Zwei Ereignisse der vergangenen Woche beleuchten das Verhältnis Russlands zu Syrien — und lassen in seltener Deutlichkeit den geringen Stellenwert offizieller russischer Erklärungen erkennen.
Noch vor wenigen Wochen hatten Verteidigungsminister Serdyukov und hohe russische Militärs offiziell verkündet, die Schiffe des Flottenverbandes um den Flugzeugträger ADMIRAL KUZNETSOV würden keinen syrischen Hafen anlaufen. Der Verband werde zwar auch im östlichen Mittelmeer operieren, dabei aber nur Besuche in Zypern und im libanesischen Beirut durchführen. Besuche in Beirut und auf Zypern hat es offenbar nicht gegeben; dafür traf der Verband aber am 8. Januar vor Syrien ein. Während der Zerstörer ADMIRAL CHABANENKO, die Fregatte LADNIY und der Flottentanker LENA in Tartus einliefen, gingen der Flugzeugträger und die anderen begleitenden Einheiten vor der Küste vor Anker. In Bordbesuchen hoher syrischer Politiker (ein Foto zeigt auch den syrischen Verteidigungsminister bei einem offiziellen Besuch auf der ADMIRAL KUZNETSOV) beschwor man gegenseitige Solidarität. WO-10 syrDeleg auf KUZ newsru.com (800)
Syrische Delegation auf der KUZNETSOV (Foto: newsru.com) |
In Moskau erklärte Serdyukov, es gebe keinerlei Zusammenhang mit der aktuellen Entwicklung; der Besuch in Syrien habe ausschließlich der logistischen Nachversorgung des Verbandes gedient und sei überdies „lange geplant“ gewesen. Letzteres macht klar, dass der russische Verteidigungsminister schon bei seiner Erklärung vor einigen Wochen ganz bewusst gelogen hat.
Der russische Flottenverband verließ Tartus nach drei Tagen wieder und befindet sich seitdem offenbar auf dem Weg zu Übungen im zentralen Mittelmeer. Während die Fregatte LADNIY bereits wieder in das Schwarzmeer zurück kehrt, sollen andere Einheiten wohl noch einen Besuch in Tunesien (Sfax) durchführen. Ende Januar soll die ADMIRAL KUZNETSOV mit Passage der Straße von Gibraltar das Mittelmeer wieder in Richtung Heimat verlassen.
Noch ein zweiter Vorgang beleuchtet das russisch-syrische Verhältnis und macht internationale Schlagzeilen. Am 8. Januar hatten die Hafenbehörden in Limassol (Zypern) den Frachter CHARIOT an die Kette gelegt. Das unter der Flagge von St. Vincent & Grenadinen fahrende Schiff einer russischen Reederei hatte auf dem Weg nach Latakia (Syrien) wegen schlechten Wetters kurzfristig in Limassol Schutz gesucht. Die dortigen Behörden stellten anhand der Frachtpapiere fest, dass sich unter der Ladung offenbar auch mehrere für Syrien bestimmte Container mit insgesamt 60t Munition befanden. Eine genaue Inspektion war wegen der „unter der Gesamtladung nicht zugänglichen Container“ nur schwer möglich. Als der russische Reeder versprach, seine brisante Ladung nicht nach Syrien zu bringen sondern in einem anderen Hafen zu löschen, erhielt er am 10. Januar Auslaufgenehmigung. Zwei Tage später lief die CHARIOT im syrischen Hafen Tartus ein. Der Presse gegenüber erklärte der Reeder, die Frachtpapiere würden nur „Gefahrgut“ ausweisen, nicht aber Waffen oder Munition spezifizieren; damit habe er auch keinen Grund gesehen, die CHARIOT nicht nach Syrien fahren zu lassen. Man darf durchaus davon ausgehen, dass sowohl beim – immerhin offiziellen — Munitionstransport nach Syrien als auch bei der Absprache mit den Behörden in Limassol russische Behörden involviert waren.
Bei aller möglichen und auch verständlichen „Empörung“ muss angemerkt werden, dass sowohl der Besuch der russischen Kriegsschiffe in Syrien als auch die Munitionslieferung völlig legitim waren. Russland hat keinerlei internationale Vereinbarung gebrochen oder gar ein erklärtes Embargo unterlaufen. Grundsätzlich bestand also keinerlei Grund für die Lügen. Beide Vorgänge müssten so auch dem letzten Zweifler klar machen, dass die politische Führung des heutigen Russland nahtlos an die systematische Verschleierungs- und Desinformationspraxis der kommunistischen Sowjetunion anknüpft. Bezüglich der beiden aktuellen Vorgänge kann Sinn und Zweck des russischen Verhaltens nur das Bestreben gewesen sein, die internationale Gemeinschaft über die eigene Haltung zur Entwicklung in Syrien möglichst lange im Unklaren zu lassen. An dieser Haltung kann nun kaum noch Zweifel bestehen. Man darf wohl vermuten, dass die russische Führung sich auf einen Fortbestand der Assad-Diktatur festgelegt hat und mit kritikloser Solidarisierung entsprechend positioniert. Dies lässt auch für eine mögliche Befassung des UN-Sicherheitsrates (Veto) nichts Gutes erwarten.
In Kooperation mit “MarineForum — Zeitschrift für maritime Fragen”
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