Mit der Wiederannäherung an Russland hatte der neue ukrainische Präsident Viktor Janukowitsch 2010 ein politisches Signal gesetzt.
Die Neuorientierung bedeutet nun allerdings keinesfalls, dass nun die gesamte Politik ausschließlich auf den mächtigen Nachbarn ausgerichtet ist – so gern Russland dies sicher sehen würde. Erst Ende Mai hatten die ukrainische und die russische Marine die bilaterale Übung „Farwater Mira“ durchgeführt; nun findet eine andere Übung mit „der anderen Seite“ statt. Am 6. Juni hat in Odessa die multinationale Übung „Sea Breeze 2011“ begonnen — die „größte multinationale maritime Übung dieses Jahres im Schwarzmeer“.
Übungen der Serie „Sea Breeze“ gibt es seit 1997. Die Ukraine ist dabei Gastgeber, die US Navy unterstützt bei Vorbereitung und Durchführung, und Streitkräfte aus NATO Staaten und regionalen Staaten werden zur Teilnahme eingeladen. Die Ukraine verstand die im Rahmen der NATO-Initiative „Partnership for Peace“ durchgeführten Übungen früher vor allem auch als Schritt in Richtung NATO-Mitgliedschaft, bis 2009 das von der Russland-freundlichen Opposition (Janukowitsch) dominierte Parlament „Sea Breeze“ die Genehmigung verweigerte; die Übung musste abgesagt werden. Ausgerechnet unter Janukowitsch wurde die Übung 2010 dann aber wieder belebt. Auch wenn NATO-Mitgliedschaft nun nicht mehr Ziel ist, sieht die Ukraine in „Sea Breeze“ doch eine gute Gelegenheit zur Festigung regionaler Partnerschaften und ihrer Position in der Region.
Am noch bis zum 18. Juni andauernden „Sea Breeze 2011“ nehmen See‑, Luft- und Landstreitkräfte aus insgesamt 13 Ländern teil. Neben den gemeinsamen Ausrichtern Ukraine und den USA sind Soldaten aus Aserbeidschan, Algerien, Belgien, Dänemark, Deutschland, Georgien, Großbritannien, Mazedonien, Moldawien, Schweden und der Türkei nach Odessa angereist. Auch Russland war eingeladen, hat jedoch als einziger Schwarzmeeranrainer abgesagt. Dafür hat die russische Schwarzmeerflotte dann ihren FK-Kreuzer KERCH (KARA-Klasse) ins Übungsgebiet verlegt, um dort das Geschehen genauestens zu beobachten. Bei aktiver Teilnahme hätte man sicher weit mehr und bessere Informationen sammeln können.
Im Mittelpunkt von „Sea Breeze 2011“ stehen Anti-Piraterie Operationen, aber auf der Agenda finden sich auch andere Aspekte so genannter Maritime Security Operations sowie Evakuierung von Zivilisten, Minenabwehr und amphibische Aktivitäten. Eine erste Phase sah die Übungsteilnehmer an Land auf einem Truppenübungsplatz und im Hafen von Odessa, wo Experten in Seminaren und in der Praxis moderne Techniken vorstellten, demonstrierten und Einblicke in ihre jeweiligen nationalen Verfahren gaben. Als Themen wurden u.a. Konvoisicherung, Vermeidung von Sprengfallen, Fahrzeugkontrolle an Checkpoints, nicht-tödliche Kampftechniken, Tauchereinsatz genannt. Mit dem Auslaufen aller beteiligten Schiffe und Boote aus Odessa begann dann am 14. Juni die zweite (aktive) Phase von „Sea Breeze 2011“. Minenabwehrfahrzeuge geleiteten die Teilnehmer zunächst durch einen minenfreien Kanal; anschließend verlegten die Einheiten vor die nahe Küste, wo bei einer Seelandung die „Vernichtung eines Piratenstützpunktes“ auf dem Programm stand. Abschließender Höhepunkt soll ein Szenario werden, das sämtliche Teilnehmer einbindet.
Sea Breeze 2011 Bildquelle: US Navy |
MONTEREY Bildquelle: US Navy |
Russischer Ärger entzündet sich vor allem an der Teilnahme des US-Kreuzers MONTEREY. Die speziell für die Abwehr ballistischer Flugkörper ausgerüstete MONTEREY hatte im März zu einem mehrmonatigen Einsatz in europäische Gewässer verlegt, der den Beginn europäischer seegestützter Raketenabwehr “European Phased Adaptive Approach“ (EPAA) markiert. Die erste Phase des EPAA dient der Herstellung einer Anfangsfähigkeit (Initial Capability) zum Schutz Südeuropas gegen ballistische Flugkörper aus dem Bereich des Nahen und Mittleren Ostens. Russland hat seit jeher Vorbehalte gegen die Stationierung von US-Raketenabwehrsystemen in Europa, moniert sie als bloßen Versuch, die nukleare Abschreckung zu unterlaufen, während natürlich die NATO-Schwarzmeeranrainer Bulgarien und Rumänien das Projekt einer Raketenabwehr vor ihren Küsten durchweg begrüßen.
Die Teilnahme der MONTEREY an „Sea Breeze 2011“ zeigt, dass die Ukraine hier einen eher pragmatischen Kurs verfolgt, sich für keine Seite vor den Karren spannen lässt. Russland findet sich in der unangenehmen Zwickmühle, einerseits lautstark protestieren zu „müssen“, dabei aber zugleich nicht seinen gerade erst neu gewonnenen Regionalpartner Ukraine wieder zu verprellen. Der Kooperation beider Regionalmarinen wird dies kaum Abbruch tun. Schon in den nächsten Wochen wollen die ukrainische Marine und die russische Schwarzmeerflotte ein gemeinsames Flugkörperschießen durchführen. Dann werden sich auch die jetzt bei „Sea Breeze 2011“ noch recht hoch gehenden Wellen wieder beruhigt haben.
In Kooperation mit “MarineForum — Zeitschrift für maritime Fragen”
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