, in See gehende Piratenboote sofort abzufangen, Waffen und Ausrüstung zu konfiszieren, die Boote ggf. auch zu versenken und so die Piraten in ihren Camps zu blockieren.
Am 7. September kam der Bordhubschrauber EH-101 des italienischen Zerstörers ANDREA DORIA bei einem Aufklärungsflug einem Piratencamp offenbar zu nahe. Ein Feuerhagel aus automatischen Waffen schlug dem Hubschrauber entgegen. Mit Treibstoffleck kehrte dieser zu seinem Schiff zurück.
Bei einer größeren Konferenz auf den Seychellen berieten hochrangige Vertreter zahlreicher Länder und Organisationen vom 6. – 9. September Maßnahmen zu besserer Koordinierung ihrer jeweiligen Anti-Piraterie Operationen. Abschließende Presseerklärungen blieben aber weitgehend nichts sagend und gaben aber keinen wirklichen Aufschluss über getroffene Entscheidungen. Nur kurz nach der Konferenz forderten die Schifffahrtsorganisationen International Chamber of Shipping, BIMCO, Intercargo and INTERTANKO, in denen die meisten Reeder organisiert sind, die Vereinten Nationen zur Aufstellung einer Schutztruppe auf, die bewaffnete Sicherheitsteams auf allen die Region passierenden Frachtschiffen einschiffen soll. „An der Notwendigkeit einer durchgreifenden neuen Strategie kann kein Zweifel mehr bestehen; man habe die Kontrolle der offenen Seeräume des Indischen Ozeans den Piraten überlassen.“
TRANSSHELF (Foto: Dockwise) |
Immer mehr Reeder schließen sich den Forderungen nach bewaffnetem — zivilem oder staatlichem — Schutz für ihre Schiffe an, und immer mehr Regierung geben dazu auch grünes Licht. In Dänemark geht die Danish Shipowners’ Association davon aus, dass noch vor Jahresende fast alle vor dem Horn von Afrika fahrenden Schiffe bewaffnete Sicherheitsteams an Bord haben werden.
In den Niederlanden hatte die Regierung schon im März die Einschiffung von (militärischen) Sicherheitsteams grundsätzlich befürwortet, sich aber die Entscheidung im Einzelfall vorbehalten. Eine solche positive Entscheidung wurde nun für die zwei Spezialtransportschiffe TRANSSHELF and BOOKSHELF TRANSFORMATION getroffen. Wenn sie demnächst mit riesigen Bohrinseln beladen die Region passieren, werden Soldaten mit an Bord sein. Mit ihrer nur geringen Geschwindigkeit, sehr niedrigem Freibord und der Unfähigkeit zu rigorosen Ausweichmanövern wären die beiden Schiffe prädestinierte Beute für somalische Piraten.
Neben somalischen Piraten bereiten auch deren „Kumpane“ vor der afrikanischen Westküste der internationalen Schifffahrt zunehmend Probleme. Am 2. September nahm sich der UN Sicherheitsrat dieses Themas an. In einer gemeinsamen Erklärung wurde die „Besorgnis über zunehmende Akte der Piraterie, Geiselnahmen und bewaffnete Raubüberfälle auf Schiffe im Golf von Guinea“ geäußert und die internationale Gemeinschaft zur „Hilfe“ aufgefordert. Wie diese aussehen könnte, bleibt jedoch vorerst offen. Internationale Marinen dürften kaum in der Lage sein, zusätzlich zu den Anti-Piraterie Operationen vor Ostafrika auch noch Kriegsschiffe für Einsätze vor Westafrika abzustellen. Bei im Gegensatz zu Somalia weitgehend funktionierenden staatlichen Autoritäten könnte hier aber die materielle Stärkung von regionalen Marinen und Küstenwachen (preisgünstiger Verkauf oder gar Überlassung von Patrouillenfahrzeugen und/oder Flugzeugen) einen praktikablen Lösungsansatz bieten. Daneben dürfte sicher auch hier das Anheuern bewaffneteer Sicherheitsteams diskutiert werden.
Aktuelle Entwicklungen bei Einsatzkräften
die frühere SKREDSVIK (Foto: schwed. Marine) |
Eine private Sicherheitsfirma hat das frühere (Bj. 1981) schwedische Küstenwachboot / Hilfsboot der Marine SKREDSVIK gekauft und zum Anti-Piraterieeinsatz umgebaut. Das 50‑m Boot (ein Schwesterboot der noch bei der belgischen Marine aktiven STERN) war vor einigen Jahren von der schwedischen Küstenwache ausgemustert und nun zum Verkauf angeboten worden. Das Fahrzeug soll in den nächsten Tagen im südlichen Roten Meer eintreffen. Es soll – natürlich gegen angemessene Bezahlung — Handelsschiffen vor allem auch außerhalb der definierten Einsatzgebiete internationaler Marinen Schutz bieten; genannt wird hier das südliche Rote Meer, wo es in den letzten Monaten vor der Küste von Eritrea vermehrt Überfälle gab.
Die spanische Fregatte SANTA MARIA hat am 5. September ihren 131-Tage Einsatz bei der EU NavFor beendet und Kurs auf die Heimat genommen. Am gleichen Tag traf der niederländische Versorger ZUIDERKRUIS im Golf von Aden ein und hat sich der EU NavFor angeschlossen. Sein Einsatz soll bis Ende November dauern. Am 9. September erreichte die portugiesische Fregatte FRANCISCO DE ALMEIDA das Einsatzgebiet vor der somalischen Küste; sie hat sich dem derzeit in der Operation „Ocean Shield“ eingesetzten NATO-Verband SNMG‑1 angeschlossen.
Inzwischen ist auch die genaue Zusammensetzung der aus dem Pazifik zulaufenden, neuen russischen Einsatzgruppe bekannt. Neben dem Zerstörer ADMIRAL PANTELEYEV (UDALOY-Klasse) und dem Hochseebergeschlepper FOTIY KRYLOV gehört noch der Flottentanker BORIS BUTOMA (CHILIKIN-Klasse) zum Verband. Die drei Schiffe haben am 7. September in Sihanoukville (Kambodscha) einen Zwischenstopp eingelegt. Am 13. September wollen sie den Marsch ans Horn von Afrika fortsetzen und dort am 25. September den derzeit eingesetzten Nordflottenverband mit dem Zerstörer SEVEROMORSK (UDALOY-Klasse) ablösen.
In Kooperation mit “MarineForum — Zeitschrift für maritime Fragen”
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