Syrien — Stand 27.11.2011

Während der Syrienkon­flikt sich weit­er ver­schärft und zunehmend Rufe nach ein­er Inter­ven­tion laut wer­den, machen „typ­isch nah-/mit­telöstliche“ Gerüchte die Runde.

So sollen zahlre­iche Kriegss­chiffe, darunter gle­ich zwei Flugzeugträger, vor der Küste Syriens Posi­tion bezo­gen haben oder Kurs auf das Krisen­ge­bi­et genom­men haben. Soviel sei vor­weg genom­men; die Mel­dun­gen sind sämtlich falsch. Doch im Einzel­nen:

Am 18. Novem­ber meldete eine “syrische Nachricht­e­na­gen­tur” die unmit­tel­bar bevorste­hende Ankun­ft rus­sis­ch­er Kriegss­chiffe in syrischen Gewässern. Ihre Präsenz solle vor ein­er aus­ländis­chen Inter­ven­tion von See her (ana­log zu Libyen) abschreck­en. Drei Tage später hieß es dann in ein­er Fol­gemel­dung unter Beru­fung auf das „Umfeld des Präsi­den­ten in Damaskus“, drei rus­sis­che Zer­stör­er hät­ten vor der syrischen Küste bei Tar­tus Posi­tion bezo­gen. Tat­säch­lich gibt es bish­er kein­er­lei Infor­ma­tion über eine Ver­legung rus­sis­ch­er Kriegss­chiffe. Nur zwei Ein­heit­en haben in den let­zten Wochen den Bosporus passiert, allerd­ings in der „falschen“ Rich­tung: Zer­stör­er SMETLIVIY und Lan­dungss­chiff TSESAR KUNIKOV kehrten nach Reisen ins Mit­telmeer zur Schwarzmeer­flotte zurück. Auch Pas­sagen des Suezkanals oder der Straße von Gibral­tar gab es nicht. Möglich (wenn nicht gar wahrschein­lich) ist natür­lich, dass ein rus­sis­ches Spezialschiff zur Fer­n­melde-/elek­tro­n­is­chen Aufk­lärung im östlichen Mit­telmeer operiert. Nicht auszuschließen ist auch, dass ein rus­sis­ches Werk­stattschiff im Rah­men ein­er rou­tinemäßi­gen mehrmonati­gen Ver­legung an der „rus­sis­chen Pier“ in Tar­tus liegt oder vor dem Hafen in See die Entwick­lung abwartet. 

Marineforum - ADMIRAL KUZNETSOV (Foto: russ. Marine)
ADMIRAL KUZNETSOV (Foto: russ. Marine) 

Am 24. Novem­ber legte eine zypri­o­tis­che Zeitung „noch einen drauf“: der rus­sis­che Flugzeugträger ADMIRAL KUZNETSOV ste­he mit weit­eren Kampf­schif­f­en bei Mal­ta und laufe mit Höch­st­fahrt in Rich­tung östlich­es Mit­telmeer. In ein­er an Abstrusität kaum noch zu über­bi­etenden Mel­dung berichtet die Zeitung überdies von ein­er ab dem 28. Novem­ber geplanten Übung des rus­sis­chen Flugzeugträgers mit der israelis­chen (!) Marine … zur Sicherung zypri­o­tis­ch­er Öl- und Gas­felder gegen türkische/nordzyprische Über­griffe; der Flugzeugträger werde auch Limas­sol anlaufen. 

Nun plant die ADMIRAL KUZNETSOV tat­säch­lich eine Reise ins Mit­telmeer (Marine­Fo­rum wird dazu an dieser Stelle bericht­en). Diese sollte eigentlich auch schon am 19. Novem­ber begin­nen, wurde dann aber auf Anfang Dezem­ber ver­schoben. Am Tage der Zeitungsmeldung lag die ADMIRAL KUZNETSOV jeden­falls noch bei der Nord­flotte, wurde in ihrem Heimath­afen Severo­morsk von Marinebe­fehlshaber Admi­ral Vysot­sky (öffentlichkeitswirk­sam) besucht. 

