Nach wie vor verkünden einige Medien, der russische Flugzeugträger ADMIRAL KUZNETSOV stünde mit Kurs auf Syrien im Mittelmeer, und der US-Flugzeugträger GEORGE BUSH habe direkt vor der syrischen Küste Position bezogen – und nach wie vor sind all diese Meldungen falsch.
Tatsache bleibt, dass die ADMIRAL KUZNETSOV noch immer bei der heimatlichen Nordflotte in Severomorsk liegt. Erst in einigen Tagen wird das Schiff gemeinsam mit dem Zerstörer ADMIRAL CHABANENKO zu seiner (seit 2010 geplanten) Reise ins Mittelmeer auslaufen. Am 28. November gab die russische Marine bekannt, der Flugzeugträger werde Hafenbesuche in Beirut (Libanon), Genua (Italien) sowie auf Zypern durchführen. Im Mittelmeer soll sich noch die Fregatte LADNIY (KRIVAK-Klasse) der Schwarzmeerflotte anschließen (Anmerkung: Wenn diese den Bosporus passiert, werden einschlägige Medien erneut sofort nur einen Bezug mit Syrien sehen).
Von einem Besuch in Syrien war bei der russischen Marine in den letzten Tagen keine Rede, und der russische Generalstabschef, General Makarov, betonte noch einmal, die Verlegung stünde „in keinerlei Zusammenhang mit der Lageentwicklung in Syrien“, fügte sogar hinzu, man „werde nichts nach Syrien schicken“. Die russische Führung ist sich zweifelsohne über die möglichen negativen außenpolitischen Folgen eines Syrienbesuches unter den derzeitigen Bedingungen im Klaren. Man muss in der Eventualplanung natürlich ein mögliches Ende des Assad-Regimes berücksichtigen und so versuchen, alles zu unterlassen, was von einer späteren syrischen Führung als substantielle Unterstützung des Diktators verstanden werden muss. Zum anderen können wohl auch nur Phantasten erwarten, dass der russische Flugzeugträger sich bei einer eventuellen (möglw. sogar von der UN mandatierten) Intervention tatsächlich z.B. einer Carrier Strike Group der US Navy in den Weg stellt, also aktiv an der Seite Syriens in einen bewaffneten Konflikt eintritt. Untätiges Zusehen vor Ort wäre für russische Politik wie Selbstverständnis allerdings ebenso kontraproduktiv. Man wird also zumindest vorerst bemüht sein, die unmittelbare syrische Küste möglichst zu meiden, mit einem Besuch im nahen Beirut und auf Zypern aber die grundlegenden russischen Interessen in der Region signalisieren.
Andererseits unternimmt Russland derzeit auch nichts, was die Beziehungen zur derzeitigen syrischen Führung stören könnte. Natürlich werden geschlossene Verträge erfüllt, und auch wenn überall diesbezügliche Forderungen laut werden: ein von den UN gegen Syrien verhängtes Waffenembargo gibt es bisher nicht – und es ist gegen der erklärten Willen der Vetomächte Russland und China auch nur bei einer signifikanten Lageveränderung zu erwarten. So hat Russland „in der jüngsten Vergangenheit“ denn auch die schon 2007 bestellten, modernen Küsten-FK Systeme „Bastion“ geliefert.
Russisches Küsten-FK-System Bastion (Foto: Rosoboronexport) |
Bastion nutzt Flugkörper SSC‑5, eine Variante des überschallschnellen Seeziel-FK P‑800 Onyx 355M (auch bekannt unter dem Namen Yakhont bzw. dem NATO-Code SS-N-26). Die Reichweite dieser FK wird mit bis zu 300 km angegeben; sie legen dabei in etwa fünf Meter Flughöhe 750 m pro Sekunde zurück (Mach 2,5) und verfügen über einen Suchkopf, der im Zielanflug weitgehend passiv bleibt und auch durch elektronische Abwehrmaßnahmen nur schwer störbar sein soll. Auch wenn ein Einsatz über die maximale Distanz natürlich auch die Fähigkeit erfordert, so weit entfernte Ziele zu orten, eindeutig zu identifizieren und die Zielzuweisungsdaten in das System einzuspeisen: mit dem Erwerb der russischen Systeme verfügt Syrien über ein effektives Abwehrmittel gegen Intervention von See.
Für das Bevorstehen eines solchen Intervention gibt es nach wie vor keine Anzeichen. Der US Flugzeugträger GEORGE BUSH wird zwar nach dem Ende seines Besuches in Marseille in den letzten Tagen noch nicht wieder gemeldet; alle zu seiner Carrier Strike Group gehörenden Kampfschiffe haben allerdings die Straße von Gibraltar westlaufend passiert und stehen derzeit südwestlich der iberischen Halbinsel „im Atlantik“. Alles spricht so dafür, dass die gesamte Einsatzgruppe mit dem Flugzeugträger wie offiziell verkündet nach dem Ende ihres regulären Einsatzes im Persischen Golf / Arabischen Meer auf dem Weg zum Heimathafen Norfolk ist.
Natürlich wird die US Navy mit Blick auf Syrien eine Eventualplanung betreiben, und könnte bei Bedarf die GEORGE BUSH auch schnell wieder „umdrehen“. Zur Zeit deutet aber nichts darauf hin, dass dies tatsächlich beabsichtigt ist. Weitere US Flugzeugträger oder auch amphibische Einsatzgruppen befinden sich derzeit nicht im Mittelmeer (auch wenn einige Medien das Gegenteil behaupten). Nächste Einheiten sind die Trägerkampfgruppe um die JOHN C. STENNIS und die BATAAN Amphibious Ready Group; beide operieren derzeit im Arabischen Meer bzw. im Persischen Golf. Auch bei anderen westlichen Marinen sind bisher keinerlei Vorbereitungen für einen bevorstehenden Syrien-Einsatz zu erkennen, auch wenn z.B. Frankreich und Großbritannien (und für den Fall eines möglichen syrisch-türkischen Konfliktes sicher auch die NATO) sich durchaus „vorbeugend Gedanken machen“ dürften.
In Kooperation mit “MarineForum — Zeitschrift für maritime Fragen”
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