Ähn­liche Gerüchte rank­ten sich in der let­zten Woche um den US Flugzeugträger GEORGE BUSH. Dieser hat­te seit Mai einen Rou­ti­neein­satz im Ara­bis­chen Meer und im Per­sis­chen Golf durchge­führt, der nach sechs Monat­en nun zu Ende geht. Die GEORGE BUSH machte sich mit den Kampf­schif­f­en ihrer Car­ri­er Strike Group auf den Rück­weg ins heimis­che Nor­folk; vor dem Wei­h­nachts­fest will man zurück sein. Zur Rück­ver­legung gehört natür­lich die Pas­sage des Suezkanals ins Mit­telmeer, aber als der Flugzeugträger dann am 22. Novem­ber im Suezkanal gemeldet wurde, löste dies sofort teils „wilde“ Speku­la­tio­nen aus. Selb­st renom­mierte Nachricht­e­na­gen­turen woll­ten in der Ver­legung ins Mit­telmeer den Vor­lauf zu einem „möglichen Ein­satz vor Syrien“ erken­nen. Die offizielle Erk­lärung der US Navy, das Schiff sei auf der Heim­reise, wurde eben­so ignori­ert, wie die Tat­sache, dass die meis­ten für eine Sicherung des Trägers in einem „schar­fen“ Ein­satz unverzicht­baren Kampf­schiffe der BUSH Car­ri­er Strike Group zu Hafenbe­suchen in Civ­i­tavec­chia (Ital­ien), Pal­ma de Mal­lor­ca und Liss­abon einliefen. 

Eine US-Zeitung berichtete sog­ar, der Flugzeugträger sei vor der syrischen Küste vor Anker gegan­gen. „Belegt“ wurde die Mel­dung mit einem Video, das die GEORGE BUSH beim Manövri­eren mit einem kleinen Hafen­schlep­per zeigt. Dass dieses schon vor mehreren Wochen in Bahrain ent­stand, spielte keine Rolle. Auch die Tat­sache, dass das Ankern eines Flugzeugträgers direkt vor ein­er poten­tiell feindlichen Küste „oper­a­tiv­er Schwachsinn“ ist, wurde geflissentlich überse­hen. Am 25. Novem­ber lief die GEORGE BUSH dann übri­gens zu einem geplanten Hafenbe­such in Mar­seille (Frankre­ich) ein, ste­ht also keines­falls vor Syrien — und die nur drei Tage zwis­chen Suez­pas­sage und der süd­franzö­sis­chen Küste zeigen, dass sie auch keinen Abstech­er vor die syrische Küste gemacht hat. 

Marineforum - GEORGE BUSH vor der südfranzösischen Küste (Foto: US Navy)
GEORGE BUSH vor der süd­franzö­sis­chen Küste (Foto: US Navy) 

Der Fair­ness hal­ber sei an dieser Stelle nicht ver­schwiegen, dass die GEORGE BUSH bei Bedarf natür­lich für einen Ein­satz bere­it ste­ht. Sie spielt (wie andere Schiffe der US Navy auch) in der US-Even­tu­alpla­nung ganz sich­er eine Rolle; ob und wie sie die — vielle­icht — wahrnehmen wird, wird ihr Kurs nach Ende des Besuch­es in Mar­seilles zeigen. 

Gerüchte sind im gesamten Nahen und Mit­tleren Osten üblich. Sie gehören zum täglichen Leben, wer­den begeis­tert in Tee­häusern und Bazaren disku­tiert — und bisweilen auch von Regierun­gen ganz bewusst lanciert und ges­teuert. Sie basieren in der Regel auf „einem Körnchen“ Wahrheit (angekündigte Mit­telmeer­reise der ADMIRAL KUZNETSOV, Suezkanal­pas­sage der GEORGE H.W. BUSH), um das dann aber bere­itwillig Fan­tasien gewoben wer­den – je doller und abstruser, desto bess­er. Wenn allerd­ings west­liche Medi­en solche Mel­dun­gen ungeprüft auf­greifen und weit­er ver­bre­it­en, dann ist das nur Aus­druck eines völ­lig unpro­fes­sionellen Jour­nal­is­mus, der sich wed­er um Fak­ten noch um Über­prü­fung ein­er Infor­ma­tio­nen oder gar eigen­ständi­ge Recherche schert. 

Marine­Fo­rum wird jeden­falls die weit­ere Entwick­lung in der Region aufmerk­sam beobacht­en und dann ggf. auch – mit der gebote­nen Vor­sicht und jour­nal­is­tis­chen Pro­fes­sion­al­ität — an dieser Stelle darstellen. 

In Koop­er­a­tion mit “Marine­Fo­rum — Zeitschrift für mar­itime Fra­gen

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